SeebestattungLetzte Reise auf den Wellen

Ursula Meer

, Lars Bolle

 · 02.06.2025

Vier Doppelschläge, das  traditionelle Signal zum Ende der Wache, werden ein letztes Mal geläutet.
Foto: Sven Oevermann
Immer mehr Menschen wählen die Seebestattung als letzte Ruhestätte. Der Artikel behandelt den Ablauf dieser maritimen Zeremonie, rechtliche Aspekte und praktische Informationen für Angehörige.

Die grünblaue Ostsee vor Binz auf Rügen bildet an diesem Apriltag die Kulisse für eine besondere Zeremonie. Während Urlauber am Strand die Frühlingssonne genießen, tritt hier jemand seine letzte Reise an. Am Ende der Seebrücke wartet das Ausflugsschiff "Binz" mit einer Urne an Bord. Etwa 15 Trauergäste haben sich eingefunden, um Abschied von Dirk aus Berlin zu nehmen, der vier Monate zuvor verstorben ist. Die Seebestattung, einst Privileg von Seeleuten, wird heute zunehmend von Menschen gewählt, die eine Verbindung zum Meer haben.

Ablauf einer Seebestattung

"Wir haben heute die Leinen losgeworfen zu Dirks letzter Reise", begrüßt der Kapitän die Trauergäste im Salon des Schiffes. Die Fahrt führt etwa zweieinhalb Meilen hinaus in die Prorer Wiek. An Bord herrscht eine Atmosphäre zwischen Trauer und Erinnerung. Einige Gäste suchen den Blick über die See, andere tauschen Anekdoten über den Verstorbenen aus. Am Beisetzungsort angekommen, versammeln sich alle an Deck. Der Kapitän trägt die Urne zur offenen Schiffstür, wo sie über ein Gitter langsam ins Meer hinabgelassen wird. Die Schiffsglocke erklingt in vier Doppelschlägen - das traditionelle Zeichen für das Ende einer Wache, hier symbolisch für den Übergang vom Leben zum Tod.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Seebestattung unterliegt in Deutschland klaren rechtlichen Vorgaben. Grundsätzlich gilt die Friedhofspflicht, von der die Seebestattung eine Ausnahme darstellt. In den meisten Bundesländern ist diese Ausnahme inzwischen standardmäßig zulässig, erklärt der Bundesverband Deutscher Bestatter. Einige Länder wie Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfordern jedoch eine explizite Ausnahmegenehmigung. Die Frist für die Beisetzung variiere je nach Bundesland zwischen einem und sechs Monaten. Eine schriftliche Willenserklärung des Verstorbenen zur Seebestattung erleichtere den Prozess erheblich.

Steigende Nachfrage und Kosten

Der Bundesverband Deutscher Bestatter schätzt die Anzahl der Seebestattungen in Nord- und Ostsee derzeit auf bis zu 20.000 im Jahr - mit steigender Tendenz. Jule Harten von der Weißen Flotte in Stralsund bestätigt: "In den letzten vier Jahren hat sich die Anzahl bei uns fast verdreifacht, sodass wir mittlerweile im Schnitt täglich eine Seebestattung fahren." Die Kosten für eine Seebestattung gelten als vergleichsweise günstig, da weder eine Grabstelle erworben noch gepflegt werden muss.

Stille Seebestattungen, bei denen die Urne ohne Angehörige beigesetzt wird, kosten ab ca. 1.600 Euro, begleitete Abschiede mit Angehörigen an Bord ab ca. 2.400 Euro. Zusätzliche Wünsche wie Trauerredner, Blumen oder Catering werden gesondert berechnet.

Gedenkkultur nach der Seebestattung

Für viele Angehörige stellt sich die Frage nach einem Ort der Trauer. Vielerorts gibt es inzwischen Gedenkstellen an Land: Bänke mit Blick aufs Meer, Namensplaketten oder Blumenvasen. Reedereien bieten zudem regelmäßige Gedenkfahrten an. "Je nach Schiff können wir 80 bis 200 Personen mitnehmen. Die Angehörigen verbinden das gern mit einem gemeinsamen Familienurlaub hier bei uns an der Küste", berichtet Jule Harten. Oft lägen die Bestattungsorte auch auf Fähr- oder Ausflugsrouten, sodass Angehörige diese bei regulären Fahrten besuchen können.

Fakten zur Seebestattung:

Rechtliche Voraussetzungen:

  • Ausnahmegenehmigung: In den meisten Bundesländern nicht nötig, in einigen explizit erforderlich
  • Beisetzungsfrist: Je nach Bundesland 1-6 Monate
  • Willenserklärung: Schriftliche Erklärung des Verstorbenen empfohlen

Ablauf:

  • Einäscherung: Muss der Seebestattung vorausgehen
  • Fahrtdauer: Etwa 2-3 Stunden
  • Zeremonie: Ansprache des Kapitäns, Übergabe der Urne, Glockenläuten

Meistgelesen in der Rubrik Wissen