Peter Laessig
· 20.08.2018
Wir vergleichen fünf Motoren der 175-PS-Klasse – und fragen uns, ob sie zu Recht ein Nischendasein führen
Der Trend geht zu Außenbordmotoren. Warum? Sie befinden sich technisch auf Augenhöhe mit denen, die unterm Deckel, also unter der Sonnenliege, ihre Arbeit verrichten. Außerdem benötigen sie im Vergleich zu ihren Einbaukollegen weniger Platz, was gleichbedeutend mit mehr Stauraum ist, darüber hinaus wiegen sie weniger bei gleicher Leistung – beides nicht zu vernachlässigende Vorteile beim Fahren.
Im Prinzip spielen aber die 175-PS-Motoren eher eine untergeordnete Rolle, da Boote, an die sie angehängt werden können, entweder nur bis 150 PS oder gleich bis 200 PS und mehr zugelassen sind und die Preisdifferenz für den Motor dazwischen nicht allzu groß ist.
Hinzu kommt, dass die Motoren von 150 bis 200 oder 225 PS nahezu baugleich sind und sich entweder nur durch die Programmierung des Motorcomputers oder durch einzelne Bauteile voneinander unterscheiden. Oder der 175-PS-Motor ist gar ein gedrosselter 200er. Ein Grund mehr, die 175-PS-Motoren aus ihrem Schattendasein zu befreien und zu überprüfen, was diese Klasse so drauf- und drunter hat.
Alle bekannten Hersteller, die einen 175-PS-Motor im Programm haben, wurden geladen und sagten auch zu: Das sind Evinrude, Honda, Mercury, Selva, Suzuki und Yamaha. Das Modell von Selva wurde zwar am Testort angeliefert, aber niemand erschien zur Montage und Abstimmung. Den Grund kennen wir nicht.
Technisch betrachtet ist alles vertreten: Vier- und Sechszylindermotoren als reine Saugmotoren oder mit Aufladung, deren Zylinder in Reihe oder V-Form angeordnet sind und mit unterschiedlichem Hubraum daherkommen. Aufladung bedeutet, dass mittels eines technischen Gerätes wie eines Abgasturboladers oder eines mechanisch angetriebenen Kompressors zusätzlich Luft in die Verbrennungsräume eingeblasen wird.
Der Motor bekommt dadurch mehr Luft in die Zylinder als durch einfaches Ansaugen. Dadurch kann ein Motor mit weniger Hubraum einem Saugmotor mit mehr Hubraum Paroli bieten. Denn mehr Luft im Zylinder kann mit mehr Kraftstoff gemischt werden, was schlussendlich mehr Leistung bedeutet. Von unseren Probanden arbeitet allein der Mercury Verado mit Aufladung (Kompressor).
Es gibt aber auch Unterschiede bei der Arbeitsweise, wo wir es mit Viertakt- und Zweitaktmotoren zu tun haben. Evinrude zählt zur letzten Kategorie. Wer allerdings bei Zweitaktern an DKW-Autos oder Trabant und an ihre mitunter sichtbaren Abgasduftfahnen denkt, liegt zwar beim Arbeitsprinzip richtig, aber nicht, was die Emissionen angeht. Da spielt der V6-Evinrude-Testmotor in der allerersten Liga mit und braucht sich vor den Viertaktern in keiner Weise zu verstecken. Er ist der Topvertreter dessen, was technisch heute in der Zweitaktklasse möglich ist.
Als Testboot steht uns eine Hellwig Milos V630 Cabin AB zur Verfügung, an die Motoren mit einer Leistung von 150 PS bis 225 PS angehängt werden können. Unserer Ansicht nach harmonieren dieses Boot und die 175-PS-Motoren optimal, und es braucht nicht mehr Leistung, da wir insbesondere bei den Höchstgeschwindigkeiten schon die Reserven des Bootes etwas ausreizen. Dieses wurde etwas abgespeckt, das heißt ohne Hecksitzbank geliefert, ansonsten entspricht aber alles der Serienausstattung, etwa die hydraulische Steuerung.
Um gleiche Voraussetzungen für alle Testkandidaten zu schaffen, wurde nach jeder Abstimmungs- und Testfahrt das Boot wieder auf das gleiche Gewicht getrimmt, also der Tank mit der Spritmenge gefüllt, die während der Fahrten verbraucht wurde. Zwecks vergleichbarer Resultate fuhren wir jeden Motor auf der gleichen Mainstrecke in dieselbe Richtung, und bei den zahlreichen Beschleunigungsmessungen haben wir jeweils die mit den besten Werten genommen.
Jeder Motorhersteller hat seinen Motor in Eigenregie ans Boot montiert und von uns die benötigte Zeit bekommen, um diesen abzustimmen. Dass dabei nach der ersten Probefahrt der Motor mal ein Loch höher oder tiefer gehängt wurde, um schlussendlich den einen Propeller von vielen für den Test aufzustecken, zählte zum Programm.
Mercury, Suzuki und Yamaha stimmten ihren Motor mit der Absicht ab, in allen Bereichen (Beschleunigung, Kraftstoffverbrauch, Schalldruck, Geschwindigkeit) gute und mehr als nur zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Honda legte demgegenüber Wert auf beste Kraftstoffverwertung, moderaten Schalldruck und nicht zu hohe Drehzahlen, ohne die Schnelligkeit aus dem Auge zu verlieren. Evinrude machte es einfach und ging mit dem klaren Ziel heran, der Schnellste zu sein.
Bei Leichtathleten macht der Schuh das Laufgefühl und entscheidet über das Ergebnis oder über Sieg und Niederlage. Bei Booten ist das der Propeller; er bestand bei allen Testkandidaten aus Edelstahl. Hier haben nicht nur unsere Telemetriedaten klare und interessante Unterschiede aufgezeigt, wie die Kraft letztlich ins Wasser kommt und die 175 PS jeweils umgesetzt wurden.
Zumindest bei den Beschleunigungswerten fällt Yamaha auf. Betrachtet man die Werte bei 10 km/h und 20 km/h, betrifft dies auch Evinrude, dessen Propeller – der einzige mit Beschleunigungsöffnungen an der Nabe – doch merklich länger brauchte, was sich insbesondere im Vergleich Drehzahlen zu l/km bei 1500 bis 2500 U/min deutlich abzeichnet.
Was die Beschleunigung angeht, hat Suzuki mit seiner Propeller-Motor-Abstimmung allen Beteiligten gezeigt, wie’s gemacht wird. Der Motor beschleunigte am schnellsten von 0 auf 70 km/h (8,85 s) und benötigte dafür die kürzeste Strecke (103 m). Gleich dahinter folgt Mercury mit 10,48 s und 130,02 m. Honda schlägt mit 138,32 m Evinrude mit 140,01 m, und das, obwohl beide die gleiche Zeit (11,37 s) brauchen. Den größten Anlauf benötigt Yamaha mit 164,62 m und 13,9 s.
Bei der Höchstgeschwindigkeit haben alle Kandidaten die für diese Bootsgröße beachtliche 80-km/h-Marke übertroffen. Spitzenreiter ist Evinrude (85,7 km/h), gefolgt von Yamaha (84,8 km/h). Danach teilen sich Honda und Mercury den Platz auf dem Podest (83,6 km/h). Die geringste Maximalgeschwindigkeit registrierten wir bei Suzuki mit 81,1 km/h.
Interessant ist ein Vergleich der jeweiligen Drehzahlen. Bei Yamaha haperte es zwar etwas bei Beschleunigung, an der Höchstgeschwindigkeit jedoch nicht, oder anders gesagt, die Qual der Propellerwahl fiel zugunsten der Höchstgeschwindigkeit aus, sodass der Motor bei erlaubten 5000 bis 6000 U/min maximal 5400 U/min erreichte.
Honda brauchte am zweitlängsten, um auf Touren zu kommen; hier haben sich die Techniker bei erlaubten 5000 bis 6000 U/min bei der Abstimmung für den unteren Drehzahlbereich entschieden und mit 5400 U/min reichlich Luft nach oben gelassen. Nicht ganz so viel Spielraum ließ sich Evinrude (5000 bis 6000 U/min), dessen Motor nicht höher als 5700 U/min drehte. Dagegen nutzte Mercury (5800 bis 6400 U/min) das Drehzahlband bis auf 100 U/min Reserve fast vollständig aus; Suzuki dagegen (5500 bis 6100 U/min) ließ seinen Motor bis zur Maximaldrehzahl am oberen Anschlag arbeiten.
Während Honda, Suzuki und Yamaha nur mit manuellem Powertrim zu fahren sind – der Fahrer drückt hier also selbst den Knopf am Schalthebel –, bieten sowohl Evinrude (serienmäßig) als auch Mercury (gegen Aufpreis) ein automatisches Powertrimsystem an. Beide verfügen über Programme, die in mehreren Stufen oder Profilen auf das jeweilige Boot eingestellt werden können und es passend trimmen, aber zusätzlich noch ein individuelles Feintuning ermöglichen.
Evinrude benutzte das allgemeine Programm für den Test, das für jeden Normalbootfahrer gut gepasst hätte. Wir haben allerdings darauf verzichtet und selbst getrimmt. Mercury optimierte dagegen sein "Active Trim-Kit" während einer sehr ausgiebigen Testfahrt mittels Laptop.
Wir sind damit eine mittlere Stufe und die höchste (auch als "aggressive Trimmung" bezeichnet) gefahren und müssen unumwunden zugeben, dass die Jungs von Mercury am Testboot ganz Arbeit geleistet hatten. Aber es geht nichts über den sensiblen Daumen des Testers: Bei den Beschleunigungswerten wurde dieser zwar von Mercury ganz knapp (um 0,1 s!) geschlagen, dafür konnte er bei der Höchstgeschwindigkeit noch ein gutes Stück draufpacken und der Elektronik zeigen, wie und wo es langgeht.
Betrachtet man den Bereich, in dem das Testboot in schneller Gleitfahrt am wirtschaftlichsten unterwegs ist, stellen wir nach Auswertung unserer Messdaten fest, dass er bei allen Motoren zwischen 3000 und 3500 U/min liegt. Beim Mercury trifft das auf beide Drehzahlen zu; bei 28,5 bis 37,4 km/h verbraucht er jeweils 0,44 l/km.
Auch für den Evinrude passen beide Drehzahlen; er konsumiert jeweils 0,47 l/km bei Tempo 34,7 km/h
beziehungsweise 42,8 km/h. Bei Suzuki sind es 3000 U/min und Tempo 32,6 km/h, der Verbrauch beträgt lediglich 0,42 l/km. Bei gleicher Drehzahl fährt man mit dem Honda 41,6 km/h schnell, während ebenfalls nur 0,42 l/km durch die Spritleitung fließen, und erreicht mit dem Yamaha Tempo 38,6 km/h sowie einen Verbrauch von 0,43 l/km.
Legt man einen Tankinhalt von 100 l zugrunde, kommt man theoretisch mit dem Suzuki (204 km) am weitesten, gefolgt von Honda mit 202 km, Yamaha mit 196 km, Mercury mit 192 km und Evinrude mit 182 km – jeweils plus 15 % Reserve.
Betrachtet man die Testkandidaten bei gleichen Geschwindigkeiten, stellt man fest, dass die Motoren auch hier nah beieinanderliegen und mal der eine, mal der andere besser abschneidet – abgesehen von Evinrude, der aufgrund seines Propellers bei Tempo 20 bis 30 km/h oder bei 2000 bis 2500 U/min höhere Werte ausweist, weil es sich um einen speziell belüfteten Propeller handelt.
Was den Schalldruck angeht, bleiben alle Probanden bis 3500 U/min unterhalb der 85-dB(A)-Grenze und liegen ab 4000 bis 4500 U/min darüber. Allein der Evinrude-Motor beginnt diesen Wert bereits ab 2500 U/min zu überschreiten.
Unter der Haube bedienen sich alle Hersteller der elektronisch gesteuerten Kraftstoffeinspritzung. Auch Evinrude, der im Gegensatz zu den Mitbewerbern anstelle der Saugrohreinspritzung den Sprit nicht vor den Einlassventilen, sondern direkt in den Brennraum hineinbläst.
Da Evinrude nach dem Zweitaktprinzip arbeitet, "nebelt" er auch in kleinsten Dosierungen noch Öl an alles, was sich im Motorblock bewegt. Wichtig bei Mercury: Der Motor darf niemals ohne Luftfilter betrieben werden, da sonst der Kompressor kapitalen Schaden nehmen kann, wenn etwas ungefiltert eindringt.
Während Honda und Yamaha ihre Vertreter über herkömmliche Bowdenzüge kommandieren, werden beim Rest die Befehle auf elektrischem beziehungsweise elektronischem Weg gegeben – oder auf Neudeutsch per "Fly-by-Wire". Hinsichtlich der Ausstattung mit technischen Raffinessen nimmt Evinrude einen Spitzenplatz ein, knapp dahinter folgen Suzuki und Mercury. Honda und Yamaha teilen sich den dritten Podiumsplatz.
Eine wirksame Leerlaufsperre bieten während des Tests Honda, Mercury und Yamaha. Suzuki kommt ohne Sperre aus und gibt an, dass die Elektronik bei hohen Drehzahlen dieselbe erst auf 3000 U/min und zukünftig auf 2000 U/min reduziert, bevor sie von voll vorwärts in den Rückwärtsgang schaltet. Bei Evinrude ist es ähnlich, nur dass hier die Drehzahlen laut Hersteller auf 1200 U/min gesenkt werden, bevor der Schaltvorgang weitergeht.
Auch im Unterwasserbereich zeigen sich Unterschiede. Bis auf Suzuki und Evinrude, bei denen die Gänge elektrisch geschaltet werden, weisen alle Motoren konventionell geschaltete Getriebe auf. Und bei Suzuki wird lediglich ein Stecker gedreht, um den Propeller rechts- oder linksherum laufen zu lassen, was die Doppelinstallation erleichtert; man muss nur einen passenden Propeller dazukaufen.
Alle Motoren werden mit der serienmäßig im Boot eingebauten hydraulischen Steuerung gelenkt. Einzige Ausnahme: Evinrude – bei ihm braucht man den Steuerzylinder nicht, sondern schließt die Hydraulikschläuche direkt am Motor an, da er serienmäßig über eine integrierte Servolenkung verfügt.
Dass bei allen Herstellern Alarmsysteme zum Einsatz kommen, die sich bei Fehlfunktionen mit einem akustischen oder optischen Signal bemerkbar machen und im Ernstfall den Motor mit einem Notlaufprogramm weiterlaufen lassen, ist Stand der Technik.
Was die Garantie angeht, gewähren alle Hersteller drei Jahre, einige bieten darüber hinaus Sonderregelungen. Bei Suzuki ist ein kostenloser Mobilitätsschutz in der dreijährigen Garantiezeit inbegriffen. Bei Honda kann der Anspruch um zwei weitere Jahre kostenpflichtig verlängert werden, Mercury bietet zwei Jahre und ermöglicht drei Jahre Verlängerung ohne Aufpreis, wenn der Kunde den vorgeschriebenen Service nachweist und eintragen lässt.
Fazit:
Schüttet man die Gewichtswerte, die Platzierungen in den einzelnen Kategorien plus den Stand der Technik, den Preis und die Garantieregelungen in einen Topf, sieht man Suzuki auf Rang eins, knapp gefolgt von Mercury auf Rang zwei. Rang drei in der Gesamtpunktzahl teilen sich Honda und Yamaha, Evinrude nimmt den vierten Platz ein – wobei dieser sowohl bei der Spitzengeschwindigkeit als auch beim Stand der Technik vorn liegt.
Dieser Artikel stammt aus BOOTE 10/2017