Tubodiesel-AußenborderNeander Shark

Erich Bogadtke

 · 28.01.2013

Tubodiesel-Außenborder: Neander SharkFoto: Neander Shark
Neander Shark | rk

Motorenneuheit „made in Germany“: Mit dem Neander Shark präsentiert ein Entwicklungsteam aus Kiel den ersten Turbodiesel-Außenborder der Welt.

„Innere Werte“ beim Neander Shark: Innere Werte: Vierventiltechnik, Alu-Motorblock, doppelte Kurbelwelle, Common Rail, Turbo und Ladeluftkühler. | r.Foto: Neander Shark
„Innere Werte“ beim Neander Shark: Innere Werte: Vierventiltechnik, Alu-Motorblock, doppelte Kurbelwelle, Common Rail, Turbo und Ladeluftkühler. | r.

Frage: Was hat Werner, der als Comic-Figur und Hauptdarsteller in den nach ihm benannten Büchern und Abenteuerfilmen zum Superstar wurde, mit dem ersten Turbodiesel-Außenborder der Welt zu tun? Antwort: Auf den ersten Blick nix. Allein, wer die "komischen Streifen" aufmerksam gelesen oder gesehen hat, weiß, dass der Klempner-Azubi aus dem hohen Norden sich nicht nur für "Flaschbier und Flachköpper" begeistern kann. Extravagante Motorräder und starke Motoren sind seine große Liebe. So wurden der "Red-Porsche-Killer", den "Ölfuß" Wolfgang Ußleber mit vier (!) Horex-Motoren ausstattete, und das 1988 auf dem Flugplatz in Hartenholm gestartete Rennen gegen "Holgis" Porsche legendär.

Ist es die Reminiszenz an die gute alte Zeit? Philipp Hitzbleck und Lutz W. Lester, als Marketing-Chef und Vorstandsreferent des 2002 in Insolvenz gegangenen "Achterbahn-Verlages" mitverantwortlich dafür, dass man Werner-Comics las und sah, wollen die 22 Jahre alte, gemeinsam mit "Werner-Vater" Rötger (Brösel) Feldmann entwickelte Idee, ein serientaugliches Motorrad mit einem Turbodieselmotor zu bauen, in die Tat umsetzen.

Die Gründung der Neander Motors AG mit Sitz in Kiel ist der erste Schritt und schnell gemacht. Der zweite, ein paar wirklich gute Motor-Leute für die "verrückte Idee" zu begeistern, dauert nicht viel länger. Das Ergebnis der leidenschaftlichen Liaison, ein nicht nur wegen seines 100 PS starken Dieselmotors einzigartiges Motorrad, erhält 2009 den Schmidt-Römhild Technologiepreis des schleswig-holsteinischen Ministers für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr. Ausgezeichnet und mit einer kräftigen "Finanzspritze" belohnt werden damit unter anderem das Innovationspotenzial und der zukunftsweisende Charakter der Technik.

Erfolg macht bekanntlich tüchtig. So kommt der Gedanke, die ausgezeichnete Technologie an einen 508 mm oder 635 mm hohen Bootsspiegel zu hängen, fast zwangsläufig. – Nun ist die Idee, einen Diesel-Außenborder zu bauen, nicht neu. Yanmar hat’s in den Neunzigern mit zwei Modellen (27 und 36 PS) gemacht, war aber auf Dauer wenig erfolgreich.

Der Grund: Die Motoren vibrierten stark, waren groß, schwer und laut. Und dazu alles andere als billig. Die im Vergleich mit Benzinmotoren zweifelsfrei vorhandenen Vorteile, wie Zuverlässigkeit, lange Lebensdauer, Sicherheit und Spritersparnis, konnten seinerzeit – wenn überhaupt – nur gewerbliche Nutzer davon überzeugen, dass die Unterschrift auf dem Kaufvertrag eine kluge Entscheidung ist. Was lehrt uns das? Soll sich der heute fast fertige Turbodiesel-Außenborder, der lange Zeit nur in den Köpfen des Unternehmerduos Hitzbleck-Lester existierte, erfolgreich im Markt etablieren, muss er deutlich besser sein als seine japanischen Vorgänger. Und dass so ein Motor nicht für "kleines Geld" angeboten werden kann, und (nur) deshalb für Freizeitkapitäne uninteressant sein wird, war von vornherein klar. Bleibt die Frage: Wie lassen sich echte Profis überzeugen?

Club der klugen Köpfe

Wie man ein funktionierendes Unternehmen auf die Beine stellt, wissen Hitzbleck und Lester, wie man einen alltagstauglichen Turbodiesel-Außenborder baut, eher nicht. Die Lösung des Problems heißt auf Neudeutsch "copy and paste". Verständlich ausgedrückt: (das Motorradkonzept) kopieren und einsetzen. Soll heißen, man sucht Investoren, die von der Idee und dem Projekt überzeugt sind und "zeugt", wenn man diese gefunden hat, eine hundertprozentige Tochter der Neander Motors AG, die Neander Shark GmbH, die – wie die Mutter – Motorenentwickler, aber kein Hersteller ist.

Soll Entwicklungsarbeit erfolgreich sein, braucht es kluge Köpfe. Einer davon gehört Claus Brüstle, einem der "Erfinder" von Mercurys Verado und heute Nord-Amerika-Präsident der Emitec. Die weltweit agierende Gesellschaft für Emissionstechnologie "kümmert" sich beim Neander-Motor um die Reduzierung von Kraftstoffverbrauch, Partikelemission und CO2-Ausstoß. Hört sich erstmal einfach an, ist aber wahnsinnig kompliziert und genauso wichtig.

Rick Davis besitzt einen nicht weniger klugen Kopf. Der ehemalige (1995 bis 2010) Vice President von Mercury gehört unbestritten zu den erfahrensten und besten Außenbordmotoren-Entwicklern der Welt. Köpfchen, wie es so schön heißt, hat auch Ulrich Witwer. Der Ingenieur weiß als ehemaliger Mahle-Direktor und aktueller Managing Director der Neander Shark GmbH einfach alles über Kolben & Consorten.

Partner mit Know-how

Mit dem gleichen "Dienstgrad" ausgestattet ist Lutz W. Lester auf der Suche nach starken Partnern. Gefunden hat der 51 Jahre alte Betriebswirt mehr als ein halbes Dutzend renommierte Unternehmen, wie die Robert Bosch GmbH, die den Neander-Motor mit einer Common-Rail-Direkteinspritzung und einem elektronischen Motormanagement ausstattet. Beides zusammen macht den Motor sparsam und sauber und schafft nebenbei jede Menge Laufkultur.

Auf Lesters "Gesucht- und-gefunden-Liste" stehen auch die FEV aus den USA und der Spezialist für Hochleistungsmotoren, die Firma capricorn aus Düsseldorf, die ihre Wurzeln im internationalen Motorsport hat. Die Erstgenannte liefert die für die Fertigung des Kraftkopfes aus Leichtmetall notwendigen Berechnungen. Das maßgeschneiderte – das heißt, speziell für die hohen Drehmomente des Neander-Motors ausgelegte – Unterwasserteil ist "made in Italy". Originalton Lester: "Wir haben uns für Selva entschieden, weil die Leute aus Tirano das nötige Know-how und die Erfahrung besitzen und wir in diesem Fall nach einem mittelständischen Partner aus Europa gesucht haben."

Für die Hochschule München, mit der NeanderMotors seit zehn Jahren zusammenarbeitet, sprechen bei der Partnersuche die Kompetenz und die Tatsache, dass die Münchener in Deutschland den einzigen leistungsstarken Prüfstand für Außenbordmotoren besitzen.

Auf dem steht nicht erst seit diesen Tagen mit dem Neander-Motor ein 800 ccm großer Zweizylinderdiesel mit Turbolader und Ladeluftkühlung, der sein maximales Drehmoment von 120 Nm schon bei 2000/min entwickelt. Will man seine Höchstleistung von 40 kW (55 PS) nutzen, muss der mit Vierventiltechnik, zwei oben liegenden Nockenwellen und Steuerkette ausgestattete Diesel mit 4500/min drehen.

Dass dabei eine doppelte Kurbelwelle rotiert, ist einzigartig und das Erfolgsrezept des Neander-Motors. Die beiden gegenläufigen (Kaffeemühlenprinzip), über Zahnräder gekoppelten Kurbelwellen schaffen ein kompaktes Motordesign und reduzieren zusammen mit den Ausgleichsgewichten in den Zahnrädern Vibrationen auf ein Minimum. Hinzu kommt, dass die Kolben nahezu frei von Seitenkräften sind, was sich nachweislich positiv auf die Reibleistung auswirkt.

Erste Prüfstandsergebnisse zeigen ein hohes Drehmoment und ein mindestens ebenso hohes Einsparpotenzial, das den Neander-Motor wie beabsichtigt besonders für kommerzielle Nutzer interessant macht. Nimmt man allein den Kraftstoffverbrauch und die aktuellen Spritpreise als Maßstab, haben sich die ansehnlichen Anschaffungskosten "schon" nach 1000 Betriebsstunden amortisiert. Klingt gut. Jedenfalls für Profis.

Für Freizeitkapitäne liegen sowohl die genannten Betriebsstunden als auch der Preis von 26 000 Euro "jenseits von Gut und Böse". Da verlieren auch Argumente wie Sicherheit, Umweltfreundlichkeit, Lebensdauer und Betriebssicherheit relativ schnell ihre Wirkung. Bleibt Otto-Normalbootfahrer allein die Hoffnung, dass der Motor, der Mitte 2014 in Serie gehen soll, schnell ein wirtschaftlicher Erfolg wird und damit die Preise sinken.

Ohne "Mengenrabatt" bleibt der 55 PS starke Turbodiesel, der sich durch Hubraumvergrößerung und/oder höheren Ladedruck problemlos zum 80er machen lässt (wo er auch vom Gewicht her konkurrenzfähig wäre), ein Fall für die Profis.

Dass der innovative Selbstzünder zur Premiere die Anforderungen der Klassifizierungsgesellschaften wie dem Germanischen Lloyd erfüllen muss, versteht sich von selbst. Klar ist auch, dass Vertrieb, Service und Ersatzteilversorgung von autorisierten Partnern in Norwegen, Italien und England übernommen werden. In Deutschland ist die Firma Marx in Hamburg, die mit Yanmars Dieselaußenbor-der Erfahrung sammeln konnte, der Ansprechpartner.

Das Fazit ist sechs Jahre alt und stammt aus der Feder der Kollegen der MTZ (Motortechnische Zeitschrift), die 2006 den 100 PS starken 1,4-l-Motorradmotor unter die Lupe nahmen.

Zitat: "Mit dem neuen Neander-Dieselmotor ist es erstmals gelungen, einen leistungsstarken, kompakten Dieselmotor mit Turboaufladung und Direkteinspritzung für ein Motorrad darzustellen. Sein Layout als quer eingebauter Paralleltwin besticht durch viele innovative Lösungen. Damit lassen sich die vom Pkw bekannten dieseltypischen Eigenschaften, wie hohes Drehmoment, gute Elastizität, niedriger Kraftstoffverbrauch und hoher Fahrspaß, auch auf ein Motorrad übertragen." – Zitatende.

Dem ist vonseiten des BOOTE-Schreibers – der lediglich das zweimal benutzte Substantiv "Motorrad" gegen "Außenborder" austauschen möchte – nichts mehr hinzuzufügen.

TECHNISCHE DATEN

  • Bauart Viertakt-Turbodiesel
  • Zylinder 2 in Reihe
  • Bohrung und Hub 80 x 80 mm
  • Hubraum 800 ccm
  • Leistung 40 kW (55 PS)
  • maximales Drehmoment 120 Nm bei 2000/min
  • Volllastdrehzahl 4500/min
  • Gewicht 155 kg
  • Kraftstoff Diesel
  • Kraftstoffsystem Common-Rail-Direkteinspritzung
  • Kühlung Wasser/Einkreis
  • Generator 12 V/300 W
  • Starter elektrisch
  • empfohlene Spiegelhöhe 508 und 635 mm
  • Trimmung Power-Trimm
  • Getriebeübersetzung 2,07:1
  • Getriebeschaltung V-N-R
  • Preis 26 000 Euro
  • Vertrieb Friedrich Marx GmbH, Wendenstr. 8, 20097 Hamburg