Sebastian Gollasch
· 31.12.2017
Außenbordertest Die beiden Vertreter der 350-PS-Klasse unterscheiden sich deutlich im Konzept. Wir wollten wissen, wie sie sich im direkten Vergleich schlagen
Ein Außenborder mit 350 PS: Das war einst undenkbar, weil eine solche Leistung nur von großvolumigen Innenbordern erreicht wurde. Heute kann man sich einen solchen Motor bequem an den Spiegel hängen, mehr noch: Man hat sogar die Qual der Wahl.
Die 350-PS-Klasse ist die höchste, in der es mehr als einen Hersteller gibt. Außerdem hat Mercury seinen Motor erst vor Kurzem überarbeitet. Für uns der passende Anlass, den erneuerten Verado 350 gegen Yamahas größten Außenborder, den F350, antreten zu lassen.
Angehängt werden Motoren dieser Leistungsklasse an RIBs und Sportboote der 8-bis-10-m-Kategorie. In unserem Fall konnten wir uns zwei identisch ausgestattete Axopar 28 AC sichern, ein finnisches Kunststoffboot (Länge über alles: 9,01 m, Breite: 2,85 m, Gewicht: 1790 kg ohne Motor) mit einer Zulassung für bis zu 8 Personen und Extra-Langschaft-Außenborder bis maximal 350 PS. Einsetzen kann man die Axopar 28 AC auf Gewässern mit einer signifikanten Wellenhöhe bis 2 m (CE-Kategorie C).
Um alles komfortabel zu fahren, ist der Rumpf mit 22° aufgekimmt und im Zwei-Stufen-Design (Airsteps) konstruiert. Werftseitig ist ein 260-l-fassender-Einbaukraftstofftank verbaut. Die Testfahrten haben wir auf der Mosel bei Traben-Trarbach absolviert, dem Firmensitz samt Hafen und Bootstankstelle von Boote Polch. Inhaber Patric Polch stellte uns die Boote zur Verfügung und installierte mit seinem Werkstattteam die Motoren.
Sowohl der Mercury Verado 350 als auch der Yamaha F350 sind Viertakter. Beim Erstgenannten handelt es sich aber um einen Reihensechszylinder mit 2,6 l Hubraum und Kompressoraufladung. Der Japaner dagegen generiert seine Leistung mittels acht in V-Form angeordneten Zylindern als Sauger. Damit er die gleiche Menge Kraftstoff-Luft-Gemisch umwandeln kann, hat er mehr als das Doppelte an Hubraum (5,3 l).
Um diesen gut gefüllt zu bekommen, spendierten die Techniker dem Motor zwei Zylinderköpfe mit Vierventiltechnik und zwei oben liegende Nockenwellen je Bank. Darüber hinaus sorgt eine Einlassnockenwellen-Verstellung für einen runden Motorlauf im unteren Drehzahlbereich und für besseren Gaswechsel in den Zylindern bei hoher Drehzahl.
Bei Mercury optimiert der überarbeitete, jetzt wassergekühlte Kompressor die Zwangsbeatmung der sechs Zylinder. So kommt der Verado mit deutlich weniger Hubraum aus. Um die vorverdichtete Luft weiter abzukühlen, verfügt er zudem über einen Wasserladeluftkühler, der wie der restliche Motor über die Einkreiskühlung arbeitet. Um Salz- und Korrosionsablagerungen im Kühlsystem zu verhindern, ist beim Verado das Motorinnere beschichtet. Yamaha setzt nach wie vor auf Opferanoden in den Abgaskrümmern als Korrosionsschutz für den Aluminiummotor.
Eine Besonderheit des Verado ist die elektrohydraulische Servolenkung. Sie besteht aus einer elektronischen Steuerradeinheit, einer Servopumpe und einem im Bracket integrierten hydraulischen Lenkzylinder. Vorteil dieses Systems (drive by wire 2.0): Bei der Installation zwischen Steuerstand und Heck müssen nur Kabel verlegt werden; zudem kann man bei einer Doppelmotorisierung unter Verwendung der ab Werft verbauten Komponenten verhältnismäßig einfach ein Joysticksystem nachrüsten.
Im serienmäßigen Lieferumfang des Yamaha F350 ist keine Lenkung enthalten; am besten greift man auf eine servounterstützte Hydrauliklenkung aus dem Zubehörkatalog zurück. Von Vorteil ist hier, dass man bei einem Motorwechsel wegen Defekt oder Leistungssteigerung die vorhandene Lenkung übernehmen kann (bis auf das System der Verado-Modelle). Eine elektronische Schaltung samt Motordisplay gehört sowohl bei Mercury als auch bei Yamaha zum Standard. Beide sind ergonomisch und gut zu bedienen. Auf den Monitoren werden alle relevanten Motordaten angezeigt; das Display lässt sich außerdem konfigurieren.
Am häufigsten dürfte bei einem Viertakter der Motorölstand geprüft werden. Entsprechend sollte man die Haube auch auf dem Wasser bequem vom Heck oder der Badeplattform aus abnehmen können, um an den Peilstab und gegebenenfalls den Öleinfülldeckel zu gelangen. Die zweigeteilte Haube des Mercury lässt sich dank der Zentralverriegelung unkompliziert abnehmen. Der Peilstab ist ebenfalls recht gut zu erreichen. Die Position des Öleinfülldeckels fällt beim Yamaha F350 allerdings skipperfreundlicher aus. Die dreifache Verriegelung der Haube dagegen macht das Abnehmen recht umständlich.
Damit die Motorenhersteller sicherstellen können, dass ihr Motor so gut wie möglich auf das Testboot abgestimmt ist, laden wir bei jedem Test die Techniker der Hersteller ein. Sie legen die Anbauhöhe fest und entscheiden, welche Propeller verwendet werden sollen. Sowohl Mercury als auch Yamaha haben sich für die tiefste Position entschieden.
Beim Propeller für den F350 fiel die Wahl auf ein Vier-Blatt-Edelstahlmodell der Saltwater-XL-Serie (Abmessungen: 15 3/8" x 22"). Damit lag die Volllastdrehzahl am oberen Ende des werksseitig empohlenen Bereichs (5000 bis 6000 U/min). Der Mercury-Techniker montierte einen Revolution-4-Edelstahlpropeller, ebenfalls mit vier Blättern (14 5/8" x 21"). Wir erreichten bei Volllast mit der Testbeladung von zwei Personen plus 260 l Kraftstoff die untere Grenze des Sollbereichs (5800 bis 6400 U/min).
Die Ergebnisse unseres Außenbordertests zeigen, wie sparsam und geräuscharm die beiden Motoren wirklich sind. Der Mercury kann beim Verbrauch besonders im langsamen Bereich (10 km/h und 20 km/h) den Vorteil des geringen Hubraums ausspielen. Der Yamaha mit seinen acht Zylindern und 5,3 l Hubraum hat hier das Nachsehen. In Zahlen ausgedrückt: Beim F350 kommt man bei 10 km/h mit einer vollen Tankfüllung 464 km weit, bei Tempo 20 km/h sind 201 km Reichweite drin. Mit dem Mercury legt man bei den gleichen Geschwindigkeiten 541 km beziehungsweise 210 km zurück, bis der Tank leer ist. Im Bereich ab 30 km/h bis hin zum Topspeed erweist sich dann der Yamaha durchgehend als sparsamer – je nach Tempo um 2 bis 11 %.
Was die Geräuschentwicklung angeht, so schneidet der Mercury Verado besser ab. Er läuft fast über alle Messbereiche entweder leiser oder maximal gleich laut wie der Konkurrent aus Japan. Bei der erzielten Höchstgeschwindigkeit und der Spritzigkeit sichert sich dagegen der V8 von Yamaha weitere Punkte. Mit einem gemessenen Topspeed von 94,3 km/h war er ganze 3,2 km/h schneller, und bei der Beschleunigung aus dem Stand auf 40 km/h, 50 km/h und 70 km/h konnte er sowohl die erste wie auch die dritte Wertung deutlich für sich entscheiden. Im Sprint von 0 auf 50 km/h lagen beide Motoren fast gleichauf.
Der Mercury Verado 350 stellt sich bei unserem Außenbordervergleich als leiserer und günstigerer Vertreter von beiden getesteten Motoren heraus. Durch Haube und Lenksystem gibt er sich bedienerfreundlich, und bei niedrigeren Geschwindigkeiten ist er darüber hinaus sparsamer unterwegs. Im mittleren und hohen Geschwindigkeitsbereich wiederum liegt der Yamaha F350 in Sachen Spritverbrauch durchgehend besser im Rennen, dafür muss man bei ihm eine etwas höhere Lautstärke in Kauf nehmen. Für den Japaner spricht darüber hinaus eine schnellere Beschleunigung aus dem Stand auf 40 km/h und 70 km/h.