Exklusiver TestStarke Kombination - Volvo Penta setzt auf Dieselmotoren mit E-Antrieben

Torsten Moench

 · 04.09.2023

Der Göteburger Motorenhersteller Volvo Penta nimmt sich gerade mit massivem Ressourceneinsatz dem Thema E-Mobilität auf dem Wasser an
Foto: Isaksson
Volvo Penta setzt auf die Kombination erprobter Dieselmotoren mit modernen E-Antrieben

Hybrid-Antriebe sind nichts neues. Während sie bei Autos, wir erinnern uns an den legendären Toyota Prius, zum Wegbereiter der heutigen vollelektrischen Fahrzeuge wurden, konnten sie sich in Sportbooten bisher nicht durchsetzen. Der Grund: Es gab schlichtweg keinen Bedarf. Warum sollten Werften ein solch‘ exotisches und darüber hinaus teures Antriebsystem verbauen, wenn die Kundschaft nicht danach verlangte und preiswerte Verbrennungsmotoren in Hülle und Fülle zur Verfügung standen?

Das ändert sich gerade. Erstens ist die Kundschaft sensibilisiert und zweitens steht zu befürchten, dass nach dem beschlossenen EU-weitem Aus für Verbrennungsmotoren in Kraftfahrzeugen auch die Verfügbarkeit von Marine-Verbrennern in Zukunft schwieriger werden dürfte. So hat beispielsweise Volvo entschieden, ab 2030 – das ist in rund 6 1/2 Jahren – keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zu bauen.

Ob dies der Grund ist, warum das maritime Schwesterunternehmen Volvo Penta in Sachen Hybrid-Antrieben „Gas“ gibt, ist reine Spekulation. Fakt ist aber, das der Göteburger Motorenhersteller sich gerade mit massivem Ressourceneinsatz dem Thema E-Mobilität auf dem Wasser annimmt.

BOOTE war eines der ersten Magazine, welches den Prototypen des neuen Volvo-Hybrid-Antriebes im firmeneigenen Testcenter Krossholmen bei Göteburg, installiert in einer Jeanneau NC 37, fahren konnte.

Unscheinbar, aber kräftig

Nähert man sich dem Boot, weist mit Ausnahme des „Hybrid-Electric“-Schriftzuges nichts auf den außergewöhnlichen Antrieb hin. Selbst beim Öffnen des Motorraumes fallen die beiden scheibenförmigen 60-kW-Elektromotoren kaum auf. Den Raum dominieren die serienmäßigen D4-320-Maschinen mit ihren Nebenaggregaten. Erst auf den zweiten Blick findet man die unscheinbaren, aber kräftigen, E-Motoren zwischen Motorblock und DPI-Z-Antrieb. „Plug-in-Parallel Hybrid“ nennen das die Profis.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Auffälliger sind da schon die aus acht Einzelmodulen bestehenden 67-kWh-Batterieblöcke unter den Bodenbrettern des Salons. Sie stammen von MG-Energy-Systems aus Holland, sind nach Industriestandards gefertigt und für den kommerziellen Einsatz auf Schiffen zugelassen. Wo die Jeanneau NC 37 sonst mit üppigen Stauräumen glänzt, beherrschen hier Akkuzellen, Kühlleitungen und dicke Kabelstränge die Szenerie. Alles in Allem gibt Volvo das Mehrgewicht im Vergleich zur Serien-NC 37 mit 600 kg an.

Der erste Eindruck

Obwohl offiziell als „Prototyp“ deklariert, macht das gesamte Antriebs- und Batteriesystem bis hierher einen nahezu serienreifen Eindruck. Doch kommen wir zur Testfahrt, dem Grund unseres Besuches in Schweden: Manövriert man die Hybrid-NC 37 aus dem Hafen, operiert sie bis rund 1200/min (9 kn) rein elektrisch. Neben dem fehlenden Motorgeräusch macht sich vor allem das perfekte Zusammenspiel der Volvo-Joystick-Steuerung mit den E-Motoren positiv bemerkbar. Durch das unmittelbare Anliegen des vollen Drehmoments, reichen schon kleinste Bewegungen am Joystick und das Boot folgt willig jeder Richtungsänderung. Auch das aus früheren Zeiten berüchtigte „Schaltknallen“ der Antriebe entfällt. Dazu unser Testprotokoll: „butterweiche Manöversteuerung“.

Volvo Penta verbaut drei Modi

Weiterhin lautlos geht es aufs offene Wasser der Göteburger Schären. Wir lassen die NC 37 in Kanalfahrt von rund 8 kn laufen und hören – nichts! Erst bei 1300/min ist das vollautomatische Starten der beiden D4-320-Dieselmotoren durch ein leichtes Vibrieren der Bodenbretter zu vernehmen. Der Fahrer braucht dabei nichts zu tun. Schiebt er die Gashebel weiter, beschleunigt das Boot ganz normal in Gleitfahrt und erreicht bei rund 35 kn seine Topspeed. Wir nehmen das Gas zurück und die D4 stellen bei etwa 1300/min ihren Betrieb wieder ein. Die aus dem Auto bekannte Start-Stopp-Automatik lässt grüßen. Das Boot fährt nun wieder rein elektrisch. Als Fahrer hat man die Wahl zwischen drei Modi, die man am eigens für dieses Antriebssystem entwickelten Touchscreen einstellen kann:

  1. Vollelektrisch – die Diesel bleiben aus, beispielsweise bei Kanalfahrt
  2. Hybrid – die Standard-Einstellung
  3. Power

„Power“ klingt in unseren Ohren spannend und wir entscheiden uns für den nächsten Testdurchlauf diesen Modus auszuprobieren. Zur Erläuterung: In „Power“ wird die Kraft beider Systeme, also 2 x 235 kW Diesel-Power, plus die 2 x 60 kW der E-Motoren zu einer Systemleistung von 590 kW, also bummeligen 800 PS, addiert. Ganz ordentlich für einen 37 Fuß Familycruiser und eine Herausforderung für die Mechanik der Z-Antriebe.

Auch diesmal fahren wir langsam aus dem Hafen, legen dann aber beide Hebel ohne langes Vorgeplänkel „auf den Tisch“. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Statt 25 Sekunden von Null auf 35 kn im Hybrid-Modus, beschleunigt die NC 37 nun in 17 Sekunden auf die gleichen Geschwindigkeit. Im Klartext: Lässt man allen vier Motoren freien Lauf, beschleunigt das Boot rund 30 % zügiger. Respekt!

Volvo Penta sorgt für ausreichend Strom

Bleiben noch die Fragen: Wie steht es um die Reichweite und die Ladetechnik? Fährt man das Boot rein elektrisch mit rund 5 kn in Verdrängerfahrt, ist nach 15 sm oder umgerechnet drei Stunden Fahrt Schluss. Klingt mager, reicht aber in der Praxis oft aus. Und auch hier kommt der Vorteil des Hybrid im Vergleich zum reinen E-Boot zum Tragen. Ist die Strecke länger, das Wetter schlechter als gedacht oder will man irgendwann doch schneller fahren, braucht man sich um nichts zu kümmern. Hebel nach vorne schieben, die Diesel starten automatisch, übernehmen den Vortrieb und laden nebenbei die Batterien unterwegs noch mit bis zu 20 kW selbsttätig auf. Vor Anker oder im Hafen steigt die Ladeleistung der D4-Maschinen sogar auf 60 kW, so dass die Akkus nach einer Stunde „Kaffeepause“ wieder voll sind. Nützlicher Nebeneffekt: Einen zusätzlichen 230-V-Generator kann man sich auf der NC-37-Hybrid sparen. Für ausreichend Strom ist jederzeit gesorgt – solange sich noch Diesel in den Tanks befindet. Lädt man am Landanschluss im Hafen, gibt Volvo die Ladedauer, je nach landseitiger Infrastruktur, mit drei bis 12 Stunden an.

Kommen wir zum Fazit: Nach unseren Erfahrungen auf der NC 37 ist die Hybridtechnik ein guter Kompromiss, derzeit jedoch noch recht teuer und mit der Markteinführung ist frühesten in drei bis fünf Jahren zu rechnen. Dennoch kombiniert sie das Beste zweier Welten und ermöglicht sorgenloses Bootfahren mit dem E-Motor. So ähnlich, wie seinerzeit der Toyota-Prius.


Technische Daten

  • Topspeed Verbrenner: 35 kn
  • Topspeed Elektrisch: 10 kn
  • Reichweite bei 5 kn: 3 h/15 sm
  • Leistung D4: 2 x 235 kW
  • Leistung E-Motoren: 2 x 60 kW
  • Batteriekapazität: 67 kWh
  • Ladeleistung D4-Motoren: 60 kW
  • Ladeleistung Landstrom: 20 kW
  • Ladezeit D4-Motoren: 1 h
  • Ladezeit Landstrom: 3 h
  • Antriebe: 2 x DPI Aquamatic

Auch interessant:

Meistgelesen in der Rubrik Motoren