E 10Grünes Gift für Bootsmotoren?

Sebastian Gollasch

 · 11.05.2011

E 10: Grünes Gift für Bootsmotoren?Foto: Christian Tiedt
Bio-Sprit E10 | 10

Der Bio-Sprit E10 ist zwar in aller Munde, aber längst nicht in allen Tanks. Auch für Bootsfahrer hat der neue Kraftstoff mehr Nach- als Vorteile.

Die nachfolgende Frage beschäftigt (nicht nur) die Bootswelt seit Anfang des Jahres: Welcher Skipper kann bedenkenlos den Bio-Kraftstoff E10 tanken und welcher nicht? Doch bevor wir das klären, wollen wir kurz erläutern, was es mit dem E10-Sprit auf sich hat. Bei der Bezeichnung steht das E für Ethanol (Alkohol, der aus Pflanzenmasse gewonnen wird), und die 10 gibt den Wert der maximalen prozentuellen Beimischung an.

So wird dem Super-Kraftstoff (95 Oktan), der bislang mit bis zu 5 Prozent Ethanol versetzt ist, noch mehr Ethanol zugegeben, und es entsteht das neue E10. Dieser Sprit soll den CO2-Ausstoß von Benzinmotoren verringern. Eine gute Idee, wenn da nicht die teilweise schlecht oder gar nicht geklärte Verträglichkeit des Kraftstoffes für Motoren, auch Bootsmotoren und sonstige betroffene Bootsanlagen, wäre. Was kann der Kraftstoff in nicht geeigneten Anlagen, also beispielsweise auch im Tank, anrichten?

Ethanol besitzt nämlich unter anderem Eigenschaften von Lösungsmitteln, wodurch bei älteren Booten mit Kunststofftank dieser von innen her angegriffen werden kann. Gleiches gilt für die restliche Kraftstoffanlage wie Gummischläuche, Dichtungen und Filter. Aluminium- sowie Edelstahl- oder auch modernere Kunststofftanks haben weniger mit den „Auflösungsproblemen“ zu kämpfen.

Hier ist die Gefahr von verstopften Filtern und Leitungen durch im Tank gelöste Verschmutzungen größer. Eine weitere Besonderheit des E10 besteht darin, dass er hygroskopisch ist, sprich er zieht Wasser an und bindet dieses. Eine Eigenschaft, die gerade für den Bootsbesitzer teuer werden kann, denn bei langen Standzeiten verwässert der Sprit, wodurch er Korrosionsschäden an Tank und Leitungen, aber auch innen im Motor und in Motorteilen, wie Vergaser, Ventilsitze, Zylinderlaufbahnen oder Einspritzeinrichtung, verursachen kann. Dies führt im schlimmsten Fall zu Motorausfall oder gar zum Motorschaden.

Um dem entgegenzuwirken, müssen Vielfahrer, die mit E10-Kraftstoff unterwegs sind, die Wartungsintervalle heraufsetzen und somit öfter in die Werkstatt. Um nun zu klären, welche Motoren überhaupt E10-tauglich sind, haben wir die Motorenhersteller gefragt. Außerdem wollten wir noch wissen, was man beim Betrieb mit E10 beachten muss.

Evinrude gibt bekannt, das Betreiben der Motoren mit E10 würde keinerlei Probleme bereiten, wenn der Kunde die von BRP/Evinrude angegebenen Kraftstoffqualitäten für seinen Motor verwendet. Aus dem Hause Yamaha ist zu vernehmen, dass alle Außenborder ab dem Baujahr 2003 ohne Einschränkungen mit E10 gefahren werden dürfen. Die Installation eines Kraftstofffilters mit Wasserabscheider wird empfohlen. Alle Modelle vor 2003 können nicht für den Betrieb mit E10 umgerüstet werden und sind daher auf die anderen Kraftstoffsorten angewiesen.

Laut Honda ist die Verwendung von maximal 10 Prozent alkoholhaltigem Kraftstoff grundsätzlich möglich. Daher ist der Betrieb der Honda-Außenborder mit dem Ottokraftstoff E10, der 95 Oktan misst, erlaubt. Honda sagt außerdem, E10 ­reagiere stärker auf Faktoren wie Lichteinstrahlung, Umgebungstemperatur und Lagerzeit. Diese könnten die Beschaffenheit des Benzins verändern und es schneller unbrauchbar machen. Das Unternehmen empfiehlt daher, nur E10-Kraftstoff zu verwenden, der nicht älter ist als 30 Tage und vorher in einem zugelassenen Kraftstoffbehälter aufbewahrt wurde, um die Benzinqualität zu sichern.

Volvo Penta/Tohatsu erklärt, dass alle Motoren mit E10 betrieben werden können. Außerdem empfiehlt Volvo den Einbau eines Kraftstofffilters mit Wasserabscheider, der dann nach Filterherstellerangaben und Wartungsintervallen auf Wasser und Verunreinigungen geprüft werden muss. Zusätzlich sollte laut Volvo beim Lagern von Kraftstoff mit Ethanol-Anteil ein Stabilisator wie Stabil beigemischt werden.

Mercury/MerCruiser gibt folgende Auskunft: Die Komponenten des Kraftstoffsystems von Mercury-Marinemotoren sind so konstruiert, dass sie Kraftstoffen mit einem Ethanol-Anteil von bis zu 10 % im Benzin standhalten. Weiter weist Mercury darauf hin, dass aufgrund der wasseranziehenden Eigenschaft und der längeren Lagerzeit eine Phasentrennung begünstigt wird.

Die Folgen können verstärkte Korrosion von Metallteilen, Verschleiß von Gummi- und Kunststoffteilen, Undichtigkeiten in Gummi-Kraftstoffleitungen und Start- und Betriebsschwierigkeiten sein. Aus diesem Grund wird empfohlen, Kraftstoffe ohne Ethanol-Anteile zu verwenden, wenn dies möglich ist. Bei Gebrauch von E10 sollte das Kraftstoffsystem häufiger auf Undichtigkeiten und Anomalitäten untersucht werden.

Suzuki gibt an, dass die Verwendung von E10 bei allen Viertaktmotoren ab dem Produktionsdatum 1996 möglich ist. Bei den Zweitaktern aus dem Hause Suzuki gibt es bis auf die Modelle DT8, DT8C, DT9.9C und DT15C ebenfalls keine Einschränkungen beim Betrieb mit E10. Weiter heißt es im Text, die Verwendung von E10 an Modellen mit Vergaser kann trotz Freigabe bei einzelnen Außenbordern zu schlechterem Motorlaufverhalten führen. In solchen Fällen bitte E10 nicht weiterverwenden.

Wie bei Honda sollte E10, der länger als 30 Tage im Kraftstoffbehälter gelagert wurde, nicht mehr zum Einsatz kommen. Wird der Außenbordermotor für einen längeren Zeitraum nicht genutzt, sollte der Kraftstoff aus dem Dampfblasenabscheider oder aus der Schwimmerkammer abgelassen werden.

Bleibt die Frage, wie Tanks, Schläuche und Tankgeber auf E10 reagieren. Zur Klärung befragten wir fünf große Werften, Händler und Werkstätten, wie ihre Bootsanlagen den E10-Kraftstoff vertragen beziehungsweise ob eine Umrüstung auf den neuen Sprit nötig und möglich sei. Dazu erhielten wir durchweg unbefriedigende Antworten: „Leider sieht es so aus, dass unsere Lieferanten, egal ob Hersteller oder Vertreiber, sich bedeckt halten. Klare Aussagen sind nicht zu bekommen. Somit können wir auch den zahlreichen Anfragen unserer Kunden keine befriedigende Antwort geben,“ so eine bekannte Werft. Eindeutiger ist da Tankgeber-Hersteller VDO: „Bezüglich E10-Kraftstoffen sind unsere Füllstandssensoren nicht freigegeben“, heißt es.

Interessiert hat uns auch die Verfügbarkeit des E10-Kraftstoffes an den Bootstankstellen. Die von uns befragten Wasser-Tankstellen gaben an, nicht auf den neuen Biosprit umstellen zu wollen, ebensowenig den Kraftstoff zusätzlich zum bisherigen Angebot anzubieten. Ausschlaggebend für diese Haltung ist hauptsächlich die eingeschränkte Haltbarkeit. Somit ist E10 bis auf Weiteres nur für Kanistertanker an Straßentankstellen zu haben.

Fazit: Der Betrieb von Booten mit E10 ist aufwendiger als der mit anderem Kraftstoff, wenn sich der Skipper an die Vorgaben der Motorenhersteller hält. Somit muss jeder Bootsbesitzer abwägen, inwiefern E10 für ihn sinnvoll ist. Ein Kraftstofffilter mit Wasserabscheider sollte jedoch in jedem Fall installiert werden – gleichgültig, ob Ihr Boot mit E10 fährt oder mit der teureren Alternative.