Ralf Marquard
· 23.04.2016
Drago 29 Yachtline Wide Beam und Yachtline 29: Spezielle Rumpfform gegen Klassiker oder Diesel gegen Benziner. Der etwas andere Vergleich.
Ein 29-Fuß-Boot noch trailern? Mit der Drago 29 Yachtline kein Problem, so Florian Öchsner vom gleichnamigen Bootsservice. Der Trick: Rumpf und Deck werden im sogenannten "Low Wood System" gefertigt. Das heißt, es wird möglichst wenig Holz einlaminiert, stattdessen verwendet Drago aus GFK geformte Hohlprofile zur Versteifung. Lohn der Bauweise ist ein geringes Gewicht, das samt Einbaumotor bei 2700 kg für ein Standardboot liegt und mit einem 3500-kg-Trailer gut zu transportieren ist.
Aber damit nicht genug. Um den Booten bessere Fahreigenschaften zu geben, hat Senior Dieter Öchsner zusammen mit der Drago-Werft einen speziellen "Wide-Beam-Rumpf" entwickelt, den man unübersehbar am breiten Heck erkennt.
Das bedeutet, dass die Rumpfbreite 2,52 m beträgt, anstatt 2,14 m wie beim Serienboot. Nachteil: Bei der Produktion muss man mit zwei Schalenteilen arbeiten, was die Fertigung komplizierter macht.
Im Vergleich zum Standardrumpf schlägt diese Spezialausführung mit 4940 Euro extra zu Buche. Und was bewirkt der Wide Beam? Auf Grund der größeren Breite bietet er eine bessere Seitenstabilität und lässt das Boot achtern nicht so weit eintauchen. Das garantiert zusammen mit der größeren Rumpffläche leichteres Angleiten und damit letztlich auch weniger Spritverbrauch über den gesamten Gleitbereich.
Um diese Vorteile herauszustellen, fuhren wir mit einer normalen Drago 29 Yachtline und einer Drago 29 Yachtline "Wide Beam" auf dem Main. Allerdings fährt die "Wide Beam" mit einem 220 PS starken Dieselmotor und die Normalversion mit einem 225-PS-Benziner. Beide stammen aus dem Hause Volvo Penta.
Bis auf die Einspritzanlage und EVC-Elektronikeinheit ist der Benziner ein recht alter Hut, denn der Motor besteht aus Grauguss und wird von General Motors so schon Jahrzehnte gefertigt und verkauft. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Motor samt Duoproantrieben 419 kg (trocken) auf die Waage bringt. Der Dieselmotor – der früher als Schwergewicht bezeichnet wurde – wiegt dagegen zusammen mit der Antriebseinheit nur 363 kg. Grund dafür ist die moderne Fertigung aus Aluguss.
Mit anderen Worten heißt unser Test dadurch auch: Moderner Rumpf mit aktueller Bootsdieseltechnik gegen herkömmliches Unterwasserschiff mit traditionellem Ottomotor.
Damit zumindest der Parameter "Gewicht" identisch ausfällt, haben die beiden Testkandidaten exakt das gleiche Testgewicht von 3470 kg samt FÖ-T35-Trailer (ebenfalls aus dem Hause Öchsner). Hier sei erwähnt, dass die "Wide Beam" trotz leichterem Motor auf Grund der Vollausstattung und speziellen Eignerwünschen 90 kg mehr wiegt als die Normalversion. Letztere beschwerten wir mit Ballast, um so gleiche Voraussetzungen zu schaffen.
Beginnen wir mit der Höchsgeschwindigkeit: In diesem Punkt hängt der Diesel mit 5,2 km/h mehr klar den Benziner ab. Beide Motoren drehen dabei im zulässigen Drehzahlband. Wobei der Benziner mit knapp 4600 U/min deutlich höher dreht, als sein Selbstzünder-Kollege mit 3950 U/min. Ein Umstand, der sich naturgemäß auch im Geräuschpegel bemerkbar macht. In Zahlen: 82 dB/A Diesel und 84 dB/A Benziner. Diese Tendenz setzt sich über den gesamten Gleitbereich fort.
Um die beiden Gespanne besser vergleichen zu können, haben wir die üblichen Messdaten bei 10 km/h, 40 km/h und 50 km/h aufgenommen. Im Verbrauchsdiagramm zeigt sich, dass der Diesel in beiden Gleitgeschwindigkeiten etwa ⅓ weniger Sprit benötigt als sein Benzin-Konkurrent. In Verdrängerfahrt liegt der Unterschied sogar bei mehr als der Hälfte.
Bei der Messung der Totalverbräuche am Testtag für den Zeitraum von Fotoshooting und Testfahrt (insgesamt etwa 3 h) stand auf dem Instrument vom Diesel 10 l/h und beim Benziner 13 l/h. Klar, Diesel besitzt einen höheren Energieinhalt (Heizwert) als Benzin. Dieser Unterschied liegt bei etwa 1,0 kWh/l, doch ist der Wirkungsgrad vom D3-Volvo spürbar höher als beim 4,3-l-V-6-Benziner.
Das Gemeine beim Dieselmotor ist jedoch, dass er wesentlich teurer ist als der Benziner. Bei unserem Testkandidaten sind das 16 550 Euro. Rechnet man dann noch "Wide Beam" dazu, ergibt das fast 21 500 Euro.
Viel Geld, das man erst mal wieder reinfahren muss. Gehen wir von einer jährlichen Fahrleistung von 50 h aus, die Hälfte der Zeit davon mit 10 km/h und die andere Hälfte mit 40 km/h, errechnet sich ein Benzinverbrauch von rund 980 l. Das ergibt bei einem Preis von 1,50 Euro/l (Preis an der Autotankstelle) Ausgaben von 1470 Euro. Bei dem Diesel errechnen sich 605 l multipliziert mit 1,20 Euro/l knapp 730 Euro.
Daraus folgt wiederum eine Differenz von 1470 Euro – 730 Euro = 740 Euro und mit 21 500 Euro / 740 Euro gut 29 Jahre, bevor sich Diesel zusammen mit "Wide Beam" bezahlt machen. Bei einer jährlichen Fahrleistung von 100 h sind es entsprechend (nur) 14,5 Jahre.
Zurück zu den Fahrleistungen und –eigenschaften: Beim Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt benötigt man eine gute Beschleunigung (Messwerte siehe Tabelle). Auch in diesem Punkt hat der Diesel die Nase vorn. Beim Gasgeben aus dem Stand zeigt der Motor zwar erst ein paar "müde" Sekunden, kommt die Drehzahl jedoch in den Turbobereich, geht die Post ab und das Boot beschleunigt ohne zu mucken zügig bis zur Maximaldrehzahl. Der Benziner hat zwar erst einen schnelleren Antritt, diesen Vorsprung verliert er dann aber mit zunehmender Geschwindigkeit, wenn der Diesel wie beschrieben den Turbo ins Spiel bringt.
Die Voraussicht beim Beschleunigen ist auf der Wide-Beam-Version gut. Um gleiches auf der herkömmlichen Ausführung zu erhalten, muss man die Trimmklappen einsetzten.
Beiden Boote fahren mit einem sogenannten Trimm-Assistenten, der den Powertrimm automatisch einstellt. Auf unseren Testbooten funktionierte es problemlos und beide fuhren ohne Sichtbehinderungen stur geradeaus.
In schnellen Kurven legt sich die Wide Beam zwar auch auf die Seite, aber nicht ganz so kräftig wie die Normalausführung. Dann ziehen sie ohne Schaukeln in den Kreisel, bevor die Propeller Luft schnappen. Das macht die Duoprops beim Dieselantrieb etwas früher als bei der Benzinausführung.
Beim Verreißen der Steuerung setzt der herkömmliche Rumpf eine Nummer weicher ein als sein breiter Kollege. Das Rauwasserverhalten können wir nicht objektiv beurteilen, da wir nur Sportbootwellen zur Verfügung hatten, die die beiden Rümpfe weich und kursstabil durchqueren. Bei langsamen Manövern verhält sich das Testduo ähnlich direkt, beide drehen fast identische Wendekreise und mit langsamen Geschwindigkeiten ist man kursstabil unterwegs.
Gleich sind ebenfalls die Sitzpositionen sowie die gute Bedienbarkeit von Ruder und Einhebelschaltung. Die Motoren stehen einfach zu erreichen und mit viel Platz für Servicearbeiten unter den Cockpitböden. Die maximalen Motorraumtemperaturen lagen um 30 °C. Bei einer Außenluft- und Wassertemperatur von etwa 18 °C ist das ein passender Wert.
Unter Deck findet man auf dem Duo eine Aufteilung mit Küchenblock, Nasszelle und Doppelkoje vorn sowie eine Unterflurkabine mit zwei Kojen und eine zur Koje wandelbare Sitzecke im Salon.
Fazit
Die Wide-Beam-Ausführung mit dem Dieselmotor zeigt klar bessere Fahrleistungen als die Normal-Ausführung mit dem Benzinmotor. Diesen Vorteil muss man sich allerdings auch mit etwa 21 500 Euro erkaufen, was sich für Normalfah-rer nicht immer rechnet.