Gleich zweimal gerettet: Was wie ein Wunder klingt, ist die wahre Geschichte der ersten „Gorch Fock“. Benannt ist sie nach Johann Kienau, dem norddeutschen Heimatdichter, der unter diesem Pseudonym auf Plattdeutsch über die Seefahrt schrieb. Er starb jung im Ersten Weltkrieg, als sein Schiff 1916 in der Skagerrakschlacht versenkt wurde.
Die weiße Bark hatte Glück mit ihrer zivilen Namensgebung, denn nach ihrem Stapellauf im Jahr von Hitlers “Machtergreifung” wurden die folgenden Schiffe ihrer Klasse nach NSDAP-“Helden” benannt. Segelschulschiffe dienten in Friedenszeiten schließlich als exzellente ideologische Botschafter und förderten den Wiederaufbau der deutschen Kriegsflotte.
Der Krieg verschonte die erste “Gorch Fock” kaum: Ab 1939 wurde sie hauptsächlich als stationäres Wohnschiff und gelegentlich als Ausbildungsschiff genutzt. 1942 lag sie in Swinemünde, 1944 in Kiel und später vor Rügen. Ausbildungsfahrten in der Ostsee waren selten, und am 1. Oktober 1944 wurde die Bark in den Stralsunder Hafen verlegt. Mit dem Vorrücken der Roten Armee wurde sie am 27. April 1945 außer Dienst gestellt und am 1. Mai 1945, als sowjetische Panzer das Schiff beschossen, wurde sie durch eine Sprengung selbstversenkt.
Nach der Bergung blieb der Abbruch aus; stattdessen wurde das Schiff instandgesetzt und diente fortan unter dem Namen „Towarischtsch“ seiner ursprünglichen Bestimmung – nun aber unter dem Zeichen von Hammer und Sichel. 1957 begab sich die Bark auf eine Weltreise. Dies geschah im selben Jahr, in dem die westdeutsche Bundesmarine das sechste Schiff dieser Klasse, eine neue „Gorch Fock“, in Dienst stellte, ohne ahnen zu können, dass die Vorgängerin eines Tages ihren Namen zurückerhalten würde.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 ging das Schulschiff in den Besitz der ukrainischen Handelsmarine über. Aufgrund der hohen Betriebskosten wurde es aber schließlich außer Dienst gestellt. 1995 fand die letzte Reise vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee nach Newcastle upon Tyne statt. Dort versuchten private Sponsoren zwar noch, eine Reparatur zu finanzieren, das Projekt scheiterte jedoch.
In zunehmend marodem Zustand wurde die “Gorch Fock I” nach Wilhelmshaven überführt, um als Flaggschiff der Expo 2000 zu dienen. Danach übernahm der Verein Tall-Ship Friends das Schiff mit der Absicht, es zu retten und in Stralsund, ihrem letzten Heimathafen unter deutscher Flagge, als Museumsschiff zu nutzen. Die jüngste Sanierung wurde 2024 abgeschlossen.
Seit ihrer Rückkehr aus der Werft im Mai 2024 liegt die Bark direkt im Stralsunder Stadthafen. Aufgrund von Umbauten können derzeit nur die Außenbereiche besichtigt werden. Informationstafeln an Deck erzählen die Geschichte des Großseglers. Abgebildete Knoten laden zum Knotenüben ein. Die zweite Umbauphase soll 2026 abgeschlossen sein. Dann werden auch Innenbesichtigungen wieder möglich sein. Der Verein Tall-Ship Friends arbeitet an der Wiederinbetriebnahme unter deutscher Flagge. Die Fahrtgenehmigung wurde in Aussicht gestellt, erfordert aber Investitionen von rund sechs Millionen Euro.
Öffnungszeiten: 01.04.– 30.11. täglich 10–17 Uhr, 01.12.–31.03.: Sa. + So. 11–16 Uhr.
Preise: Erwachsene: 4 Euro, Kinder und Studenten: 2,50 Euro, Familien: 10 Euro, Kinder unter sechs Jahren frei, Rabatt bei Gruppen.
Anreise per Boot: Citymarina Stralsund, Tel.: 03831/444978