FinnlandTörnziel Helsinki - Bei den glücklichsten Menschen der Welt

Christian Tiedt

 · 28.09.2025

Blick auf den Hafen von Helsinki mit dem Nyländska Jaktklubb im Vordergrund.
Foto: Nico Krauss
Helsinki: Hier schwitzt man gerne - aber nicht vor Überanstrengung. Warum man die finnische Hauptstadt auf einem Ostseetörn auf keinen Fall verpassen sollte.

​Habt ihr eigentlich keine Angst? Die Weltlage ist nicht rosig – und eure Grenze zu Russland misst 1.300 Kilometer.“ Das dröhnende Lachen von Joerg Kammener erfüllt die holzgetäfelte Sauna und lässt die Glasscheiben vibrieren. Schweißnasse Gesichter wenden sich uns zu, meist mit einem breiten Grinsen. Wir sitzen bei knapp 100 Grad Celsius in Finnlands angesagter Sauna, dem Löyly in Helsinki.

Start in der Sauna - selbstverständlich

Als Joerg sich von seiner Lachsalve erholt hat, erklärt er: „Wir sind seit Jahren das glücklichste Volk der Welt. Wir haben über zweieinhalb Millionen Saunen und sitzen grad selbst in einer. Was soll uns da passieren?“ Tatsächlich sind die Finnen laut World Happiness Report 2025 bereits zum achten Mal in Folge die glücklichsten Zeitgenossen und haben zudem die höchste Saunadichte weltweit – jeder zweite Einwohner kann sich rein statistisch in den eigenen Schwitzkasten begeben.

Ich erlebe die wohltuende Hitze nun am eigenen Leib. Und Angstschweiß ist das bei Joerg und seinen Schwitzkumpanen also nicht – auch wenn sie, wie er später betont, Respekt vor der Situation und dem großen Nachbarn haben. Doch etwas scheint das finnische Gemüt widerstandsfähig gegen Krisen zu machen. Vielleicht liegt es an der Geschichte des Landes, geprägt vom Ringen um Unabhängigkeit: erst von Schweden, später von Russland.

Beim Nyländska Jaktklubb

Wir haben Joerg im Nyländska Jaktklubben kennengelernt, als er unsere Leinen auf den Poller legte in dem traditionsreichen Hafen auf der kleinen Clubinsel Blekholmen, wo der älteste Segelclub Helsinkis zu Hause ist. Ein eigener Fährdienst verbindet die Insel bequem mit der nahe gelegenen Innenstadt.

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Das Hauptgebäude mit dem markanten grünen Dach ist von den Architekten Estlander und Settergren entworfen und 1900 eingeweiht und wird bis heute sorgfältig instand gehalten. Estlander hat auch sehr erfolgreiche Schärenkreuzer-Risse designt – segelnde Kunstwerke, die von ihren Eignern bis heute gehegt und gepflegt werden.

Das moderne Restaurant im Clubhaus mit eigenen Bereichen für Mitglieder und Gastlieger lässt wenig Wünsche offen. Besonders reizvoll ist auch die kleine Bibliothek im Seglerbereich. Sie allein lohnt schon den Besuch: In den Regalen steht nahezu alles, was jemals an Segelliteratur gedruckt wurde. Natürlich fehlt auch die Sauna nicht – samt kleinem Außenpool, der direkt ins Meerwasser eingebettet ist. Der Club betreibt zudem den etwas weiter westlich gelegenen Gästehafen Björkholmen.

Helsinki lebt mit dem Meer

Doch auch an anderer Stelle lässt stadtnah gut festmachen – etwa in der Marina Bay oder im Pohjoisranta Harbour. Joerg, der wie fast alle hier fließend Englisch spricht, hat uns angeboten, bei Kultur- und Törnplanung behilflich zu sein. „Helsinki liegt nicht einfach nur am Meer – die finnische Hauptstadt lebt mit ihm und ist historisch wie wirtschaftlich eng mit dem Mare Balticum verbunden“, erklärt er.

Die heutige Metropole wurde 1550 von König Gustav I. Wasa von Schweden gegründet, als Helsingfors, wie es auch heute noch offiziell in der Sprache der schwedischen Minderheit heißt. Er ließ sie als Handelsplatz an der Mündung des Vantaanjoki errichten – mit dem Ziel, dem damals mächtigen Reval, dem heutigen Tallinn, Konkurrenz zu machen.

Vom Dom zum Design District

Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt der imposante Dom, der mit seiner weißen Fassade und den grünen Kuppeln majestätisch über dem Senatsplatz thront. Gleich daneben erhebt sich die orthodoxe Uspenski-Kathedrale mit ihren goldenen Kuppeln und dem herrlichen Blick über den Hafen.

Ein besonderes architektonisches Highlight ist die Temppeliaukio- Kirche – besser bekannt als Felsenkirche –, die direkt in massiven Granit gebaut wurde. Ihre außergewöhnliche Akustik macht auch sie zu einem beliebten Konzertsaal.

Wer Helsinki entspannt zu Fuß erleben möchte, flaniert durch den lebendigen Esplanadi-Park im Zentrum oder erkundet den Design District mit seinen kleinen Boutiquen, Ateliers und Cafés. Für kulinarische Entdeckungen empfiehlt sich die Markthalle am Hafen: Hier locken regionale Spezialitäten wie Rentiersalami, frischer Fisch und süßes Gebäck.

Die Seefestung Suomenlinna

Direkt vor der Küste Helsinkis liegt die berühmte Seefestung Suomenlinna – ein UNESCO-Welterbe, das sich über mehrere Schäreninseln erstreckt. Hier verbindet sich Geschichte mit Natur und maritimer Atmosphäre. Alte Bastionen, kleine Museen und gemütliche Cafés laden zum Erkunden und Verweilen ein. Suomenlinna erreicht man bequem mit der Fähre ab dem Marktplatz – oder mit dem eigenen Boot.

Der Gästehafen Sveaborg liegt am Rande der historischen Werft auf der Insel Susisaari. 40 Liegeplätze mit Auslegern stehen zur Verfügung, vergeben nach dem Prinzip „first come, first served“. Reservierungen sind nicht möglich.

Nach so viel Kultur und Kulinarik zieht es uns hinaus in die sagenhafte Schärenwelt. „Vor unserer Küste liegen Tausende von saari – Schäreninseln mit kahlen Felsen, geschützten Buchten und kleinen Stränden“, erzählt Joerg. Schon als Säugling verbrachte er mit seinen Eltern jeden Sommer auf einem zehn Meter langen Boot – seither ist der Schärengarten sein zweites Zuhause.

Schärengarten vor der Haustür

Für Segler ein wahres Paradies, kann er aber auch eine nautische Herausforderung werden. Unter der glitzernden Wasseroberfläche verbergen sich flach liegende Steine und Felsrücken. Die betonnten Fahrwasser sollte man daher möglichst nicht verlassen – und falls doch, nur mit reduzierter Geschwindigkeit und wachsamen Augen. Die beste Zeit für einen Törn ist von Mitte Mai bis Ende Juli. Dann erlebt man die berühmten „weißen Nächte“, in denen die Sonne kaum hinter dem Horizont verschwindet.

Ein Tipp von Joerg zum Schluss: „Moskitonetze und Mückenschutz nicht vergessen – sonst fressen euch die Biester auf.“ Die Menschen, die wir hier treffen, sind herzlich und hilfsbereit – unser privater Guide ist das beste Beispiel.

Als letzte Amtshandlung eines Vollblut- Finnen führt er uns in die Trinkkultur seines Landes ein. Prost, oder besser kippis, wie es hier heißt. Schmunzelnd belehrt er uns: „Finnen trinken nicht, um betrunken zu sein, sondern um einen Kater zu bekommen.“ Am nächsten Morgen verlassen wir unsere Kojen später als gewohnt. Schließlich legen wir ab und atmen die frische Brise tief ein. Unser Ziel: Eine andere Metropole, fast in Sichtweite - die estnische Hauptstadt Tallinn.

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