PolenSchöner Norden – der Oberländische Kanal

Christian Tiedt

 · 12.10.2025

Am Steg des Segelclubs Żeglarski Ostróda . | Gerald Penzl
Mit dem Charterboot ins Oberland, Teil 2: Der zweite Teil unserer Reise von Elbląg nach Iława führt über die Seen des Oberlandes selbst, auch über den großen Jezioro Jeziorak.

Teil 1 dieser Reportage finden Sie hier!

Szenenwechsel: Die Rollberge, der zwölf Kilometer lange Rinnensee Ruda Woda sowie eine Nacht in der kleinen Marina Przystań na Wyspie in Miłomłyn liegen hinter und die Schleuse Miłomłyn als Entree in den östlichen Teil der Eylauer Seenplatte vor uns. Im Gegensatz zur etwa zweieinhalb Autostunden entfernten Masurischen Seenplatte ist dieses schöpfungsgelobte Fleckchen Erde dicht besiedelt. Geschichtsreiche Städte, mittelalterliche Burgen und schmucke Herrensitze säumen ein silbernes Netz von etwa 100 Seen.

Napoleon: “Endlich ein Schloss!”

So manche Berühmtheit hat hier ihre Spuren hinterlassen – allen voran Napoleon. Nach der unentschiedenen Schlacht gegen die russische Armee bei Preußisch Eylau im Februar 1807 bezog er in der Burg von Ostróda (Osterode) Quartier. Aber die trutzige Deutschritter-Festung war alles andere als nach seinem Gusto.

Der „Schlächter Europas“, wie ihn seine Gegner, allen voran die Briten, nannten, pflegte sein Haupt in statusgerechten Etablissements zur Ruhe zu legen. Sprich: Nach einem kurzen Intermezzo zog er mit den berühmt gewordenen Worten „Enfin un château, endlich ein Schloss!“ in die dreiflügelige Barockresidenz des Reichsgrafen Finck von Finckenstein um.

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Mit von der Partie war seine neue Liaison, die polnische Adelige Maria Walewska-Łączyńska, damals 21 Jahre alt und mit einem reichen, über 50 Jahre älteren Grafen verheiratet. 130 Jahre später verarbeitete Hollywood die schräge Lovestory, mit keiner Geringeren als der Filmdiva Greta Garbo in der Rolle der Maria.

Von Ostróda einmal um die Welt

Unsere Ankunft in Ostróda ist ohne Glanz und Gloria. Wir nehmen den Jezioro Drwęckie unter den Kiel, steuern die Marina des Segelclubs Żeglarski Ostróda an und erkundigen uns nach einem Liegeplatz. Krzysztof, seines Zeichens seit über drei Jahrzehnten Herr über die Bootsparkplätze, nickt. „Kein Problem!“

Dann fragt er, woher wir kommen, wohin wir wollen, gibt uns ein paar Sightseeing-Tipps für Ostróda und präsentiert uns zum Abschluss noch die Siegerpokal-Kollektion seines Segelclubs. Da glänzt so einiges, aber ein Gegenstand sticht ins Auge: Was es denn mit der alten, orangefarbenen Schiffslaterne zwischen all den Pokalen auf sich habe, fragen wir ihn.

„Das“, antwortet er mit stolzer Stimme, „ist das Rundumlicht der Yacht ‚Mazurek‘. Mit dem nicht einmal zehn Meter langen Boot hat Krystyna Chojnowska-Liskiewicz 1978 als erste Frau überhaupt die Welt umsegelt. Ihre ersten Segelsporen“, fährt der Hafenmeister fort, „hat sie sich als Jugendliche hier auf unserem See verdient.“

​Wir bedanken uns mit einem Ankerbier und machen uns auf den Weg in die 31.000-Einwohner- Stadt. Zwanzig Minuten später sitzen wir in einem hübschen Café an der Uferpromenade. Wenige Meter entfernt legt die „Ostróda“ mit einem lauten Signal aus ihrem Schiffshorn ab. Jochen schaut ihr hinterher. „3,20 Meter breit“, kommentiert er. „Na klar, jetzt macht es Sinn. Breiter geht nicht, sonst passt der Dampfer ja nicht in den Rollwagen.“

​Kanał Iławski: im grünen Tunnel

Kurs Iława (Eylau): Wir passieren wieder die Schleuse Miłomłyn, halten ein kurzes Schwätzchen mit dem Schleusenwärter und nehmen dann den Kanał Iławski Richtung Jezioro Jeziorak unter den Bug. Wie von Zauberhand verwandelt sich das Blätterdach in einen grünen Tunnel aus dichtem Wald.

Kurz vor dem Karnicki- Aquädukt, einem knapp 500 Meter langen Fahrdamm, kommt uns ein Sportboot entgegen. Am Spiegel zeigen 200 Pferdestärken, was sie können. Und produzieren eine kräftige Welle. „Gute Fahrt!“, frotzelt Jochen. Was so viel heißen soll wie: „Nimm die Hand vom Gas!“

Kurz vor der Mündung der Zatoka Kraga in den Jezioro Jeziorak lädt ein Picknickplatz zum Zwischenstopp. Wir legen an, genehmigen uns ein zweites Frühstück und spazieren dann zu dem hoch über dem See thronenden Herrenhaus. Es gehörte – natürlich – den Finckensteins. Wie so manch andere Adelsfamilien hatte auch sie eine Mischung aus Zufall, Lobbying und Politik nach Preußen verschlagen. Im Dienste Seiner Majestät bekleideten sie hohe Staats- und Militärämter. Und häuften dabei, den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf, immense Besitztümer an.

Bei Joasia in Matyty

Man mag über Preußens Regenten denken, was man will – die Einführung der allgemeinen Schulpflicht durch Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1717 zählt definitiv zu den Pluspunkten der Dynastie. Natürlich ist die Idee dazu nicht einfach aus dem Bauch heraus entstanden. Vielmehr war der Monarch über die mangelnde Bildung seiner Untertanen entsetzt. Sie sollten bitte schön lesen, schreiben und rechnen lernen, damit, so der Hintergedanke des Soldatenkönigs, aus ihnen gute Christen, sprich gehorsame Staatsbürger würden.

Inwieweit die kleine Dorfschule in Matyty diesem Bildungsauftrag gerecht werden konnte, weiß Joasia nicht. Die 24-Jährige hat die ehemalige Schule gepachtet und betreibt sie als eine Art Öko-Pension. Zu der neben einem Reitstall auch ein Kanuverleih gehört. Wir erreichen Matyty gegen 16 Uhr. Auf die Frage, ob es ein Restaurant oder einen Supermarkt gebe, schüttelt Joasia den Kopf. „Da müsst ihr nach Zalewo. Ich kann aber auch für euch kochen.“ Das lassen wir uns nicht zweimal sagen …

Zalewo: die nördlichste Stadt

Anderntags morgens um 10 Uhr: Wir frühstücken in aller Ruhe auf Joasias Terrasse, es gibt Brot, Käse, Marmelade, alles selbst gemacht, dazu Eier von den Nachbarhühnern und Gemüse aus dem eigenen Garten, verabschieden uns und nehmen Kurs auf Zalewo. Der 2.300-Einwohner-Ort ist die nördlichste Stadt der Seenplatte und über den bereits 1331 angelegten Kanał Dobrzycki mit dem Jezioro Jeziorak verbunden.

Die Stadt, so der Autor unseres Reiseführers, wurde von den Deutschrittern gegründet, besaß eine Burg und blühte mit dem Bau der Rollberge wirtschaftlich auf. Der Zweite Weltkrieg und die politisch schwierige Nachkriegszeit haben dem Stadtkämmerer zwar in die Suppe gespuckt, aber allein die Ruhe und Natur dort sind den Abstecher wert.

Wir genießen süßes Nichtstun, dann heißt es Leinen los zur letzten Etappe. Gut 30 Kilometer trennen die gut ausgestattete und umweltzertifizierte Zalewo-Marina vom Zielort unseres Einwegtörns, der Wassersportstadt Iława, von der die Seenplatte ihren Namen hat. Dort endet auch der Wasserweg des Oberländischen Kanals.

Iława - das Ziel ist erreicht

Nach knapp einem Drittel der Strecke passieren wir Siemiany und damit die größte Marina zwischen Zalewo und Iława. Es ist Sonntag , das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Mit jedem Kilometer Richtung Iława steigt die Zahl der Boote auf dem Wasser. Die Natur nimmt sich zurück. Statt dichter Laub- und Nadelbäume prägen große Villengrundstücke das Uferbild. „Top!“, kommentiert Jochen die schicken Anwesen, die so auch an der Oberen Themse oder am Zürichsee stehen könnten. Nähe zum Wasser zieht halt; je näher, desto besser. Auch im wunderschönen Oberland. Zu preußischen Zeiten wie auch heute in Polen.

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Revierinformationen

Charter

​Vistula Cruises, Marina Rybina, 82-103 Stegna. Die Firma hat insgesamt 8 Boote zwischen 8,20 und 10,10 Meter im Charter. Der Wochenmietpreis für unsere Vistula Cruiser 30 S liegt saisonabhängig zwischen 1.150 und 1.750 Euro/Woche. Hinzu kommen Endreinigung (70 Euro), bei Bedarf Bettwäsche (20 Euro/p. P.), Treibstoffkosten (Abrechnung nach Fahrstunden, im Mittel rund 100 Euro/Woche) sowie auf Nachfrage eine Helferhand für die Rollberge (70 Euro), Transfer auf Wunsch vom Flughafen Danzig zur Basis und umgekehrt (pauschal 80 Euro/Tour, max. 6 Personen). Internet: zeglugawislana.pl. Mail: biuro@zeglugawislana.pl (Sprache: Englisch).

Unser Boot

​Vistula Cruiser 30 S (GFK), Länge: 9,10 m, Breite: 2,92 m, Tiefgang: 0,45 m, Kojen: 7 (1 Zweierkabine, 1 offene Zweier- Unterflurkabine, 3 Salonkojen), WC/Dusche: 1/1, Motor: 27-PS-Innenborder (Diesel). Ausstattung: Kühlschrank mit Gefrierfach, zweiflammiger Gasherd, Heizung, Bugstrahlruder, Echolot/Fishfinder.

Karten und Literatur

  • ​Beidseitig bedruckte, wetterfest laminierte Freizeitkarten des polnischen Kartenverlags Compass, in Deutschland ca. 14 Euro/Karte, Sprachen: Polnisch und Englisch): „Pojezierze Iławskie“ (Eylauer Seenplatte u. a. zwischen Maldyty, Zalewo, Ilawa und Ostróda), Maßstab 1:50.000, Ausgabe 2021. „Mierzeja Wislana, Zulawy Wislane“ (Polnische Ostseeküste zwischen Sopot und Frischer Nehrung sowie Hinterland zwischen Danzig, Malbork, Elbląg und Frombork), Maßstab 1:55.000, Ausgabe 2023.
  • „Masuren. Mit Marienburg, Danzig und Thorn“, kompaktes, gut recherchiertes Taschenbuch. Trescher Verlag, 12. Aufl. 2024, 299 S., 18,95 Euro.

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