Ein Text von Nakomis Nelson
An einer verlassenen Wetterstation am Südufer gleich nach der Einfahrt in den Prinz-Christian-Sund legten wir an einem alten Betonsteg an und befestigten die Leinen an rostigen Bolzen und Pollern aus vergangenen Zeiten. Sobald wir fest vertäut waren, gossen wir ein wenig Scapa-Whiskey in unsere Gläser, fügten Eis aus dem Meer hinzu und stießen mit einer Träne im Auge, aber auch mit einem Lächeln an.
Grönland hielt uns sanft in seinen Armen. Leicht beunruhigt von der Sorge, dass ein neugieriger Eisbär in der Nacht anklopfen könnte, legten wir uns in unsere Betten.
Bald darauf rasselten die glänzenden Glieder unserer Edelstahl-Ankerkette über die Bugrolle und glitten in das gin-klare Wasser des Hafens von Aappilattoq. Dieses winzige Dorf ist auf dem Landweg nicht zu erreichen, es liegt in einer Bucht am Fuße eines Berges an einer Biegung des Sunds, dem Schnittpunkt zweier Fjorde, die die beiden Küsten im Süden Grönlands miteinander verbinden.
Kleine Häuser klammern sich an den felsigen Boden, oft mit Seilen, Bolzen und Ketten verankert. Wir wurden als Besucher herzlich willkommen geheißen. An der Anlegestelle legte ein Skiff mit zwei Männern, zwei Fischen und einer Robbe an. Auf einem unbefestigten Weg beobachtete ein alter Mann eine Gruppe von Kindern, die einen ramponierten Fußball kickten. Näher am Wasser gab eine kleine Fischfabrik den Grund für die Existenz des Dorfes an. Eine gut erhaltene Kirche wacht über den kleinen Friedhof.
Hier ist der Diesel Lebenselixier: Er treibt die Generatoren, das Licht in der Fischfabrik und die Kasse des staatlich subventionierten Ladens an.
Zurück im Prinz-Christian-Sund fuhren wir weiter in Richtung Osten nach Nanortalik, einem Fischerdorf, das zu Land ebenfalls vom Rest Grönlands abgeschnitten ist. Nanortalik beherbergt ein hübsches Museum (das beste, das wir in Grönland fanden), und es gab Lebensmittel und Treibstoff. Dazu eine Pier, die aber für Handelsschiffe ausgelegt ist. Ein schöner Platz – gute Fender vorausgesetzt.
Nach einem Sonnentag und einem Nebeltag waren wir bereit, die Reise fortzusetzen. Schon zu Beginn der Routenplanung hatte mich Uunartoq in seinen Bann gezogen, eine kleine, unbewohnte Insel mit einer Reihe von heißen Quellen, die einst von Wikingern genutzt wurden. Die Becken sind etwa drei Meter tief, haben einen Sandboden und Felswände. Das heiße Wasser aus der Tiefe wird nicht durch vulkanische Hitze erwärmt, sondern durch das Aneinanderreiben von Schichten der Erdkruste.
Die Einsteuerung von Uunartoq ist zugleich kompliziert und einfach. Mein bester Rat für die Navigation in Grönland ist, immer vorsichtig zu sein: Da die Tiefenangaben spärlich sind, muss man das Echolot genau im Auge behalten und nach Stellen Ausschau halten, an denen die Meeresoberfläche unruhig aussieht. Im Zweifelsfall sollte man langsam fahren.
Wir probierten es in einer kleinen Bucht an der Nordwestküste der Insel. Eine Untiefe schützte unseren Ankerplatz und lenkte die größeren Eisberge, die durch den vorherrschenden Süd-wind nach Norden in den Fjord getrieben wurden, ab.
Ein schöner, sichelförmiger Sandstrand mit aufgetürmten Felsbrocken stieg aus dem Meer. Es war ein schöner Ort, um barfuß zu laufen. Wir schwammen vom Heck des Bootes aus mit Eisbergen und Bergen im Hintergrund. Ein großes, graues Kriegsschiff ragte durch den Nebel in den Himmel. Später erfuhren wir, dass es sich um eine Aufklärungsmission handelte: Es sollte den Meeresgrund kartieren und die Gefahren aufspüren. Neue Karten mit eingezeichneten Felsvorsprüngen und Untiefen werden folgen und dieses Land vielleicht für andere unerschrockene Reisende besser zugänglich machen.
Unser nächstes Wetterfenster rückte näher. Mit einem Gefühl des Zögerns und der Aufregung machten wir uns auf den Weg nach Qaqortoq, der größten Stadt im Süden Grönlands. Wir brauchten Diesel, und der Treibstoff schien hier am ehesten von Verunreinigungen frei zu sein. Nach diesem letzten Stopp ließen wir Grönland hinter uns und machten uns auf den Weg zu unserer Familie, unseren Freunden und dem Rest des Sommers in Maine.
Die Überfahrt nach Labrador verlief weitgehend ereignislos. Das nach Norden fließende Eis war eine ständige Gefahr, aber wieder einmal erwies sich die FLIR-Wärmebildkamera als äußerst wertvoll, ebenso wie das Starlink, mit dem wir über das Internet ständig Zugang zu aktuellen Wetter- und Eisberichten hatten.
Auf der kanadischen Seite in Cape Breton verabschiedeten wir uns von unserem Freund und begrüßten meinen Sohn Eifion sowie Haleys Mutter Kathy an Bord. Die Bras-d’Or-Seen boten uns ein paar Tage der Erholung. Die Bäume und das warme Wasser erinnerten uns an zu Hause, und wir wussten, dass Maine gar nicht mehr so weit entfernt war.
In der Bay of Fundy herrschte noch einmal hoher Seegang bei ablaufender Flut und aufkommendem Sturm, aber mit 16 Knoten ließ sich die E6 auch davon nicht beeindrucken. Am Morgen regnete es so stark, dass unklar war, wo das Meer aufhörte und der Regen begann, aber das war egal. Wir waren zu Hause. Viele Menschen würden unsere Reise als einmaliges Abenteuer bezeichnen. Ich hoffe, es noch einmal zu erleben.