Fabian Boerger
· 12.06.2025
Von einem Sportboot durch die Linsen eines Fernglases betrachtet, ist sind die grauen Schiffe der Marine ein Spektakel. Doch sie symbolisieren auch, was Politik und Experten seit Monaten verkünden. Stichwort „Zeitenwende“ und „die Lage ist ernst“. Zudem wirft sie die Frage auf, wie sich Sportbootfahrer richtig verhalten. Denn man möchte meinen, dass Begegnungen mit Kriegsschiffen entlang der deutschen Ostseeküste jüngst zunehmen. Doch ist das Marine-Aufkommen wirklich gestiegen? Oder ist nur der Blick auf die graue Flotte ein anderer geworden, nimmt man sie heute bewusster wahr? Vor allem aber: Wie sollten Skipper handeln, die einem Kriegsschiff nahekommen oder gar unversehens in eine Übung geraten?
Ausgangspunkt ist der Februar 2022, als Russland die Ukraine überfiel. Seither ist die Ostsee zum Schauplatz eines hybriden Konflikts geworden. Das Binnenmeer ist weit mehr als Freizeitoase und beliebtes Revier. Da sind zum einen die Transportwege. Hunderte Frachter und Tanker starten von hier ihren Weg in die Welt. Zum anderen findet sich auf, am und unterm Meer diverse Infrastruktur. Windparks beispielsweise. Oder auch Tausende Kilometer Strom- und Internetkabel, Öl- und Gaspipelines, die am Grund der Ostsee verlaufen. Wie anfällig diese und andere Anlagen sind, haben mehrere dubiose Vorfälle gezeigt.
Einer ereignete sich am ersten Weihnachtsfeiertag 2024. Beteiligt war die „Eagle S“, ein Öltanker der sogenannten Schattenflotte. Damit sind Schiffe gemeint, die Russland benutzt, um internationale Sanktionen zu umgehen. Im Finnischen Meerbusen ließ der Tanker bei voller Fahrt den Anker zu Grund und beschädigte das Unterseekabel „Estlink 2“. Es versorgt Estland mit Strom aus Finnland. Beide Länder werten den Vorfall als Sabotageakt, gesteuert von Russland.
Ungewöhnlich sind auch Fälle, bei denen Schiffe lange Zeit ohne Ortungssignal entlang von Pipelines oder Stromtrassen treiben. Laut dem Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit kundschaften sie die kritische Infrastruktur aus. Europäische Sicherheitsdienste gehen von Hunderten solcher russischen Spionageschiffe aus.
Das Problem: Nach internationalem Seerecht können Küstenstaaten die Aktivitäten außerhalb ihrer Hoheitsgewässer nicht einfach stoppen. Die Liste solch ungewöhnlicher Vorfälle ließe sich weiter fortsetzen. Sie verdeutlicht, warum Sicherheitsbehörden immer wieder betonen, wachsam zu sein.
Unlängst haben die deutschen Seestreitkräfte ihre Strategie angepasst. Mitte Mai präsentierten sie in Berlin den „Kurs Marine 2035“. Das Konzept beinhaltet konkrete Maßnahmen, die aus den Erfahrungen des Ukrainekriegs abgeleitet wurden. Abschreckung ist ein Bestandteil dieser Strategie. Zusätzlich wird unter anderem auf schnelle Einsatzbereitschaft und den Einsatz neuer Technologien gesetzt. In Moskau soll man sehen: Deutschland ist bereit für den Ernstfall.
Und nicht nur in Moskau wird das sichtbar. Auch vielen Sportbootfahrern ist längst aufgefallen, dass Schiffe der Marine und verbündeter Staaten hierzulande präsenter geworden sind. Dadurch soll Einsatzbereitschaft demonstriert werden, sagt Martin Schwarz, Fregattenkapitän und ehemaliger Kommandeur des 3. Minensuchgeschwaders der Marine. Jedoch sei diese Präsenz nicht auf Eskalation ausgelegt.
„Wir reagieren auf eintretende Aktionen und zeigen, dass wir die Lage beobachten und im Bedarfsfall handeln können.“ Fregattenkapitän Martin Schwarz
Schwarz erklärt, dass mehr Schiffe regelmäßig in der gesamten Ostsee unterwegs sind. Das bedeute aber nicht, dass auch die Zahl der deutschen Marineschiffe gestiegen ist. Diese sei in den letzten Jahren sogar zurückgegangen. Das Gefühl, dass mehr Schiffe unterwegs sind, ist laut Schwarz unter anderem auf das gestiegene öffentliche Interesse zurückzuführen. „Ich habe den Eindruck, dass inzwischen genauer darauf geachtet wird, was die Marine wo und wie unternimmt.“
Allerdings ist nicht jedes Marineschiff, dem man begegnet, in die Abwehr von Sabotageakten oder Spionage eingebunden. In den meisten Fällen sind es Marineeinheiten, die den Ernstfall trainieren. Das ist in der Kieler Bucht, vor Rügen und besonders in der Lübecker Bucht der Fall. Dort liegen Übungsgebiete der Marine. Sie sind in den Seekarten entsprechend verzeichnet.
Doch nicht immer sind Übungen auch als solche auszumachen. „Selbst ich kann manchmal nicht erkennen, was die da tun“, sagt Fregattenkapitän Schwarz. So kann es sein, dass sich Marineschiffe im Übungsmodus nicht so verhalten, wie es unter Normalbedingungen der Fall wäre. Sie können unvermittelt ihre Fahrtrichtung ändern oder plötzlich die Fahrt drosseln oder beschleunigen. Schwarz: „Damit muss man rechnen, wenn man durch entsprechende Übungsgebiete fährt.“
Flaggen des internationalen Alphabets, die Marineschiffe während Übungen hissen, können Aufschluss geben. Sie signalisieren, wann man sich fernhalten sollte oder dies sogar zwingend notwendig ist. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, konsequent Kanal 16 zu überwachen. Wenn es einmal enger werden sollte, nehmen Marinebesatzungen via Funk Kontakt mit den Sportbooten auf.
Strenger geregelt ist die Situation in den Schieß- und Sperrgebieten – etwa vor Putlos oder Schönhagen. Wird hier geübt, dürfen sie von Sportbooten nicht befahren werden. Gelbe Sperrge- bietstonnen und Sicherungsfahrzeuge halten den Bereich frei. Außerdem wird per Funk und im Netz über die Schießzeiten informiert.
Trotzdem kommt es vor, dass Sportboote verbotenerweise in die Gebiete einfahren. Einige treibe die Neugierde, andere die Unwissenheit, sagt Schwarz. Beschossen zu werden muss niemand befürchten, da die Übungen dann eingestellt werden. Doch es kann teuer werden, denn gegebenenfalls droht ein Bußgeld.
Und auch abseits der Übungsgebiete dürften in diesem Sommer dem ein oder anderen Sportbootfahrer die grauen Schiffe ins Auge fallen. 2025 sind wieder Großmanöver vor der deutschen Ostseeküste geplant.
Neben diesen großen Aktionen wird es entlang der deutschen Küsten verschiedene kleinere Übungen geben. Die Ostsee ist nun einmal ein zentraler Schauplatz geopolitischer Entwicklungen geworden. Für Sportbootfahrer sind die direkten Auswirkungen dennoch gering und Wachsamkeit und Rücksichtnahme ohnehin Teil guter Seemannschaft. Wer doch einmal gezwungen ist, wegen einer militärischen Übung seinen Kurs oder gar seine Törnpläne zu ändern, sollte Verständnis zeigen.