Hauke Schmidt
· 06.03.2025
An der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns beginnt ein ambitioniertes Forschungsprojekt, das die Seegraswiesen entlang der gesamten Küstenlinie in den Fokus nimmt. Das auf acht Jahre angelegte Vorhaben "MV Seagrass for Climate" wird vom Bund mit rund 12 Millionen Euro gefördert und soll erstmals flächendeckende Daten über Vorkommen und Zustand der Seegrasbestände liefern. Federführend bei der wissenschaftlichen Leitung ist die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die nun die weiteren Projektschritte koordiniert.
Seegras spielt eine entscheidende Rolle für das marine Ökosystem der Ostsee. Die Wiesen dienen zahlreichen Fischarten und anderen Meeresbewohnern als Kinderstube und Lebensraum. Gleichzeitig gelten sie als effektive natürliche Kohlenstoffspeicher, die pro Hektar bis zu 50-mal mehr CO2 binden können als tropische Regenwälder. Trotz ihrer Bedeutung fehlen bislang genaue Daten über Ausdehnung und Gesundheitszustand der Seegraswiesen vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Diese Wissenslücke soll das Projekt nun schließen.
In der ersten Projektphase steht eine umfassende Kartierung der Seegraswiesen auf dem Programm. Dabei kommen modernste Technologien zum Einsatz: Satellitendaten liefern großflächige Übersichten, während Forschungstaucher der Universität Rostock ausgewählte Gebiete im Detail untersuchen. Ergänzt werden diese Erhebungen durch Videoaufnahmen von Schleppkameras, die das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bereits in der Vergangenheit in kleineren Ostseegebieten eingesetzt hat.
Projektleiter Florian Uhl betont gegenüber dem NDR die Einzigartigkeit des Vorhabens: "Für Mecklenburg-Vorpommern ist das ganz neu. Wir bekommen erstmals ein sehr genaues Bild von den gesamten Seegraswiesen vor der Landesküste." Diese Datengrundlage ist entscheidend für die nächsten Schritte des Projekts, bei denen es um die gezielte Wiederansiedlung von Seegras geht.
Nach der Kartierungsphase planen die Wissenschaftler, neue Seegraswiesen an geeigneten Standorten anzupflanzen. Dabei greifen sie auf Erkenntnisse aus dem parallel laufenden Projekt "SeaStore" zurück, das bereits seit einem Jahr die optimalen Umweltbedingungen für Seegras an der Landesküste erforscht. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Erforschung von Mikrobiomen - den Gemeinschaften von Bakterien, mikroskopisch kleinen Algen und Tieren, die in und auf Seegräsern leben. Die Universität Greifswald untersucht in beiden Projekten, welchen Einfluss diese Mikroorganismen auf das Wachstum und die Gesundheit der Seegräser haben. Diese Erkenntnisse könnten entscheidend für den Erfolg der Wiederansiedlungsmaßnahmen sein.
Das übergeordnete Ziel des Projekts ist es, der Landesregierung nach Abschluss der achtjährigen Laufzeit eine fundierte Handlungsempfehlung für den Schutz und die Aufforstung von Seegraswiesen zu übergeben. Diese soll nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch praktische Anleitungen zur Wiederansiedlung und Pflege der Seegrasbestände enthalten.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie werden digitale Daten sein, die von Geoinformatikern der Universität Rostock aufbereitet werden. Diese sollen es dem Land ermöglichen, die Entwicklung der Seegraswiesen langfristig zu beobachten und gezielte Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Das Projekt "MV Seagrass for Climate" Verbindet Grundlagenforschung mit angewandter Wissenschaft und schafft die Basis für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Küstengewässer. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern, sondern für den gesamten Ostseeraum von großer Bedeutung sein.