Journal KroatienNördliche Adria

Thomas Kittel

 · 25.05.2022

Journal Kroatien: Nördliche AdriaFoto: T. und J. Kittel

Oh, Adria: Nach zweijähriger Pause können Thomas und Jutta Kittel die Erkundung des Mittelmeers mit ihrer „Azura“ fortsetzen. Nun liegt die lange Küste Kroatiens vor ihnen. Der erste Teil der Reise führt hinunter bis nach Zadar

Nach fast zwei Jahren unfreiwilliger Pandemie-Pause schwimmt unsere „Azura“ wieder im Wasser des Mittelmeers. Techniker beheben die zahlreichen Folgen des Stillstands. Die haben einen Grund: Schiffe altern hier einfach wesentlich schneller als bei uns daheim. Während wir dort zumindest sechs Wintermonate lang in der Halle gestanden hätten, war „Azura“ hier unten mangels Unterbringungsmöglichkeit die ganze Zeit über dem Wetter ausgesetzt. An der nördlichen Adria bedeutet das zum einen starke Hitze und Sonneneinstrahlung in den Sommermonaten. Zum anderen zerren die starken Stürme in Herbst und Winter (Bora) an allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Es gibt also genug zu reparieren, zu flicken und auszutauschen. Doch wie auch immer – vor uns liegt nun die gesamte kroatische Adria. Endlich geht es wieder los!

Die ersten Etappen führen uns von Lignano nach Triest und dann weiter nach Istrien, zunächst noch zu einem spontanen Zwischenstopp im slowenischen Piran, bevor es schließlich nach Kroatien gehen wird. Wir bekommen in diesem malerischen kleinen Hafen tatsächlich einen wunderbaren Liegeplatz, und wir genießen diesen Abend in noch stark italienisch eingefärbter Atmosphäre. Das Kontrastprogramm erwartet uns am nächsten Tag in Umag: Obwohl Kroatien seit 2013 Mitglied der EU ist, lässt der Beitritt zum Schengen-Raum auf sich warten. Das bedeutet, wie früher im gesamten Europa: Einklarieren mit diversen Einreiseformalitäten. Zunächst muss man auf einen freien Platz am Anlegesteg der Einreisebehörden warten – und sich dabei manchmal noch gegen Vordrängler wehren. Dann gilt es, bei der Polizei die Pässe vorzuzeigen und eine Crewliste auszufüllen, die abgestempelt wird. Daten zur Corona-Impfung sind ebenfalls vorzulegen. Dann geht es zum Zoll, der schon durch sein Gebäude an sozialistische Vergangenheiten erinnert. Dort müssen die Schiffspapiere und die Crewliste vorgelegt werden. Dann ist die Vignette an der Reihe, deren Preis von Boots- und Motorengröße abhängt.

Das innere Ende des Hafens von Veli Lošinj gehört den Fischer-und Angelbooten der EinheimischenFoto: T. und J. Kittel
Das innere Ende des Hafens von Veli Lošinj gehört den Fischer-und Angelbooten der Einheimischen

Das macht in unserem Fall die stolze Summe von 909,13 Euro. Kartenzahlung nein danke – bitte in bar in der Landeswährung Kuna oder zur Not auch in Euro. Da ich üblicherweise nicht mit so viel Bargeld im Portemonnaie herumlaufe, ist erst mal guter Rat teuer. Aber unten am Gebäude finde ich schließlich einen Geldautomaten. Erst später entdecke ich auf dem Abrechnungsbeleg, dass nicht nur der Kurs recht schlecht war, sondern obendrein eine Umtauschmarge von 13 Prozent berechnet wurde. Herzlich willkommen!

Von Umag aus laufen wir dann aber schon unser erstes kroatisches Traumziel an: Rovinj. Ursprünglich war Rovinj eine eigene Insel, die erst 1763 mit dem Festland verbunden wurde. Die abwechslungsreiche Geschichte mit den zahlreichen und unterschiedlichsten Herrschern hat das Stadtbild stark geprägt. Die auf einem ins Meer ragenden Hügel erbaute Altstadt mit ihren verwinkelten Gässchen und ihrem romanisch-gotischen Stadtbild verfügt über zahlreiche Elemente aus Renaissance, Barock und neoklassizistischen Bauten. Wer ein Herz für Romantik hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Die relativ neue ACI Marina Rovinj hat keinerlei Platzprobleme mit uns und kann auch noch deutlich größere Yachten beherbergen. Größe, Lage und Service haben allerdings auch ihren Preis. Wir müssen schon etwas schlucken, als vor unserer Abreise beim Bezahlen eine Tagesgebühr von über 600 Euro aufgerufen wird. Das ist selbst in der Hochsaison für Mittelmeerverhältnisse extrem und liegt deutlich über dem Preisniveau, das wir bislang an der Festlandsküste von Spanien, Frankreich und Italien kennengelernt haben. Lediglich touristische Welthotspots wie Ibiza, Portofino oder Capri erlauben sich hier noch frechere Preise, die in keinem Verhältnis mehr zur angebotenen Leistung stehen.

Grundsätzlich ist ACI (Adriatic Croatia International Club) allerdings eine sehr gute und professionelle Adresse. Zur Organisation dieser Marinakette gehören derzeit 22 Marinas in allen Landesteilen Kroatiens, von denen wir im während unserer Reise noch mehrere anlaufen werden. Die Informationen im Internet sind hervorragend gemacht und lassen auch die Preise nicht im Dunkeln – ganz im Gegenteil. Man muss halt nur genau hinschauen, was wir ab sofort auch regelmäßig tun. Alle von uns besuchten ACI-Marinas sind unterschiedlich groß und haben ein in der Regel völlig anderes Preisniveau als Rovinj.

 Die beiden Betonbögen der Krčki most verbinden das Festland mit der Insel KrkFoto: T. und J. Kittel
Die beiden Betonbögen der Krčki most verbinden das Festland mit der Insel Krk

Fast an der Südspitze Istriens liegt Pula – mit über 50 000 Einwohnern die größte Stadt Istriens, die auch angeflogen werden kann. Der gut geschützte Naturhafen weist allerdings ein recht in­dus­tri­ell geprägtes Bild auf, das auch das Wahrzeichen der Stadt – ein unter Kaiser Augustus erbautes und ans römische Kolosseum erinnerndes Amphitheater – für uns nicht ganz wettmachen kann. So landen wir am Ende des Tages in der etwas südlicher in einer langgestreckten Naturbucht gelegenen Marina Veruda. Dort lassen wir uns kulinarisch zum wiederholten Male verwöhnen.

Der nächste Morgen bringt nach tagelang ununterbrochen glatter See zum ersten Mal etwas Wind und Wellengang. Wir fühlen uns sofort wieder wie zu Hause und genießen geradezu die uns vertraute Meeresatmosphäre mit etwas Rollen und gelegentlichen Gischtspritzern bis hinauf auf die Flybridge. Ziel ist nun die ACI-Marina von Opatija – klein, aber fein, von Bergen geschützt und zur Abwechslung mal mit längsseitigem Anlegen. Da wir früher nie in Jugoslawien waren, ist für uns hier alles neu. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es in dieser Ecke von Kroatien sogar so etwas wie eine „kroatische Riviera“ gibt mit fantastischen Villen am Meer und eindrucksvollen Seebäderhotels.

Zwischen Lovran und Opatija erinnert uns der Küstenabschnitt entfernt an die Côte d’Azur. Die insgesamt zwölf Kilometer lange Franz-Joseph-Promenade – auch Lungomare genannt – wurde von 1889 bis 1911 erbaut und verbindet diese Küstenorte. Wir mieten ein Auto und fahren in die nahen Berge. Auf über eintausend Meter Höhe ist es deutlich kälter als am Wasser. Nach Kaffee und Kuchen im Restaurant Dopolavoro auf dem Berg Učka fahren wir weiter ins Hinterland. Dort ist der Canyon Vela Draga zu empfehlen – ein seit 1963 unter Naturschutz stehendes Gebiet mit über einhundert Meter hohen Kalksäulen und Felsen. Bei einem Zwischenstopp auf dem Rückweg haben wir vom hoch gelegenen Dörfchen Brseč noch einmal einen herrlichen Panoramablick auf das tief unten liegende, von der Bora mit Schaumkronen verzierte Meer bis nach Rijeka.

Windstille in Rovinj. Die Stege der ACI Marina vor der Altstadthalbinsel und der Kirche der heiligen EuphemiaFoto: T. und J. Kittel
Windstille in Rovinj. Die Stege der ACI Marina vor der Altstadthalbinsel und der Kirche der heiligen Euphemia

Rijeka ist eine industriell geprägte Großstadt mit etwa 130 000 Einwohnern und war 2020 – durch Corona leider verhinderte – Kulturhauptstadt Europas. Das lebendige und verkehrsreiche Stadtzentrum gefällt mit einer Mischung aus alten und neuen Gebäuden, die von Gassen und Durchgängen durchzogen sind. Ein großstädtisches Publikum bevölkert die zahlreichen Cafés, und auch den Markthallen sollte man einen Besuch abstatten: Sie sind ein Mekka für Fischliebhaber, es werden viele Meerestiere angeboten, die bei uns daheim weitgehend unbekannt sind.

Nachdem die Bora sich wieder beruhigt hat, peilen wir die Marina Punat auf der Insel Krk an. Statt der direkten Route nach Südosten und an der Insel Cres vorbei wählen wir einen Umweg: Unsere Route führt durch den nördlichen Teil des Velebit-Kanals, der dort auch Vinodol-Kanal genannt wird. Der Velebit-Kanal ist eine Meerenge in der oberen Adria zwischen dem Festland Kroatiens und den vorgelagerten Inseln und ist etwa 130 Kilometer lang. Er zählt aufgrund der häufig auftretenden Bora-Winde, verbunden mit einer lokalen Düsenwirkung durch das Velebit-Gebirge, zu den gefährlichsten Gewässern der Welt. Im Winter wurden dort stellenweise Spitzenwindgeschwindigkeiten bis zu 240 Stundenkilometer gemessen – das ist zweimal Windstärke 12! Zum Vergleich: Das berüchtigte Kap Hoorn bringt es auf gerade mal 160 Stundenkilometer. Auch wenn wir bei unserer Durchfahrt von solch lebensgefährlichen Bedingungen weit entfernt sind, beginnt nach dem Durchqueren der Doppelbrücke auf die Insel Krk die vorherige Windstille sich rasch in einen starken Wind mit bis zu fünf bis sechs Beaufort zu verwandeln. Die Wellenreflexionen von den teilweise senkrechten Felswänden mischen sich mit dem vom Starkwind erzeugten Seegang und lassen die Gischt dieser kleinen Kreuzseen bei herrlichstem Sonnenschein bis auf die Flybridge spritzen. So bekommen wir den Anflug einer Ahnung dessen, was hier im Winter los sein kann.

Ansonsten haben die kroatischen Gewässer zahlreiche Vorteile: Zum einen ist die Dichte an Häfen, Marinas, Ankerbuchten und Festmacherbojen enorm – möglicherweise einzigartig auf der Welt. Man findet also immer in überschaubarer Distanz einen schützenden Platz. Zum anderen bietet die zerteilte Küstenstruktur mit ihrer großen Zahl an Inseln unterschiedliche Wind- und Seebedingungen bei ansonsten gleicher Wetterlage. Ist es vor einer Inselkette zu unruhig, kann dahinter schon die Ruhe warten. Dabei bietet die Natur für das Auge eine spektakuläre Umgebung mit hohen Gebirgen, tief eingeschnittenen Schluchten und grünen wie auch von der Bora kahl geschorenen Eilanden.

Links die Adria, rechts die Lagune mit den Salinen von Pag. Dazwischen liegt die StadtFoto: T. und J. Kittel
Links die Adria, rechts die Lagune mit den Salinen von Pag. Dazwischen liegt die Stadt

Die in Deutschland sehr bekannte und beliebte Marina Punat liegt in einer Naturbucht am südlichen Rand der Insel Krk. Bereits 1963 hat man hier mit einem Steg begonnen. Heute gibt es über 1300 Liegeplätze, eine Werft, einen Charterservice, Restaurants, einen Supermarkt und ein Wellness-Hotel. Aufgrund der geschützten Lage können die Boote im Winter im Wasser bleiben, aber natürlich sind auch Landplätze möglich. Neben uns liegt eine weitere deutsche Motoryacht, deren Eigner seit 43 Jahren hier Kunde sind. Man spricht hier unter anderem sehr gut Deutsch, was die Kommunikation sehr erleichtert.

Hier packen wir auch unser Dingi nach zwei Jahren Pause wieder aus. Zwar fühlt sich die Persenning wie brüchiges Pergament an und weist auch ein verschleißbedingtes Loch auf, aber ansonsten ist außer Staub und Dreck alles in Ordnung. Der Außenborder springt sofort an. So starten wir voller Vertrauen zur „Probefahrt“ bei optimalen Seebedingungen zum Hauptort Krk. Nach einigem Suchen finden wir einen Anleger und statten der touristisch aufgebrezelten Altstadt einen Besuch ab.

Bei herrlichem Sommerwetter geht es nun Richtung Süden zur Insel Losinj. Man rät uns aufgrund unserer Schiffsgröße ab, den kurzen Privlaka-Kanal mit der zweimal täglich öffnenden Drehbrücke zu nehmen. Stattdessen umrunden wir die Insel Losinj an ihrem südlichen Ende, um dann nach kräftigem Gegenwind und salzigem Spray über dem Schiff in die hervorragend geschützte Naturbucht einzulaufen. An deren Ende liegt der Haupt­ort Mali Losinj, der sich sanft an einen Berghang schmiegt und durch seine Optik schon von Weitem zum Verweilen einlädt. Wir bekommen einen hervorragenden Liegeplatz in Ortsnähe und doch weit genug vom Trubel entfernt.

Die „Azura“ mit dem Heck zum Steg in Mali LošinjFoto: T. und J. Kittel
Die „Azura“ mit dem Heck zum Steg in Mali Lošinj

Am nächsten Morgen fahren wir nach Veli Losinj, was auf Deutsch „Großes Losinj“ heißt. Allerdings haben sich die Größenverhältnisse der beiden Losinj seit der Ortsgründung massiv umgekehrt. Veli Losinj verfügt über einen winzigen, tief eingeschnittenen Naturhafen, dessen Zuschnitt und umgebende Bebauung man sich nicht schöner vorstellen könnte. In der Spitze des kleinen Hafenbeckens dümpeln vor Restaurants und Kirche kleine Boote, während am Kai vor der Konoba Ribarska Koliba ein Segler liegt. Das wäre doch auch ein unglaublicher Liegeplatz für uns, schießt es mir durch den Kopf.

So beschließen wir, in der Konoba einzukehren, um einen kleinen Mittagssnack zu uns zu nehmen und – nicht zuletzt – Erkundigungen über die Liegemöglichkeiten einzuholen. Schon bald stellt sich heraus, dass der Kai unter kommunaler Verwaltung steht und ein gewisser Filipe als Hafenmeister dort das Sagen hat. Die schwedische Besatzung des Seglers bestätigt diese Informa­tion – jetzt müssen wir Filipe nur noch finden. Als uns das schließlich gelingt, stellt der sich allerdings als wenig entscheidungsfreudiger Mensch heraus. Ich höre allerdings am Ende eher ein Nein als ein Ja heraus und gehe leicht enttäuscht über meinen geplatzten Traum zu unserem Restaurant zurück.

Unser nächstes Ziel ist die Marina Simuni auf der Insel Pag mit ihren von der Bora kahl geschorenen Hügeln. Dort wollen wir den angesagten Sturm abwettern und gleichzeitig die Insel erkunden. Wir erfahren, dass der Hauptort Pag eigentlich dreimal gebaut wurde: Der erste versank nach einem Erdbeben im Wasser, vom zweiten, „alten“ Pag ist noch eine Kirche erhalten. Das heutige, „neue“ Pag lebt von Tourismus, Weinbau, Fischerei und Salzgewinnung. Die große Saline ist noch in Betrieb, und ein Museum zeigt die Geschichte dieses früher Reichtum bedeutenden Gewerbes. Außerdem produziert Pag einen sehr schmackhaften Käse, den Paški sir, und Olivenöl von über tausend Jahre alten Olivenbäumen. Auch die Anfertigung von Nähspitze hat eine lange Tradition – Pager Spitzen sind daher ein beliebtes Souvenir.

Zwei Tage später laufen wir schließlich bei herrlichen Bedingungen in Zadar ein. Da wir in der Marina direkt vor der Altstadt keinen Liegeplatz für zwei Tage kriegen, legen wir uns in die etwas entferntere Marina Borik. Hier hilft uns das Unglück eines anderen Schiffsbesitzers, der seine 30-Meter-Ferretti wegen Motorproblemen in die Werft bringen musste. So erhalten wir dessen Liegeplatz gleich an der Hafeneinfahrt mit einem herrlichen unverstellten Blick über das Wasser auf die Hügelketten der Insel Ugljan. Da sich die Großwetterlage in Europa gerade verändert und kalte Luft aus dem Norden von einem riesigen Tiefdruckgebiet bis nach Kroatien gepumpt wird, sinken die Temperaturen um 5 bis 10 °C ab, was uns nicht unangenehm ist. Endlich kann mal wieder ohne Klimaanlage geschlafen werden!

Den Reisebericht “ Oh, Adria!” finden Sie mit weiteren Bildern in BOOTE-Ausgabe 06/2022 – seit dem 18. Mai 2022 am Kiosk oder online direkt im Delius-Klasing-Shop.