Unbekannt
· 13.06.2014
Wer noch ein ursprüngliches Stück Kroatien entdecken möchte, sollte bald auf Reisen gehen. Das kleine Šćedro ist eines der letzten dieser Refugien.
In Kroatien boomt der nautische Tourismus, überall wird gebaut, vergrößert, modernisiert. Seit dem EU-Beitritt im Sommer 2013 ist der Aufschwung in der letzten Ecke des Landes angekommen. Findet der Bootsfahrer noch die zeitlose, mediterrane Schönheit, mit der das Land seit Jahren wirbt? "Ihr müsst auf die kleinen Inseln fahren, die keine Fährverbindung haben", meint Stefan Breck, Basisleiter von Offshore Boote in der Marina Kremik. "Zum Beispiel nach Šćedro, da gehen die Uhren noch richtig langsam."
Šćedro liegt vor der bergigen Südküste der Insel Hvar. Rund 47 Seemeilen sind es von der Marina Kremik bis dorthin. Es ist schon Nachmittag, der Maistral bläst aus Nordwest und hat die Adria aufgewühlt. Will man da den Hafen verlassen? "Von der Welle wirst du nichts merken", meint Stefan, als ich ihn fragend ansehe. "Die Adagio 51,5 hat automatische Stabilisatoren wie ein Kreuzfahrtschiff."
Zu dem Luxustrawler sind wir gekommen wie die Jungfrau zum Kind: Ursprünglich hatten wir ein kleineres Boot geordert, das aber wegen eines Maschinenschadens repariert werden musste. Kurzerhand wurden wir umgebucht. Schon beim Betreten des Salons sind wir begeistert: Ein sensationelles Raumgefühl, gepaart mit modernem Design.
Mit zehn Knoten Marschfahrt motoren wir von der Marina Kremik aus nach Südosten. Der Maistral hat eine meterhohe Welle aufgebaut, die, schräg von achtern kommend, gegen unsere Steuerbordseite haut. Alle Segel- und Motorboote um uns herum, die wie wir auf Südkurs fahren, rollen im Seegang. Doch unser großes Schiff fährt wie auf Schienen.
Unser Ziel, die Insel Šćedro, ist gerade 6,5 km lang und nur knapp 2 km breit und damit nur unwesentlich kleiner als das berühmte Eiland Sv. Klement vor den Toren von Hvar. Beide Inseln liegen auf nahezu derselben geografischen Breite und haben ähnlich viele traumhafte Buchten.
Und doch gibt es gravierende Unterschiede: Sv. Klement ist durch den botanischen Park Palmižana weit über die Grenzen Kroatiens hinaus bekannt. Es gibt eine Marina, Wassertaxis pendeln rund um die Uhr zur Stadt. Zigtausende Touristen schauen jedes Jahr vorbei.
Und Šćedro? Das Eiland ist bis heute abgeschnitten von den Touristenströmen. Es gibt noch nicht einmal eine Fähreverbindung. Trotzdem sollen dort ganzjährig Menschen leben, ohne Straßen und Autos. Die Insel soll ein Piratenversteck gewesen sein. Besuchen und erkunden kann man sie nur mit dem Boot.
Von Kremik nach Šćedro sind es etwa fünf Stunden Fahrt mit unserem Trawler. Es ist schon 18 Uhr, als wir in den Pakleni-Kanal zwischen Hvar im Norden und Sv. Klement im Süden hineinsteuern. Etwa 15 Meilen wären es noch von hier bis zur Bucht Lovišće im Norden der Insel Šćedro. Doch wir waren noch nie dort und wollen ungern in der Dunkelheit einen unbekannten Liegeplatz aufsuchen.
Die Sonne versinkt glutrot im Meer. Voraus flimmern die Lichter der Stadt Hvar. In der Inselmetropole sind die Liegeplätze nicht nur knapp, sondern auch unruhig – vor allem, wenn der Maistral heftig geweht hat. Im letzten "Büchsenlicht" biegen wir darum nach Steuerbord ab und runden die Insel Sv. Klement auf östlicher Seite, indem wir durch die Ždrilca Passage nach Süden fahren.
Wir steuern Palmižana von Süden an und suchen in der Bucht Vinogradišće nach einem Ankerplatz. Hier ist es total windstill und das Wasser glatt wie ein Spiegel. Obwohl schon ein Dutzend Boote in der Bucht liegt, finden wir dank unseres geringen Tiefgangs noch einen Platz in der ersten Reihe direkt vor dem Strand von Palmižana. Wir ziehen unser Dingi auf den Kies und gehen rund hundert Meter bergauf. Dort liegt das Restaurant "Meneghello".
Matteo Meneghello, Sohn einer venezianischen Kaufmannsfamilie, erwarb im Jahr 1800 auf dem Archipel Sv. Klement 300 Hektar Land, baute Rosmarin an, errichtete ein Wohnhaus und nannte sein Anwesen "Palmižana". Berühmtester Spross der Dynastie wurde der 1878 geborene Eugen Meneghello. Er studierte Botanik und Mathematik in Wien und lehrte Astronavigation an der Nautischen Schule von Dubrovnik. Dann erkannte er die besondere Lage seines vom Meer umspülten Eilandes. Der Archipel Sv. Klement zählt zu den sonnenreichsten Regionen der Adria.
Der Botaniker investierte Kraft und Kapital in die Schaffung eines exotischen Parks mit Pflanzen aus den tropischen Ländern der Welt. Seine früheren Nautik-Schüler, die später als Kapitäne um die Welt segelten, brachten ihrem hoch geehrten Professor Bäume und Sträucher aus Übersee mit. So entstand das Arboretum Palmižana. Wir sind fasziniert vom Arboretum mit nie gesehenen Palmen und mannshohen Kakteen. Es duftet süßlich nach Pinien und vielen Blüten, deren Namen wir nicht kennen.
Morgens lockt ein Bad in der Bucht Vinogradišće. Ich habe selten so klares Wasser gesehen! Jetzt sind es nur noch 15 Seemeilen bis zu unserem Ziel, der Insel Šćedro. Man kann das Eiland schon fast sehen oder zumindest erahnen. Wohl wissend, dass wir das komfortable Paradies verlassen und zu einer Insel fahren, die touristisch unerschlossen ist, lichten wir den Anker und gehen auf Kurs.
An Backbord haben wir jetzt das gigantische Gebirgsmassiv der Südküste von Hvar mit über 600 Meter hohen Gipfeln. Diese Region mit ihren steilen Felshängen ist wenig erschlossen. Über Jahrtausende gab es an der Südküste keine geschützten Liegestellen. Schließlich schaffte es der Winzer Zlatan Plenković gegen den Widerstand von Ämtern, Behörden und Besserwissern und schenkte seinem Dorf Sveti Nedjelja einen Hafen.
Dabei ist er in einem Alter, in dem seine Altersgenossen lange den Ruhestand genießen. Doch er sprüht vor Jugendlichkeit und Kreativität. Und weil er obendrein clever ist, baute er die Betonmole hohl, um darin seine besten Weine zu lagern.
Gern würden wir bei Plenković anlegen, doch der Wind hat auf Südost gedreht, ein Jugo genau "auf den Kopf". Bei diesem Wetter ist es zu riskant einzulaufen, weil die enge Einfahrt nach Südosten zeigt.
Die Insel Šćedro kommt an Steuerbord auf. Das einzige rote Leuchtfeuer an der Nordküste weist uns den Weg in die Bucht von Lovišće. Wir steuern nach Süden. Es wird ruhiger, und bald ist vom Jugo kaum noch etwas zu spüren.
Noch sind wir nicht sicher, wo wir ankern oder festmachen können. Da entdecken wir an Steuerbord in der westlichen Ausbuchtung ein Bojenfeld. Das scheint der beliebteste Liegeplatz in der Bucht von Lovišće zu sein, möglicherweise auch der sicherste. Eine freie Boje finden wir leider nicht mehr und lassen das Eisen deshalb vor dem Bojenfeld auf zehn Metern fallen.Mindestens ein Dutzend Boote liegt hier. Aber wo sind die Crews? Sind sie den Freibeutern der Pirateninsel in die Falle gegangen? Vom Land her weht der Dunst von gegrilltem Fisch zu uns hinaus auf die Bucht. Wir steigen ins Dingi und folgen den verlockenden Gerüchen.
Der Piraten-Verdacht war gar nicht so weit hergeholt. Auf dem Ufer liegt ein altes Holzschiff, an dessen Mast der "Jolly Roger" weht. In einer schwarzen Küche lodert das Feuer. Ein kräftiger, großer Mann hantiert mit glühend heißen Messern. Als er sich mürrisch zu mir umdreht, bekomme ich einen Schreck. Der Kerl hat die Visage eines Freibeuters mit zernarbtem Gesicht und schwarzer Augenklappe.
Während er weiter im Feuer schürt, fragt er ohne sich umzudrehen: "Wer bist du? Was willst du hier?"
Während ich nach einer Antwort suche, dreht er sich um und hält ein langes Messer in der Rechten. Mit der Linken reißt er sich seine Piratenmaske vom Gesicht. Der Gesichtsausdruck, der dadurch zum Vorschein kommt, ist ein klein wenig freundlicher. "Ihr kommt spät und ohne Anmeldung."
Der Piraten-Hauptmann legt das Messer beiseite, wischt sich die Hände an seiner Schürze ab, reicht mir die rechte Pranke und sagt: "Ich bin Ratomir, darfst mich Rato nennen. Wenn ihr Hunger habt, dann setzt euch hin. Mein Sohn Robert bringt euch Wein. Ein paar gegrillte Fische gibt es auch noch. Der Chef hier bin ich. Hast du noch Fragen?"
Der Mann strahlt eine unanfechtbare Autorität aus. Doch hinter der Maske steckt ein zutiefst menschliches Lächeln. Sein Sohn Robert serviert uns den Hauswein von der gegenüberliegenden Südküste der Insel Hvar. Danach gibt es gegrillte Fische und selbst gebackenes Brot. Als letzte Gäste schlemmen wir im Piraten-versteck, während die anderen Crews schon nach Zahlung eines "Lösegeldes" mit dem Dingi davonfahren durften.
Beim näheren Kennenlernen erweist sich Räuber Ratomir als gar nicht mehr spröde, sondern zugänglich und gesprächig. Er behauptet, dass früher die Piraten auf ihren Reisen von der nördlichen Adria nach Korčula oder Dubrovnik in Šćedro vor Anker gingen. Hier fanden sie Schutz vor schlechtem Wetter und Verfolgern.
Ich frage, bis wann hier Seeräuber gelebt haben. "Der Alte weiß das besser", sagt Ratomir und winkt einen weißhaarigen Fischer, der am Nachbartisch seine Pfeife stopft, heran.
Der alte Mann setzt sich mit seinem Weinglas zu uns. Ich schenke ihm aus unserer Karaffe nach. Der Fischer scheint gern und viel zu erzählen: "Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert gab es in der Bucht nebenan ein Dominikaner-Kloster. Zu der Zeit kamen die Seeräuber regelmäßig. Aber nicht, um das Kloster auszurauben, sondern um von den Mönchen Lebensmittel zu kaufen. Die bauten nämlich in den Bergen Getreide an. Darum hieß Šćedro auch ‚goldene Insel‘. Im Kloster wurden alte und kranke Seeleute gepflegt."
Der Fischer zieht an seiner Pfeife und schenkt sich den Roten selbst nach: "Der berühmteste Piraten-Kapitän, der in Ma-nastir vor Anker ging, war Vitomir aus Korčula. Er hatte sich in das schöne Mädchen Ivana verliebt, das als Findelkind im Kloster aufgezogen wurde. Die Dominikaner wollten ihm das Mädchen aber nur unter der Bedingung geben, dass Vitomir die Räuberei aufgibt. So streckte der Haudegen die Waffen nieder und heiratete die schöne Jungfrau. Seinen Piratenschatz hat er in der Bucht Manastir vergraben – irgendwo zwischen Strand und Kloster.
Morgens sehen wir, dass es in der Bucht Lovišće nicht nur Rato’s Piraten-Konoba gibt, sondern noch zwei Lokale, den "Porat Grill" und das Restaurant "Kod Ive". Letzteres machte auf uns einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Anlegen kann man aber nirgends. Boote mit einem Tiefgang von mehr als einem Meter müssen ankern oder an die Boje.
Wir fahren mit dem Dingi in den südlichsten Zipfel der Bucht und gehen am "Porat Grill" an Land. Hier entdecken wir einen schmalen Weg, der bergauf ins Innere der Insel führt. Am Wegesrand rostet seit Jahren ein Fiat 500 vor sich hin. Wilde Kletterpflanzen haben ihn schon zum Teil erobert, und auf der Rückbank wächst ein kleiner Feigenbaum.
Nach 600 Metern sind wir oben angekommen und betreten den Ort Nastane. Das ehemalige Dorf besteht überwiegend aus Ruinen. Bis auf zwei erhaltene Häuser ist die Siedlung scheinbar aufgegeben. Es duftet nach aromatischen Kräutern. Überall zwischen Steinritzen wachsen wild Salbei, Rosmarin und Oregano. Auch die ehemaligen kleinen Felder und Terrassen sind von wildem Gestrüpp erobert.
Bis zur Südküste der Insel mit ihren einsamen Stränden sind es nur 700 Meter von hier. Doch die Wege dorthin sind teilweise von Macchia überwuchert. Es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben, während sich die Natur allmählich jenes Terrain zurückholt, das ihr einst von den hier lebenden Menschen entrissen wurde. Wir treffen nicht einen Touristen und auch keinen Einheimischen. Eine unglaubliche Stille liegt über der ehemaligen Pirateninsel. Zurück am Schiff, entscheiden wir uns, einmal die Insel zu umfahren. Selbst mit einem langsamen Boot schafft man das in einer guten Stunde, denn der Törn rund Šćedro misst nur knapp neun Seemeilen.
Und doch kann man damit einen Tag wunderbar vertrödeln. Denn rund Šćedro gibt es mehr als ein Dutzend Buchten – eine schöner als die andere. Am meisten beeindruckt uns die Bucht von Porteruša, die in manchen Karten auch "Uvala Carnjeni" genannt wird, im Südosten der Insel. Ein paradiesischer Strand, der teilweise von hohen Pinien beschattet wird. Kaum zu glauben, dass man im Touristenland Kroatien auch noch solch wenig berührte Landschaft entdecken kann.
Wir runden Šćedro im Westen und werfen einen Blick in die tief eingeschnittene Uvala Tufera. Auch hier gibt es einen einsamen Strand. Man wird also – egal woher der Wind weht – immer eine passende Bucht finden. Vor dem Strand ankert ein kleines kroatisches Motorboot. Auf dem Vorschiff winkt ein weißhaariger Mann mit dem Tampen. Wir fahren heran. Seine Frau spricht deutsch: "Unser Anker geht nicht mehr hoch. Können Sie uns helfen?"
Zuerst erwäge ich, das Boot längsseits zu nehmen und seine Ankerkette von unserer Elektro-Winsch hochziehen zu lassen. Doch dann sehe ich, dass seine Kette sehr dünn ist, und ich fürchte, dass unsere Winsch sie sofort zerreißen würde. Der Anker liegt auf etwa fünf Metern Tiefe. Ohne zusätzliche Atemluft ist es schwierig, das Eisen hochzuholen.
Ich habe auf unserem Charterboot einen Freediver gesehen. Das Gerät besteht aus einem kleinen Kompressor, der mit einem Moped-Akku betrieben wird und Atemluft in einen Schlauch pumpt, an dessen Ende ein Lungenautomat montiert ist. In wenigen Minuten ist das Gerät zusammengebaut. Ich setze eine Tauchermaske auf, starte den Kompressor und gehe mit dem Lungenautomaten am Schlauch auf Tiefe. Dort sehe ich, wie sich der Klappdraggen des Motorbootes in einer Felsspalte verkeilt hat. Von oben wäre da nichts zu machen. In wenigen Minuten habe ich ihn frei, und die Bootscrew freut sich, dass sie ihn nicht kappen musste.
An dieser Stelle will ich erwähnen, dass mir ein Freediver an Bord schon etliche Male geholfen hat oder ich anderen Crews damit helfen konnte. Jeder gesunde Mensch, der schwimmen und schnorcheln kann, lernt schnell den Umgang mit dem Gerät. Man braucht keinen Tauchschein. Es passt in jede Backskiste. Ein Tampen im Propeller oder Wartungsarbeiten am Unterwasserschiff sind damit kein Problem mehr. Die weißhaarige Frau von dem kleinen Motorboot fragt, wo wir heute Abend sein werden. Ich frage zurück, wo es am schönsten sei. "In der Bucht Manastir", sagt die Frau. Da wollten wir sowieso hin. Also folgen wir dem kleinen Boot.
Die Bucht Manastir ist kleiner und nicht ganz so geschützt wie die benachbarte Bucht Lovišće, wo wir gestern waren. Manastir ist nach Norden offen. Aber es sieht nicht nach Bora aus. Die wenigen Bojen sind belegt, also lassen wir den Anker mitten in der Bucht fallen.
Als wir mit dem Dingi an Land kommen, wartet das ältere Paar auf uns, um uns eine Flasche Olivenöl zu schenken. "Es ist von einem uralten Ölbaum auf der Insel Šćedro. Als das Kloster dort noch aktiv war", erklärt die Frau, "wurden auf Šćedro auch Wein und Oliven angebaut. Die alten Terrassen und die schönen Ölbäume sind immer noch da."
Im Vergleich zu den anderen Buchten auf Šćedro ist Manastir dauerhaft bewohnt. Ich zähle neun alte Steinhäuser. Die meisten Gebäude ziehen sich vom Scheitel der Bucht mit den Bootsanlegestellen in einem kleinen Tal nach oben. Sie haben alle leuchtendrote Dächer und sind in gutem Zustand.
Dicht am Hafen und gegenüber der alten Häuserzeile liegt das ehemalige Dominikaner-Kloster "Zur Heiligen Maria". Die Ruinen der Kirche, des Glockenturms und der Wohngebäude sind noch relativ gut erhalten und können besichtigt werden. Allerdings sind sie nicht touristisch erschlossen. Die Ursprünge der Anlage sollen bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. 1456 wird urkundlich erwähnt, dass die Dominikaner in ihrem Kloster kranke Fischer und Seeleute pflegen. Bis heute ist unklar, warum das Kloster Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben wurde.
Von den ursprünglichen Bewohnern des heutigen Ortes Moster oder auch Mostir (beides sicher abgeleitet von Manastir) weiß man auch recht wenig. Neu besiedelt wurde Mostir erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Pave und Ljubica Kordic, die in den Dreißigerjahren in harter körperlicher Arbeit und mit einfachen Werkzeugen die von Steinmauern umgebenen Weinberge, Olivenhaine und Felder wieder bewirtschafteten.
Deren Sohn Stjepko und dessen Söhne Pavao und Filip sind die nun hier wohnhaften Siedler. Sie leben mit ihren Familien in den alten Steinhäusern des ursprünglichen Dorfes und treiben eine ökologisch orientierte Landwirtschaft. Die Oliven stammen aus dem Klostergarten, der Wein wird selbst gelesen und gekeltert und aus der Maische ein vorzüg-licher Grappa gebrannt.
Das Gemüse stammt aus den eigenen Gärten, und die auf der Insel verteilten Bienenvölker sammeln Rosmarin-, Lavendel– und Salbeihonig. Morgens gehen die Männer fischen, während die Frauen das Brot nach einer alten Tradition im offenen Feuer backen. Es gibt nur noch wenige Inseln in der Adria, wo eine kleine Dorfgemeinschaft sich weitgehend unabhängig selbst versorgt. Kein Auto, nicht einmal ein Moped oder Traktor, stört die Idylle. Das Wasser in der Bucht ist glasklar. Selten habe ich so ein Paradies gesehen.
Zwischen Strand und Dorf liegt das Manastir-Restaurant der Familie Kordic. Hausherr Stjepko serviert dalmatinischen Schinken und Käse mit Oliven als Vorspeise. Dazu heurigen Hauswein aus dem eigenen Keller. Als Hauptgericht folgen Drachenkopf und Gemüse vom Grill, dazu frisch gebackenes Brot. Einfach lecker!
Obwohl wir gern länger bleiben würden, ist der Zenit einer Charterwoche schnell überschritten, und wir müssen uns allmählich wieder in Richtung "Heimat" bewegen. Wir steuern an der Südküste der Insel Hvar gen Westen.
Der Wind bläst stramm aus Südost. So "segeln" wir mit dem Jugo im Rücken und sind wiederum begeistert, wie stabil unser Schiff bei Seegang läuft. Wir passieren den Pakleni-Kanal zwischen Hvar und Sv. Klement und steuern auf die Südwestspitze der Insel Brač zu.
Am Nachmittag laufen wir in die Bucht Lučice ein. Sofort hält ein Arbeitsboot des Restaurants "Smrčeva" auf uns zu, der Skipper ruft "Follow me!" und lotst uns durch das Bojenfeld zu einer besonders großen Boje. Mit geübten Handgriffen nimmt er unsere Vorleine ab und fädelt sie durch den Ring der Boje. Am liebsten würde er uns sofort ins Restaurant mitnehmen.
Wir liegen hier relativ gut geschützt, aber die Bucht ist nach Süden offen. Da-rum will ich erst wissen, was der Jugo heute Nacht vorhat. Unser Schiff hat – wie die gesamte Flotte von Offshore Boote – ein eigenes WLAN-Netz. Gegen 17 Uhr lese ich eine Sturmwarnung. Der Jugo soll in der Nacht zunehmen mit Böen bis 8 Beaufort, Regen und Seegang. Die Bucht erscheint mir zu wenig geschützt für solches Wetter.
Noch ist es hell und relativ ruhig. Wir verlassen Lučice, umrunden die Westspitze von Brač und steuern nach Milna. Wir sind schon fast im Ort, als die Sonne milchig hinter einer Wolkenwand versinkt. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit fegen die ersten Schauerböen über Milna. Wo sollen wir anlegen? Mit unserem dicken Pott werden wir keinen Muring-Platz in der Marina finden. Vor der Kirche? Doch diese beliebten Plätze sind alle belegt. Am liebsten wäre es mir, an der Promenade mit Bug gegen den Wind längsseits gehen zu dürfen. Doch da parkt schon ein Ausflugsschiff längsseits, und eine Megayacht liegt am Buganker mit Heck zur Pier. Dazwischen sind zehn bis fünfzehn Meter Luft, leider zu eng, um längsseits gehen zu können.
Die Böen pfeifen jetzt immer heftiger, und der Regen prasselt. Da gibt ein Mann an Land Handzeichen: Wir sollen den Buganker ausbringen und rückwärts zwischen den zwei erwähnten Schiffen einparken – bei scharfen Böen von der Seite. Jetzt ist es wichtig, viel Kette zu geben, damit das Manöver gelingt und der Anker auch wirklich hält. Wir lassen vor dem gegenüberliegenden Steg das Eisen fallen. Langsam tasten wir uns rückwärts und geben Meter für Meter Kette nach. Kurz vor der Pier wird es immer schwieriger, das Schiff in den Böen auf Position zu halten. Der Marinero fängt die Acherleine und legt sie um den Poller. Ich lege das andere Ende um die Elektro-Winsch am Heck. Gewonnen!
Morgens stehen überall Pfützen auf der schönen Promenade von Milna, und alles wirkt ein wenig wie ausgestorben. Der Jugo hat viel von seiner Kraft verloren und lässt ab und zu die Sonne durchblitzen. Wir steuern an der zerklüfteten Nordküste von Šolta entlang in Richtung Nordwesten. Eine Bucht nach der anderen tut sich auf, und hinter jeder Felsnase gäbe es ein neues Paradies zu entdecken.
Wir wollen uns noch etwas Gutes gönnen und steuern unseren Trawler in den kleinen Archipel von Krknjaš an der Ostküste der Insel Veli Drvenik. Gerade mittags, wenn die Sonne nahezu senkrecht steht, herrscht hier karibisches Feeling. Der Ankerplatz ist zwischen zwei und fünf Meter flach, auf dem Grund wechseln sich heller Sand und Seegras ab. Trotz der vielen hier liegenden Boote sorgen Wind und Strömung für stets klares Wasser. Krknjaš zählt zu den schönsten Badebuchten vor den Toren Splits.
Unser Chartertörn rund Šćedro neigt sich dem Ende zu. Wir werden das heute so friedliche, ehemalige Piratenversteck in bester Erinnerung behalten. Für uns heißt es, Abschied zu nehmen von diesem paradiesischen Land, in dem es immer wieder Unbekanntes zu entdecken gibt.
REVIERINFORMATIONEN
Firma
Mit aktuell 27 Yachten von 11 bis 21 Metern Länge sowie diversen Festrumpf-Sportboo-ten zählt die österreichische Firma Offshore Boote zu den größten Charter-Anbietern für Motoryachten in Kroatien. Das 1991 gegründete Unternehmen hat in seiner Flotte überwiegend bewährte Klassiker, die mit Aufwand und Sachkenntnis gepflegt, gewartet und renoviert werden. Die von uns gefahrene "Adagio 51,5 Europe" bildet diesbezüglich eine Ausnahme, da das Schiff werftneu ist. Der Stützpunkt von Offshore Boote liegt seit 1997 in der Marina Kremik nahe Primošten.
Boot
Der in China gebaute Trawler "Adagio 51,5 Europe" kann in der Offshore-Flotte in Kremik gechartert werden. Das beeindruckend großzügige Platzangebot macht den Trawler zu einem komfortablen Charterschiff, das in Sachen Lebensqualität keine Wünsche offen lässt. Drei geräumige Kabinen mit Doppelbetten beziehungsweise Einzelkojen, eine separate Crew-Kabine sowie drei Bäder lassen auch bei mehrwöchigen Törns niemals ein Gefühl von Enge aufkommen.
Besonders hervorzuheben sind die hydraulischen Stabilisatoren, die das Schiff auch bei Seegang ruhig fahren lassen. Bug- und Heckstrahlruder helfen bei Hafenmanövern. Die Instrumentierung, einschließlich Kartenplotter, ist auf dem neuesten Stand. Überall an Bord ist W-LAN verfügbar. Gangway, Badetreppe und der Beiboot-Kran funktionieren hydraulisch.
Technische Daten
Länge 15,70 m; Breite 4,50 m; Tiefgang 1,44 m; Motoren 2 x 435-PS-Volvo-Penta; Wassertank 950 l; Dieseltank 2120 l. Der Verbrauch hängt sehr von der gefahrenen Geschwindigkeit ab, wir haben folgende Werte ermittelt: 7 Knoten (1500 U/min) 2 x 4,5 Liter/h, 10 Knoten (2200 U/min) 2 x 24 Liter/h, 15 Knoten (3100 U/min = maximale Drehzahl) 2 x 79 Liter/h.
Preise
Die "Adagio 51.5 Europe" kostet, je nach Saison, von 8232 bis 13 720 E pro Woche. Die Kaution beträgt 7000 E. Die Endreinigung schlägt mit 150 E zu Buche. Optional kann ein Skipper für 150 E pro Tag plus Verpflegung gebucht werden. Information und Buchung: Offshore Boote, Baumgasse 83, A-1030 Wien, Österreich, Tel. 0043-1-799 23 45. www.offshore-boote.at
Weitere Infos
Die Kroatische Zentrale für Tourismus stellt auf ihrer Internetseite auch Informationen für Nautiker zur Verfügung, die teilweise heruntergeladen werden können. Nautische Broschüren kann man bei folgenden Touristenbüros kostenlos bestellen: Kroatische Zentrale für Tourismus, Hochstr. 43, 60313 Frankfurt/Main, oder Rumfordstr. 7, 80469 München – oder Liechtensteinstr. 22 a, 1/1/7, A-1090 Wien. www.croatia.hr
Anreise
Am bequemsten ist die Anreise per Flugzeug direkt nach Split. Croatia Airlines fliegt die Destination direkt von Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Wien an. Tickets (hin und zurück) kosten im Internet ab 172 E (abhängig von Buchungszeitpunkt und Reisesaison). Den Transfer vom Flughafen in Split zur Charterbasis in der Marina Kremik (die Fahrt dauert etwa 45 Minuten) organisiert auf Wunsch der Vercharterer. www.croatiaairlines.com