Ende September steuern wir in T-Shirts und Shorts auf dem Fluss Dubrovačka westwärts und lassen die ACI Marina Dubrovnik im Kielwasser. Mit Herbstbeginn ist es in Süddalmatien noch so warm wie im Sommer an der Ostsee. Über uns stahlblauer Himmel, und im Canyon des Flusses weht kein Hauch. Unser Ziel ist die Bucht von Kotor im südlichen Nachbarland Montenegro.
Nach zwei Meilen Flussfahrt unterqueren wir die Franjo-Tuđman-Brücke und könnten eigentlich Richtung Süden fahren. Aber halt! Wir müssen noch aus der EU ausklarieren. Die Grenzübergangsstelle in Cavtat ist geschlossen, weil die dortige Hafenpier erneuert wird. Also scharf links abbiegen und in den Dubrovniker Kreuzfahrthafen Gruž einlaufen.
Unter einer großen kroatischen Flagge gehen wir am Grenzübergang längsseits. Ich frage einen jungen Polizisten, wo ich ausklarieren kann. Er schaut von seinem Handy auf und hält es in Richtung eines Nebengebäudes: „Harbour office first!“
Im Obergeschoss bittet ein freundlicher Mann um Schiffspapiere, Crewliste, Pässe. Er kopiert, stempelt, kopiert wieder und scannt, was er kopiert und gestempelt hat. Ich erhalte diverse Kopien, die ich bei Polizei und Zoll vorlegen soll. Eine Etage tiefer ist die Polizeikontrolle, bestehend aus dem jungen Uniformierten, den ich zuerst kennenlernte. Er steckt sein Handy in die Tasche, geht in eine der vielen Abfertigungskabinen des Kreuzfahrtterminals, öffnet das Fenster und sagt, dass ich jetzt zu ihm treten solle. Er schaut flüchtig auf die Pässe, drückt Stempel rein und entnimmt den Schiffspapieren eine vom Hafenmeister angefertigte Kopie. Er verlässt die Kabine und kümmert sich wieder um sein Handy. Als ich zurück an Bord gehen will, ruft er mir hinterher: „Next to the customs!“, und zeigt die Richtung an.
An der Außenfassade des Hafengebäudes öffnet sich ein Fenster. Schiffspapiere, Pässe, Crewliste wandern hinein. Diverse Kopien des Hafenamtes werden entnommen. Wieder wird gestempelt, unterschrieben und gescannt. Dann endlich dürfen wir ablegen. Der einstündige Ritt auf dem Amtsschimmel wirkt etwas absurd, weil sich niemand tatsächlich dafür interessiert hat, wie viele Personen an Bord sind und welche Waren gerade über die EU-Außengrenze befördert werden.
Nach dem Ausklarieren dürfen wir auf den verbleibenden 30 Seemeilen in kroatischen Gewässern weder anlegen noch an eine Boje gehen oder ankern. Wir passieren die Altstadt von Dubrovnik, deren Anblick gerade von See aus immer wieder eindrucksvoll ist, und steuern zwischen Festland und der Insel Lokrum nach Südosten. Der Maestral ist aufgewacht und schickt uns eine sanfte Brise. Entlang der felsigen Südküste Kroatiens gibt es nur noch einen kleinen Ort, der aufgrund seiner beiden Ankerbuchten ein interessantes Ziel für Charterer wäre: Molunat. Doch, wie gesagt, wer ausklariert hat, darf nicht mehr ankern, ausgenommen in Notfällen. Die Radarstation über Molunat überwacht den Bootsverkehr.
Die Halbinsel Prevlaka ist der südlichste Landstrich Kroatiens. Wir runden die alte k. u. k.-Festung und biegen nach Backbord in die Bucht von Kotor ein, eigentlich eine Abfolge aufeinanderfolgender Fjorde, mal schmal, mal breit wie Binnenseen. Während die Gebirgszüge um uns herum schon weite Schatten werfen, verlassen wir die EU und passieren die Seegrenze nach Montenegro. Das Land vereint schroffe Gegensätze: Das Klima ist subtropisch inklusive Palmen an den Ufern. Die mehr als 1000 Meter steil aufragenden Berge hingegen erinnern jedoch wirklich eher an den Westen Norwegens.
Bereits im vordersten Abschnitt der Bucht von Kotor, dem Hercegnovski Zaliv, liegt die Einklarierungsstelle Zelenika. Aber: In Montenegro muss man anders als in Kroatien oder generell in Schengenländern nicht die erste Einklarierungsstelle anlaufen. Crews können sich stattdessen frei entscheiden, wo in der Bucht sie einklarieren wollen. Das ist neben dem Grenzhafen Zelenika auch weiter im Inneren im Porto Montenegro sowie in der Marina Portonovi möglich, auf die unsere Wahl fällt.
Die Grenzkontrollstelle liegt an der Außenmole der Marina, zwei Polizisten helfen beim Anlegen. Nach der Erfahrung in Kroatien frage ich nach den Büros von Hafenamt, Polizei und Zoll. Doch eine junge Frau in Uniform sagt: „Folgen Sie mir. Ich erledige alles für Sie.“ Sie scannt Pässe und Crewliste. „Die Vignette für eine Yacht kostet pro Woche zwei Euro je Meter oder pro Monat sechs Euro je Meter“, erklärt die Chefin des Hafenamtes, die die Jobs von Polizei und Zoll mit erledigt. „Wir wollen aber zwei Wochen bleiben“, sage ich.
Sie antwortet mit einem Zwinkern: „Gut, dann kommen Sie in einer Woche wieder zu mir, verlassen Montenegro für eine Minute und klarieren dann bei mir wieder ein. So sparen Sie ein Drittel der Gebühren.“ Das lässt man sich nicht zweimal sagen. Ruckzuck habe ich einklariert und für unser Zwölf-Meter-Boot überschaubare 26,63 Euro bezahlt.
Das neue Marina-Resort muss man gesehen haben. Der Hafen bildet das Zentrum der neu gebauten Stadt. Die autofreie Piazza, um die herum sich Geschäfte und Gastronomie aneinanderreihen, ist in mediterranem Stil errichtet. Marina-Direktor Nikola Banovic schwärmt von der Kotor-Bucht: „Wir haben hier etwa ein Dutzend attraktive Ziele für Bootsfahrer auf engstem Raum, eingerahmt von einer atemberaubenden Landschaft mit spannender Geschichte und Kultur.“
Wir folgen anderntags seinem ersten Tipp, steuern durch die Meerenge von Verige in die Morinjski-Bucht und legen uns im westlichsten Zipfel an eine Muringboje vor der Mündung eines kleinen Flusses. Nach einem Anruf kommt ein kleines Boot aus der Flussmündung und lädt uns ein. Der Skipper sagt, dass wir Jacken mitnehmen sollen. Er bugsiert uns durch ein Labyrinth aus winzigen Wasserarmen. Nach zehn Minuten sehen wir sie: die Ćatovića-Wassermühlen. Sie liegen im Schatten hoher Berge. Die vielen kleinen Gebirgsbäche, die hier zusammentreffen, verstärken den kühlenden Effekt. Der Tipp mit den Jacken war gut.
Mühlenbesitzer Lazar Ćatovića berichtet, dass seine Vorfahren vor 200 Jahren begannen, mithilfe der Wasserkraft Oliven zu pressen. Zur letzten Jahrtausendwende wurde der Betrieb dann eingestellt. Lazar hatte die Idee, auf dem Mühlenareal ein Restaurant zu eröffnen und regionale Fischgerichte anzubieten. Seit nunmehr 20 Jahren ist es eine der besten Adressen in Montenegro (catovica-mlini.com).
Gospa od Škrpjela, auf Deutsch: Maria vom Felsen, ist eine von zwei kleinen Inseln vor der Küste von Perast. Mit der benachbarten Klosterinsel gehört die Wallfahrtskirche Maria vom Felsen zum UNESCO-Welterbe. Tagsüber bevölkern Hunderte Touristen das winzige Eiland, die mit Ausflugsbooten von Perast herüberkommen. Wir warten, bis kurz vor 18 Uhr die Ausflugsschiffe ablegen. Die Insel ist schlagartig menschenleer. Dreist steuern wir die Steinmole an und gehen längsseits. Ein junger Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ranger“ trägt, schließt die Kirche ab, grüßt uns mit erhobenem Daumen, springt in sein Rib und fährt davon. Eine Nacht lang sind wir allein auf Marias Felsen – herrlich!
Morgens dann um 9.30 Uhr ist es mit der Ruhe wieder vorbei. Eine ganze Flotte von Ausflugsbooten nimmt Kurs auf die Insel. Also nix wie weg! Nur eine halbe Seemeile östlich liegt die alte Seefahrerstadt Perast. Ehemalige Kapitänsvillen prägen das Bild. Am östlichen Teil der Stadtpier können zwei bis drei Yachten längsseits gehen. Der andere Teil wird von den Ausflugsschiffen beansprucht. Auch in Perast selbst ist es eher trubelig. Sogar unser Boot ist unruhig: Es tanzt im Schwell, der von den Ausflugsschiffen verursacht wird. Dann doch lieber weiter in den äußersten Nordosten der Bucht von Kotor, wo der Fluss Ljuta in eine gleichnamige Unterbucht mündet.
Der dortige kleine Yachthafen gehört zum Restaurant Stara Mlini, alte Mühle. Auch hier wurde ein malerisches Kleinod aus Wasserläufen und Mühlen zu einem gastronomischen Betrieb umgestaltet. Im Gegensatz zu den Ćatovića-Wassermühlen, wo es freundlich-familiär zugeht, spürt man bei den Stari Mlini, dass der Geist des Kommerzes die Mühlenräder drehen lässt (starimlini.com).
Die namensgebende Stadt ist der berühmteste Ort der Bucht von Kotor. Die im dritten Jahrhundert vor Christus errichtete Festung mit ihrer Fülle an kulturhistorischen Bauwerken ist seit 1979 als Weltkulturerbe-Stätte gelistet. Kotor hieß zeitweise Cattaro und war der bedeutendste Flottenstützpunkt der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine; hier kam es im Februar 1918 zum legendären Matrosenaufstand.
Auch im sozialistischen Jugoslawien war Kotor Kriegshafen. Mit der Unabhängigkeit von Montenegro 2006 wurden alle militärischen Anlagen aufgegeben. Wo einst U-Boote und Zerstörer lagen, machen heute Kreuzfahrtschiffe und Megayachten fest. Der innere Teil des Hafens wurde zur Marina umfunktioniert. Heute ist Kotor vor allem ein Touristenort. Der mühsame Aufstieg zu den alten Festungsanlagen wird mit einem imposanten Ausblick belohnt.
Bis zur Luxusmarina von Porto Montenegro sind es von hier noch ganze acht Seemeilen. Seit Baubeginn im Jahr 2008 hat Porto Montenegro den Beinamen „Monaco des Balkans“. Der Bedarf nach Liegeplätzen vor allem für größere Yachten stieg so stark, dass die Marina ihre ursprüngliche Kapazität von 300 auf nunmehr 426 Plätze erhöhte. Darunter sind 20 Plätze für Yachten von über 100 Meter Länge. Hier ist alles für gehobene Ansprüche ausgelegt. Und Porto Montenegro wächst weiter: Bald sollen unvorstellbare 300 Superyachten Platz finden (portomontenegro.com).
Wir runden die Halbinsel Luštica mit dem Ziel, den neu gebauten Hafenort Luštica Bay an der Außenküste zu besuchen. Auf dem Weg dorthin kommt an Backbord das malerische Rose auf. Das Dorf besteht aus 20 alten Villen, alle in erster Reihe mit unverbaubarem Meerblick. An den Kaimauern von Rose darf man niemals längsseits anlegen. Vorbeifahrende Schiffe erzeugen einen Schwell, der die Boote brutal an die Kaimauer drückt oder gar auf diese hebt. Vor dem Restaurant Forte Rose gibt es aber fünf Muringbojen für größere Yachten sowie ein Dutzend Bojen für kleinere Motorboote. Das Dorf, in dem die Zeit stehen geblieben scheint, ist einen Besuch wert.
Wer entlang der Küste der Halbinsel nach Luštica Bay steuert, sollte sich dicht am Steilufer halten. Dort gibt es Höhlen, deren Eingang auf 18°35,6’’ östlicher Länge in einer breiten Bucht liegt. Man kann auf zwölf Meter Wassertiefe ankern und mit dem Dingi in mehrere miteinander verbundene Höhlen hineinfahren.
Auf der Halbinsel Luštica an der montenegrinischen Außenküste entsteht derzeit eine komplette Stadt vom Reißbrett. Die Marina ist das Herzstück. Obwohl alles neu ist, hat die verschachtelte Architektur des Ortes den Charme eines jahrhundertealten mediterranen Dorfes. Jedes Haus ist architektonisch und farblich anders gestaltet. Dazwischen wachsen Zypressen, Palmen und Oleander. Lokale, Bars und Boutiquen laden zum Verweilen ein. Luštica Bay ist ein gutes Beispiel, wie man eine Hafenstadt bauen kann (lusticabay.com).
Wir schließen unseren Kreis um die Bucht von Kotor mit einem Stopp im Stadthafen von Herceg Novi. Für Gastboote gibt es Muringplätze an der Außenmole. Es lohnt, zur alten Festung hinaufzuwandern und den Blick über die Bucht zu genießen. In der Konoba Feral am Hafen kann man für kleines Geld großartig essen. Am östlichen Ende der Stadt entstand jüngst aus einem ehemaligen Lazarett aus dem 18. Jahrhundert eine Luxusherberge mit Wellnessbereich samt Marina für höchste Ansprüche (lazure.me).
Wandert man von der Marina bergauf, gelangt man zuerst zum Kloster Savina. Noch einmal dieselbe Strecke, allerdings steiler bergauf, ist es bis zum Weingut Kastell Savina. Mit Blick über Weinberge und Kloster darf man hier die besten Jahrgänge vom Merlot, Cabernet oder Chardonnay kosten (castelsavina.me).
Nach dem Ausklarieren in Portonovi richten wir den Bug wieder gen Norden. Auf Höhe Cavtat steht uns der Sinn nach Baden. Doch dürfen wir ins EU-Wasser springen, wenn wir noch nicht einklariert haben? Egal, in Höhe der Insel Supetar lassen wir uns treiben, der Anker bleibt oben, und springen ins Wasser. Minuten später ist ein Polizeiboot neben uns, dreht eine Runde und fährt zurück. Später machen wir am Grenzübergang Dubrovnik fest. Der Polizist blättert in unseren Pässen und fragt: „Wie war das Bad vor Cavtat?“ Diesmal ist die Kontrolle aber zum Glück kurz.
Die letzte Nacht an Bord verbringen wir auf Lopud. In der Bucht legen wir das Schiff an eine Boje. Bald darauf sitzen wir am Strand und schauen auf die hinter dem Elaphiten-Archipel untergehende Sonne – was für ein Törnabschluss!
Wer vom EU-Land Kroatien mit einer Yacht den Schengenraum verlässt, muss ausklarieren. Laut aktueller Gesetzgebung, die auch in anderen Schengenstaaten gilt, ist dazu bei Aus- oder Einreise der jeweils nächstgelegene Grenzhafen auf direktem Wege anzusteuern. Für einen Törn ab Dubrovnik nach Montenegro ist das ab Anfang Mai Cavtat – vorausgesetzt, die Bauarbeiten im Hafen sind bis dahin abgeschlossen. Achtung: Nach dem Ausklarieren dürfen Yachten die kroatischen Hoheitsgewässer weiter befahren, aber nirgends mehr anlegen, ankern oder an eine Boje gehen. Wer dagegen verstößt, muss mit mehreren Hundert Euro Geldstrafe rechnen. Ausgenommen sind Notfälle.
Croatia Airlines und Lufthansa fliegen ab rund 450 Euro von allen großen deutschen Airports nach Dubrovnik. Aus Süddeutschland oder Österreich kann die Autoreise die günstigere Alternative sein. Dank der neuen Pelješac-Brücke kann man jetzt den Transit durch Bosnien und Herzegowina umfahren.
In der Bucht von Kotor gibt es auf engstem Raum reichlich Liegeplätze – von der stillen Ankerbucht bis zur Luxusmarina.
Das Revier stellt bei stabiler Wetterlage keine besonderen nautischen Anforderungen. Man sollte aber darauf eingestellt sein, dass Bora (Nordost), Jugo (Südost) oder Gewittersturm (aus westlichen Richtungen) auftreten können. Vor dem Törn nach Montenegro unbedingt über das Wetter informieren, da man wie beschrieben nach dem Ausklarieren nirgends mehr anlegen oder ankern darf. Auf folgenden Webseiten gibt es Vorhersagen für die Region: meteo.hr, windfinder.com und windguru.cz.
Deutsche Skipper benötigen den Sportbootführerschein See oder höherwertige Scheine. Österreicher brauchen den Befähigungsnachweis zur selbstständigen Führung von Yachten im Fahrtbereich 2 – Küstenfahrt oder höherwertige Scheine. Ein Mitglied der Crew muss zudem über eine Funklizenz verfügen (UKW-Sprechfunkzeugnis/SRC/LRC oder kroatisches Funkzeugnis).