Unbekannt
· 15.03.2015
Mit einem Charterboot von erkunden wir das Frische Haff. Polens schöne Ostseeküste präsentiert sich als lebendige Mischung aus gestern und heute
Die Mittagssonne brennt heiß, während wir mit dem Hausboot auf der Elbinger Bucht nordwärts steuern. Ein Deich flankiert das westliche Ufer, dahinter erstreckt sich Marschland mit Wiesen, Feldern und Entwässerungsgräben. Achteraus ragt der Backsteinturm der Nikolaikirche von Elbląg auf, dem früheren Elbing. Voraus ist der Horizont nur zu ahnen. Voraus flimmert die Sommerluft. Abseits der Fahrrinne ist das Wasser flach und mit Schilf und Seerosen bewachsen.Darin leuchten weiße Tupfer: Schwäne. Die Landschaft ist so schön, dass man zweimal hinsehen muss.
Von Elbląg auf das Haff hinaus
Unweigerlich muss ich an das alte Lied von den "fünf wilden Schwänen" denken, welches hier, im ehemaligen Ostpreußen, seine Wurzeln hat. Die Nationalsozialisten strichen es wegen seines pazifistischen Inhalts aus dem deutschen Liedgut. Danach versuchten die ostdeutschen Kultur-Genossen jede Erinnerung an Ostpreußen und das Memelland zu löschen. Doch die "wilden Schwäne" überlebten alle Kriege und Diktaturen.
An Steuerbord kommt ein roter Leuchtturm auf. Der Horizont öffnet sich und die Elbinger Bucht mündet ins Frische Haff, Zalew Wiślany auf den polnischen Karten. Ein Nordost hat Schaumstreifen übers Wasser gekämmt und eine kurze Welle prallt gegen den Bug unserer "Kormoran" von Kuhnle-Tours.
Das Charterboot haben wir in Elbląg übernommen. Wir sind die ersten Gäste, die von diesem neuen Stützpunkt aus das Frische Haff erkunden wollen, ein lange vergessenes Wassersportrevier. Um korrekt zu sein: Unser Ziel ist sein westlicher, polnischer Teil. Der Östliche gehört zu Russland. Etwa 15 Seemeilen ist die Grenze entfernt. Am grünen Strich voraus können wir jetzt die Frische Nehrung erkennen, jenen schmalen, sandigen Landstreifen, der das Haff von der offenen Ostsee trennt. Nur wenige Segelboote sind unterwegs und vermitteln ein friedliches Bild.
Große Versprechungen im Reiseführer
Wir blättern im druckfrischen "Reiseführer für Wassertouristen" und suchen nach dem nächsten Hafen an der Südküste des Haffs. Wir entdecken die Einfahrt nach Kamienica Elbląska, dem früheren Steinort. Ich kenne den kleinen Fischerhafen noch von einem Besuch vor etwa 25 Jahren. Damals gab es einen Steg für Fischerboote, eine alte Wasserpumpe und einen Bahnhof mit Anschluss nach Elbląg.
Jetzt verspricht der Reiseführer einen Yachthafen mit Strom, Wasser, Fäkalienabsauganlage und Altölentsorgung. Und nebenan soll es einen Supermarkt geben, eine Station zum Gasflaschentausch und sanitäre Anlagen. Klingt gut!
Wir steuern in den 400 Meter langen Schlauch des Hafens. In der Einfahrt bleiben wir kurz im Modder stecken. Macht nichts, es kommt ja gleich eine moderne Marina, oder? Der schlauchförmige Hafen endet vor der alten Bahnstation. Die Gleise sind verrostet, der Steg längst eingebrochen. Ansonsten: Nichts.
Der nächste Versuch in Suchacz
Während Skipperin Siegrun wendet, lese ich, dass der Wiederaufbau vom Europäischen Regionalen Entwicklungsfonds gefördert wurde. Ich will nicht bezweifeln, dass die Euros von Brüssel nach Steinort geschickt wurden. Doch wie heißt es im Schwanenlied? "Keiner wart mehr gesehn."
Der Ort Succase, heute Suchacz, ist der nächste Hafen. Diesmal stehen noch mehr Symbole in erwähntem Handbuch. Es soll eine Marina mit Hafenmeister, Café und Restaurant geben. Perfekt für einen Imbiss! Wir gehen auf Kurs.
In schönster Nachmittagssonne steuern wir nach Succase. Im Hafen sind viele Segler, deren Kinder eine Opti-Regatta austragen. Nach einer schmalen Einfahrt öffnet sich ein großes Becken. An Steuerbord liegen kleine Segelyachten mit Bug zum Ufer. An Backbord gibt es nagelneue Stege, an Land ein neues Clubhaus mit Gaststätte und Sanitärtrakt. Und auf einem Schild bedankt sich der Yachtclub bei der EU für die Förderung.
Eine seltsame Begrüßung
Wir drehen unser Hausboot im Hafen und steuern den großen neuen Schwimmsteg an. Ein Mann im T-Shirt mit der Aufschrift "Bosman" (polnisch für Hafenmeister) kommt zu uns auf den Steg. Ich reiche ihm den vorderen Festmacher hin. Er sieht mich kurz an. Dann dreht er sich um und geht weg. Eine junge Polin, die die Situation beobachtet, ruft ihm hinterher. Er ruft auf polnisch zurück. Die junge Frau übersetzt: "Hier dürfen nur Boote bis sechs Meter Länge anlegen".
Ich entgegne, dass alle Segelboote, die hier liegen, länger als sechs Meter seien. Und der Steg ist mindestens 15 Meter lang. Wieder ruft die Frau dem Hafenmeister hinterher. Der dreht sich kurz um und sagt, dass Gäste nicht erwünscht seien.
Auch in Kadyny kein Glück
Wir wollen ablegen. Doch die junge Polin sagt in perfektem Deutsch: "Bitte bleiben Sie!" Sie nimmt unsere Festmacher an, während ihr der Hafenmeister aus der Ferne zusieht. "Mein Name ist Maria, ich bin Seglerin und mache hier Urlaub. Der Hafen ist mit EU-Geldern renoviert worden. Alles, was Sie hier sehen" – sie zeigt auf neue Stege, Sanitärgebäude, Restaurant – "haben Sie mitbezahlt. Ich schäme mich für die, die das Geld angenommen haben und jetzt keine Gäste haben wollen."
Wir wollen Maria keine Probleme machen und legen nach einer halben Stunde wieder ab. Der nächste Hafen kommt bestimmt: Kadyny. Das ehemalige Cadinen war der Landsitz von Kaiser Wilhelm II. Der Hafen kann aber angeblich nur bis 0,8 Meter Tiefgang angelaufen werden. Weil wir uns das Schloss mit dem Trakehner-Gestüt ansehen wollen, versuchen wir es trotzdem. Keine Chance: Das Becken ist verschlammt und die alten Molen sind total heruntergekommen.
Schnitzel und Bier zur Versöhnung
Abends nimmt der Wind zu, langsam sollten wir also einen Platz für die Nacht finden. Wir bleiben an der Südküste und steuern nach Tolkmicko, dem ehemaligen Tolkemit. Der Hafen dort ist durch zwei Molen gut geschützt. Bei Sonnenuntergang laufen wir ein. Die Piers und ein Schwimmsteg für kleine Yachten sind neu, ebenso das Sanitärgebäude. An Grünanlagen und Service-Säulen für Strom und Wasser wird gearbeitet. Im Südwesten des Hafens gibt es ein neues Sanitärgebäude. Daneben steht das inzwischen bekannte Schild, dass der Hafen mit EU-Förderung wieder aufgebaut wurde. Kostenfreie WiFi-Zone inklusive. Nur die Ruine der Fischfabrik erinnert noch an die sozialistische Planwirtschaft.
Mit knurrenden Mägen eilen wir zur nahen Altstadt und stürmen als letzte Gäste das erste Lokal. Der Wirt macht Schnitzel mit Bratkartoffeln und Krautsalat. Dazu gibt es Tyskie-Bier aus einer der ältesten Brauereien Europas. Wir zahlen pro Kopf fünf Euro und sind rundum zufrieden. Morgens entdecken wir neben dem Hafen einen Strand mit einem neuen, stilvoll eingerichteten Fischrestaurant, ebenfalls mit EU-Geldern gefördert. Mit dem Linienbus fahren wir zwei Kilometer zurück nach Kadyny, um uns doch noch den kaiserlichen Landsitz anzusehen.
Das Gut wurde Wilhelm II. von einem örtlichen Landrat überlassen und standesgemäß ausgebaut. Die umliegenden Wälder wurden unter Schutz gestellt, um Jagden veranstalten zu können. Außerdem ließ der Kaiser die später berühmte Majolika-Werkstatt von Cadinen gründen: Die farbig glasierten Keramiken, auch Cadiner Kacheln genannt, zieren noch heute den Alten Elbtunnel in Hamburg, Berliner U-Bahnhöfe und die preußischen Prachtbauten jener Epoche. Das gesamte Gelände steht heute unter Denkmalschutz.
Wo Kopernikus sein Weltbild entwickelte
Acht Meilen östlich von Tolkemit liegt Frombork, das ehemalige Frauenburg. Hier entwickelte der Domherr und Astronom Nikolaus Kopernikus zu Beginn des 16. Jahrhunderts das heliozentrische Weltbild mit der Sonne im Mittelpunkt, um die die Planeten kreisen. Das stand damals im direkten Widerspruch zum geozentrischen Weltbild der katholischen Kirche. Kopernikus wurde dennoch nicht als Ketzer verfolgt, sondern konnte sich als finanziell gut abgesicherter Domherr seinen Himmelsbeobachtungen und mathematischen Berechnungen widmen.
Begraben wurde er in der Kathedrale von Frauenburg; wo genau, geriet jedoch in Vergessenheit. Da viele Besucher aber nach dem Grab fragten, wurde seit 2004 nach seinen Überresten gesucht. Ein Jahr später fand man ein Skelett, dessen Schädelform darauf schließen ließ, dass es der berühmte Astronom gewesen sein könnte. Sicherheit brachten DNA-Spuren in den Zähnen, die vergleichbar waren mit jenen, die man in zwei Haaren in der Universitätsbibliothek im schwedischen Uppsala fand. Die Haare wurden in einem Buch gefunden, welches während des Schwedisch-Polnischen Krieges aus der Bibliothek von Kopernikus geraubt wurde. Im Jahr 2010 wurden die Knochen in einem neuen Sarg bestattet. Eine Glasplatte im Fußboden des Doms ermöglicht heute einen Blick zum Kopernikus-Grab.
Bei Piotr ist gut festmachen
Der Hafen von Frombork ist hübsch anzusehen, obwohl hier noch kein Geld aus Brüssel verbaut wurde. Service-Säulen für Strom und Wasser gibt es nicht. Wo können wir unseren Wassertank füllen? Am Ostkai des Hafens sehen wir die neue "Smazalnia Portowa", eine Fischbratküche mit Pension darüber.
Na klar, habe ich Wasser." sagt der Besitzer in perfektem Deutsch und rollt einen Schlauch aus. "Ich heiße Piotr und habe lange in Bremen gewohnt. Heute lohnt es sich, hier zu investieren." Wir gehen zum Bunkern bei einem Fischtrawler längsseits. Daneben liegt ein Bayliner mit russischer Flagge am Heck. Ich frage Piotr, ob viele Boote über die Grenze kommen.
"Für grenznahe Orte auf beiden Seiten gibt es einen kleinen Grenzverkehr ohne Visa. Einige Russen und Polen passieren mit dem Boot die Grenze. Aber seit der Ukraine-Krise sind es nur wenige."
Als Dank für das Wasser gehen wir bei Piotr essen. Er zaubert eine Platte mit Fischen aus dem Haff auf den Tisch. Alles schmeckt frisch und lecker. Für vier Personen zahlen wir inklusive Getränk 24 Euro.
Unser Tisch geht über Bord
Gegen 18 Uhr legen wir in Frauenburg ab. Unser Ziel heißt Neu Passarge, heute Nowa Pasłęka, der letzte Ort vor der russischen Grenze. Piotr wünscht gute Reise, zeigt zum Himmel und sagt: "Es kann viel Wind geben. Passt auf wegen der Grenze!"
Als wir den Hafen verlassen, weht es mit fünf Beaufort, wie es die Wettervorhersage prognostiziert hat. Wir fahren zunächst in der betonnten Fahrrinne und gehen dann auf Kurs Nordost. Binnen Minuten zieht der Himmel zu. Die Wellen sind mehr als einen Meter hoch, doch die "Kormoran" schlägt sich tapfer. Lediglich ein paar PS mehr würde ich mir jetzt wünschen. Plötzlich erwischt uns eine so starke Böe, dass der Tisch an Deck abhebt, über die Reling wirbelt und in den Fluten verschwindet.
Kurs auf die EU-Außengrenze
Das ist dann doch zu viel und wir entscheiden uns umzudrehen. Eine halbe Stunde lang waschen wir das Deck mit überkommenden Brechern. Endlich die Ansteuerung mit dem Kopernikus-Turm von Frombork. Wie zum Hohn flaut der Sturm einen Steinwurf vor der Hafenansteuerung ab. Im schönsten Abendlicht spannt sich ein Regenbogen über der Kathedrale! Doch jetzt ist es zu spät, wieder in Richtung Nowa Pasłęka zu steuern. Zumindest wissen wir jetzt, dass sich das Wetter auf dem Frischen Haff binnen Minuten ändern kann.
Bei leichtem Westwind nehmen wir morgens einen neuen Anlauf. Dazu fahren wir zunächst in Richtung Russland, um etwa einen Kilometer vor der EU-Außengrenze nach Steuerbord abzubiegen. Als wir uns nähern und die Ansteuerung suchen, schießt ein großes RIB mit Blaulicht auf uns zu. Zu unserer Erleichterung trägt es die Aufschrift Polish Border Guard. Die Grenzschützer fragen, ob wir nach Russland wollen. "Nein, nach Nowa Pasłęka", antworten wir. "Sie dürfen nicht das betonnte Fahrwasser nehmen. Fahren Sie einen halben Kilometer nördlich der Hafenansteuerung in den Fluss Pasłęka. Dort gibt es zwei kleine rote Stangen und eine grüne an der engsten Stelle." Er weist die Richtung. Wir sehen nur Schilfwälder.
Ein moderner Sportboothafen am Ende Polens
Zum Glück kommt ein Fischerboot mit gleichem Ziel vorbei. Wir hängen uns an. Je dichter wir dem Ufer kommen, desto klarer zeichnet sich die Mündung der Pasłęka ab. Sandbänke und Stellnetze ragen von beiden Seiten ins Fahrwasser. Wie die Beamten sagten, ist die engste Stelle tatsächlich mit Stangen markiert. Ortsfremde sollten diese Ansteuerung aber nur bei Tageslicht und ruhigem Wetter wagen.
Wir fahren knapp zwei Kilometer flussaufwärts. Rechts ducken sich niedrige Backsteinhäuser hinter den Deich. Im Schilf sind Fischerkähne an Land gezogen und Störche staksen über feuchte Wiesen. Ostpreußen wie aus dem Bilderbuch. Nach einer Kurve öffnet sich der Blick. Völlig unerwartet erscheint hier am Ende Polens ein moderner Bootshafen mit neu befestigter Uferzone, Strom- und Wassersäulen, Slipanlage und einem modernen Sanitärgebäude. Vor der Brücke finden wir einen Liegeplatz längsseits am neuen Kai.
Der einzige Yachthafen der Welt ohne Boote
Ursprünglich wollten wir den Fluss Pasłęka acht Kilometer bergauf fahren bis zur Kreisstadt Braniewo, dem früheren Braunsberg. Doch die Brücke ist geschlossen zu niedrig für unser Boot und die Klapptechnik seit Jahrzehnten kaputt. Wir fahren mit dem Taxi nach Braunsberg, um im Baumarkt einen neuen Deckstisch zu kaufen. Unser Fahrer sagt schmunzelnd: "Braunsberg ist die einzige Stadt der Welt, die sich einen Yachthafen ohne Boote leistet." Er fährt ins Zentrum, wo eine Holzbrücke den Fluss überspannt.
Daneben steht ein nagelneues Marina-Empfangsgebäude in der Größe eines Einfamilienhauses mit Rezeption, Toiletten, Duschen, Waschsalon, SB-Küche und Grillplatz auf der Terrasse. Von dort führen zwei breite Treppen zu einem Schwimmsteg vom Feinsten. Alles ist solide aus Beton und verzinktem Stahl. "21 Millionen Złoty hat man hier versenkt, 5 Millionen Euro " erklärt der junge Mann. "Seit drei Jahren gibt es diesen Anleger, den noch nie ein Boot benutzt hat. Wegen der niedrigen Brücke. Jeder wusste das. Gebaut wurde trotzdem."
Schauplatz eines großen Dramas
Mit einem neuen Tisch für die "Kormoran" verlassen wir den schönen Liegeplatz und steuern wieder hinaus aufs Haff. Unser Kurs führt westwärts zur Kurischen Nehrung. Kaum mehr vorstellbar, dass sich hier auf dem Haff vor 70 Jahren die schlimmsten Flüchtlingsdramen des Zweiten Weltkriegs abspielten: Bis zum Januar 1945 war die deutsche Bevölkerung in Königsberg und im nördlichen Ostpreußen mit Durchhalteparolen festgehalten worden. Am 10. Februar eroberte die Rote Armee Elbing und schnitt damit über zwei Millionen Zivilisten den Landweg nach Westen ab. Hunderttausende versuchten, mit Pferdefuhrwerken oder zu Fuß über das Eis des Frischen Haffs zur Nehrung zu fliehen – ein leichtes Ziel für sowjetische Kampfflieger, die die Flüchtlinge mit Bordkanonen beschossen und das Eis mit Sprengbomben zerstörten.
Gegen Abend erreichen wir das Fischerdorf Nowa Karczma, das früher Neukrug hieß. Die Mittelmole ist bereits erneuert, allerdings voll belegt. Wir finden einen Liegeplatz zwischen Fischtrawlern an der Nordpier. An Land lagern Reusenstangen und Berge von Netzen. Alles ist urig und rustikal. An der Hauptstraße gibt es ein paar einfache Gaststätten und Bars. Über einen Waldweg erreicht man in einer Viertelstunde zu Fuß den Ostsee-Strand mit einer Brandung, wie wir sie von der westlichen Ostsee nicht kennen.
In Krynica Morska tobt das Leben
Wir motoren entlang der Kurischen Nehrung westwärts und erreichen das heutige Seebad Krynica Morska, ehemals Kahlberg. Hier war man offensichtlich hellwach, als Brüssel die Geldbörse öffnete: Der komplette Hafen mit landseitigen Flächen wurde erneuert. Dabei wollen wir nicht über Nebensächlichkeiten wie hunderte Poller und Parkbänke aus Edelstahl reden. Das wohl Einmalige ist, dass man in Krynica Morska keine Fender braucht: Auf 750 Metern Länge sind alle Kaimauern mit fest montierten Polstern aus Hartgummi bestückt, und zwar alle 40 Zentimeter eine vertikale Fenderleiste. Die kosteten pro Stück mit Montage wohl um die 1000 Złoty, also etwa 240 Euro, meint der Hafenmeister. Demnach hat allein das Abfendern des Hafenbeckens rund 450 000 Euro gekostet. Gern zahle ich die 32 Złoty (6,61 Euro) Hafengebühr in der Hoffnung, dass ich damit beitrage, dass sich die EU-Ausgaben bald amortisieren.
In Krynica Morska tobt das Leben. Neben dem Hafen ist ein Vergnügungspark mit Achterbahn, Disko, Bars und Restaurants. Auch hier läuft man in einer Viertelstunde über die Nehrung zum Meer. Am Ostseestrand sorgen Imbissbuden und Bars dafür, dass beim Sonnenuntergang keine Langeweile aufkommt.
Wo sich der Kreis schließt
Wir fahren weiter westwärts nach Katy Rybackie, dem ehemaligen Bodenwinkel, wo wir einen Liegeplatz im Fischereihafen finden. Der Ort gibt sich im Vergleich zum benachbarten Krynica Morska noch bescheiden. Einziges Lokal ist eine Fischbratküche am Hafen. Alles ist einfach, rustikal, billig – und trotzdem lecker.
Etwa ein Dutzend Gastplätze sind vorhanden. An der Westpier sieht man, dass die Fördergelder auch hier sinnvolle Verwendung fanden: Das neue Servicegebäude mit Rezeption, Toiletten und Duschen ist schon fertig. Im benachbarten kleinen Becken für lokale Boote hat jedes Sechs-Meter-Schiffchen eine eigene Box mit eigener Stromsäule – sogar mit Anschluss für 380-Volt-Drehstrom.
Im Südwesten des Frischen Haffs steuern wir in das Mündungsdelta des Flusses Nogat hinein. Hier sind sie wieder, die wilden Schwäne. Wir fahren zwölf Kilometer stromauf und biegen dann nach Osten in den Jagielloņski Kanal ein, der die Flüsse Nogat und Elbing verbindet. Unser Kreis um das Frische Haff hat sich geschlossen.
SERVICEINFORMATIONEN
Firma, Boot, Preise
Kuhnle-Tours gehört zu den größten Anbietern von Hausbooten in Europa, mit Stützpunkten in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Polen. Mit Saisonstart 2014 sind dort drei weitere Charterreviere im Nordosten des Landes hinzugekommen: Das Weichselwerder, der Oberländische Kanal und das Frische Haff. Neue Charterbasis für alle drei Reviere ist der Yachtclub in Elbląg (Elbing).
Charterboot: Die von uns gemietete "Kormoran 1140" zählt zu den Klassikern der Kuhnle-Flotte. Das Schiff verfügt vorn und achtern über je eine geräumige Kabine mit jeweils einem Doppel- und einem Einzelbett. Jede Kabine hat ihr eigenes Bad mit Dusche/WC. Eine große Pantry mit Kühlschrank und Gasherd sowie ein geräumiger Salon bieten reichlich Platz für bis zu sechs Personen.
Es gibt einen Außen- und einen Innensteuerstand mit Bugstrahlruder und Echolot. Auf der offenen Wasserfläche des Frischen Haffs habe ich einen Kompass vermisst, ebenso wie nautisches Besteck am Kartentisch. Ein GPS mit Plotter wäre ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung der Ausrüstung. Laut Auskunft des Vercharterers sollen ab 2015 aber alle Hausboote, die auf dem Frischen Haff fahren, mit GPS ausgestattet werden.
Die bewährten Schiffe der Typenreihe "Kormoran" sind zwar robust und vertragen eine Mütze voll Wind, bei mehr als fünf Beaufort sollte man das Frische Haff nach unserer Erfahrung dennoch verlassen und einen sicheren Hafen aufsuchen.
Technische Daten: Lüa: 11,40 m, Büa: 3,90 m, Tiefgang: 0,75 m. Motor: Nanni Diesel 45,6 kW (62 PS), Kraftstoffverbrauch ca. 6–7 l/h. Dieseltank 530 l, Wasser 1000 l, Schmutzwasser 1400 l. Kuhnle-Tours vermietet die Hausboote führerscheinfrei. Dann darf das Haff aber nur bis 4 Bft. befahren werden, sonst bis maximal 6 Bft.
Preise: Die "Kormoran 1140" kostet ab Elbing je nach Saison zwischen 1582 und 2926 Euro. Kaution: 1200 Euro; pro Betriebsstunde werden 9,60 Euro für Kraftstoff, Schmierstoffe und Gas berechnet.
Kontakt: Kuhnle-Tours,Hafendorf Müritz,17248 Rechlin (Müritz),Telefon: 03 98 23-26 60. www.kuhnle-tours.de
Anreise
Die ungarische Billig-Airline "W!ZZ" fliegt von Lübeck, Dortmund, Köln, Frankfurt/M nonstop nach Danzig. Wir zahlten 190 Euro pro Person (hin+zurück). www.wizzair.com
Vom Airport Danzig nach Elbing sind es 74 km und man fährt gut eine Stunde. Transfer im VW-Bus (bis 7 Personen) über die Firma Taxi-Van kostet ca. 85 Euro. Mobil +48-602-21 71 11, E-Mail: e.gierszewski@chello.pl. www.autotaxivan.pl