PolenMasurische Seen

Unbekannt

 · 24.08.2013

Polen: Masurische Seen
Unterwegs auf den Masurischen Seen

Entdecke die Weite: Mit dem Charterboot über die Großen Masurischen Seen. Das Revier im Nordosten Polens ist ein kleines Paradies für Skipper.

  Unterwegs auf den Masurischen Seen
Unterwegs auf den Masurischen Seen
Unterwegs auf den Masurischen Seen

Sigi ist skeptisch. "Nur ihr beide auf einem Schiff? Ganz allein?" Ja, genau so haben wir uns das vorgestellt. Mit einem Charterboot von Kuhnle Tours möchten wir eine Woche lang die Großen Masurischen Seen im Nordosten Polens befahren. Sigi, der inzwischen weitere Reisende im Warschauer Chopin-Flughafen eingesammelt hat, schiebt seine Schützlinge nun zügig vor die Tür, wo Bus und Fahrer warten.

Der "Masuren-Shuttle" soll uns ins rund 200 km entfernte Piaski bringen, Standort der Kuhnle-Basis. Das wird gleich ein schönes Gedränge bei der Einweisung geben, denken wir, so voll wie der Bus jetzt schon ist. Die Angelegenheit klärt sich alsbald auf: Piaski hat auch ein Radler-Resort, außerdem liegt dort die "Classic Lady". Sigi und seine Gruppe wollen auf das Kreuzfahrtschiff, wir auf eine Kormoran 940. Sigi grinst: "Na dann ..."

Etwa viereinhalb Stunden später biegt der "Masuren-Shuttle" ächzend in einen Waldweg ein. Rumpelnd geht es hinab. Mit einem Mal lichtet sich das Grün. "Oh ...", seufzt jeder im Bus, wir mit. Vor uns erstreckt sich eine weite Wasserfläche, der Jezioro Bełdany. Die Abendsonne lässt den Horizont leuchten: Violett, Purpur, Zinnoberrot. Kranichrufe wehen heran, Wellen umspielen leise schmatzend den Steg, an dem unsere "Schmerle" vertäut ist. Masuren. Wir sind angekommen.

Masuren, Land der Seen. Um die 3000 sollen es sein. Ihre Entwicklungsgeschichte teilen sie mit dem Ursprung anderer Seengebiete entlang der südlichen Ostsee. Wie Holsteinische Schweiz und Mecklenburgische Seenplatte entstanden auch die masurischen Seen im Gefolge der letzten Eiszeiten. Gletscher hinterließen Senken und Furchen, die sich mit Wasser füllten. Flachseen bildeten sich heraus und schmale Rinnenseen von beachtlicher Tiefe.

Der Jezioro Bełdany ("Jezioro" dt. "See") ist ein solcher Rinnensee. Bei einer Länge von rund 12 km ist er gerade einmal 1,5 km breit. An seiner tiefsten Stelle misst er jedoch 46 m. Von Piaski am Ostufer des Jezioro Bełdany könnten wir in südliche Richtung fahren und Ruciane-Nida besuchen, ein Abstecher, den wir uns verkneifen: Schon bald hinter Ruciane-Nida ist Motorbooten die Weiterfahrt untersagt. Bei sechs Törntagen und einer Fülle von anderen Möglichkeiten kann die Lösung für uns daher nur "Kurs Nord" heißen.

Am nächsten Morgen werfen wir die Leinen los. Tagesziel ist Mikołajki.Backbords passieren wir den Anleger von Galindia, ein Hotel- und Freizeitkomplex, der das pruzzische Erbe Masurens in Szene setzt. Der einfache Steg ist, wie später bei unserer Rückkehr auch, belegt. Steuerbords zweigt sodann der Jezioro Śniardwy ab, Polens größter See. Zu den lohnenden Adressen an seinem Ufer gehört Popielno, das quasi "um die Ecke" liegt. Der Hafen gilt als stimmungsvoll, nicht zuletzt der Wildpferde wegen, die in der Nähe grasen. Den Beinamen "Masurisches Meer" bekam der fast Müritz-große Jezioro Śniardwy im Übrigen zu Recht: Das Gewässer kann sich ähnlich unberechenbar gebärden wie die offene See.

Da der Jezioro Śniardwy im Schnitt kaum 6 m tief ist, baut sich bei Wind fix eine unangenehme Dünung auf. Zudem machen Steine und Sandbänke, manchmal dicht am Fahrwasser, das Rudergehen anspruchsvoll. Plötzliche Wetterumschwünge sind ein weiteres Merkmal des Jezioro Śniardwy.Dass er diese Laune mit anderen Seen hier teilt, werden wir beizeiten erleben. Aber jetzt scheint erst einmal die Sonne. Mikołajki kommt in Sicht, das touristische Zentrum im südlichen Abschnitt der Seenkette.

Problemlos erreichen wir den Stadtkai, an dem es auch ohne Versorgungseinrichtungen nett ist. Wer Service braucht, erhält ihn zum Beispiel in der Eko-Marina gleich nebenan. Auf der Uferpromenade von Mikołajki drängen sich an diesem Sonntagnachmittag die Ausflügler. Es gibt Popcorn, Softeis und 50-cm-Pizzen, aus einem Lautsprecher krächzt Abbas "Money, Money, Money". Fliegende Händler und Wirte haben Hochbetrieb, ein Bimmelbähnchen bahnt sich fröhlich klingelnd seinen Weg.

Im Ort entdecken wir einen Supermarkt, finden alles Nötige und sind dann bei der Fleischtheke angelangt: ein Paradies hausgemachter Würste! Bitte ein Stück von der dort, sage ich auf Englisch, dann auf Deutsch. Die Verkäuferin lächelt und antwortet mit einem Schwall polnischer Vokabeln. Als ich mit Daumen und Zeigefinger signalisiere, welche Scheibendicke mir in etwa vorschwebt, leuchten ihre Augen auf. Ruck, zuck hat sie zwei komplette Würste abgewogen und mir in den Korb gelegt. Okay, beim nächsten Mal haben wir ein paar Grundbegriffe in Landessprache parat – wozu sonst hat unser Törnführer den entsprechenden Anhang?

Im "Oaza" an der Uferpromenade ist die Speisekarte auch in Deutsch zu haben, wir entscheiden uns für Schweinerücken in Pfifferlingssoße. Die Pilze treiben überschaubar im Rahm, obwohl ihresgleichen in den Wäldern ringsum reichlich sprießen. Dafür war’s lecker und erfreulich günstig. Umgerechnet 7 Euro kostete das Hauptgericht mit Beilage und Suppe vorweg. Als wir wieder auf der "Schmerle" sind, bekommen wir als Erstes rote Ohren – die Kabinentür hatten wir verschlossen, aber das große Fenster über der Pantryzeile glatt vergessen. Sperrangelweit und einladend steht es offen. Ungebetene Gäste hatten wir deshalb nicht – so viel zum Thema Sicherheit.

Am anderen Morgen wird es sagenhaft. Bald nach dem Ablegen passieren wir bei der Stadtbrücke von Mikołajki einen Plastikfisch mit Krone, den irgendwer im Wasser angebunden hat. Es ist der legendäre "Stinthengst". Als Fischkönig konnte er aus verständlichen Gründen nicht mit Fischern. Er warf ihre Schiffe um und benahm sich auch sonst nicht fein. Mithilfe dunkler Mächte fing man den Querulanten schließlich ein. Mancherorts wird die Geschichte nun so erzählt: Der "Stinthengst" versprach, jeden Wunsch zu erfüllen, sofern ihm niemand an die Flossen ginge.

Die Bewohner von Mikołajki willigten ein, aber weitsichtig, wie sie waren, ließen sie das Fabelwesen anschließend nicht davonschwimmen. Der "Stinthengst" kam an die Leine, damit er sich bis in alle Ewigkeit der Träume und Hoffnungen der Menschen annähme. Und das scheint er zuverlässig zu tun, so heiter wie sich Mikołajki zeigt. Sachte ziehen wir am "Stinthengst" vorbei. Wäre doch schade, wenn er sich jetzt losreißen würde.

Auf dem nächsten Gewässer, dem Jezioro Tałty, legen wir schon bald Ruder. Uns erwartet eine der reizvollsten Etappen dieser Tour: die Verbindung des Jezioro Tałty mit dem Jezioro Niegocin. Vier schleusenfreie Kanäle und eine Reihe kleinerer Seen bilden diesen Törnabschnitt. Das Kanalsystem, das im 18. Jahrhundert angelegt wurde, befindet sich in einem Top-Zustand und ist umfassend markiert.

Der Kanał Tałski (1,6 km) macht den Anfang. Wir fahren durch einen Mischwald, der so intensiv duftet, wie wir es zuvor noch nicht erlebt haben. Über dem Jezioro Tałtowisko rütteln Seeschwalben, und von Zeit zu Zeit verirren sich filigrane Falter ins Boot, die wir mit sanftem Nachdruck zurück in die Freiheit befördern. Der idyllische Hafen von Zielony Gaj zwischen Kanał Grunwaldzki (500 m) und Kanał Mioduński (1,9 km) ist bis zum letzten Platz belegt. Niemand lässt sich blicken. Eine tiefe Ruhe liegt über allem.

Mit dicker Bugwelle überholt uns eine Segelyacht, von fern nähert sich ein Ausflugsdampfer. Es ist kurz vor 11 Uhr, und die Region hat sich den Schlaf endgültig aus den Augen gerieben. Vom Kanał Szymoński (2,4 km) wechseln wir auf den Jezioro Jagodne, der in den Jezioro Boczne übergeht. Aber was ist das? Die Sonne ist fort, das Licht diffus geworden. Da wir Mittag haben und gerade bei einem Anleger sind, beschließen wir festzumachen.

Als die Muringleinen unser Boot sicher halten, grollt es in der Ferne. Buchstäblich in Windeseile wird der Himmel schwarz. Böen fegen heran, dann pladdern erste Tropfen aufs Deck. Der Zauber ist rasch vorbei, doch Rasmus’ rasanter Auftritt hat uns beeindruckt. Und bei der strammen Brise, die er hinterließ, möchten wir nicht über den weitläufigen Jezioro Niegocin steuern. Also bleiben wir hier in Rydzewo.

Spatzen schilpen, als wir die Straße hinunterspazieren. Geduckte Häuser reihen sich aneinander, an einem ist ein Schild angeschlagen. "Zimmer frei" steht darauf in Deutsch geschrieben. Wir sichten eine über vierhundert Jahre alte Kirche, Lädchen und Schänken. Rydzewo scheint so zu sein, wie man sich ein masurisches Dorf vorstellt – still und fernab der Welt. Aber das ist nur eine Seite dieses kleinen Ortes an Jezioro Boczne und Jezioro Niegocin. Denn Rydzewo hat sich längst auf den Weg zu einer attraktiven Feriendestination gemacht. Rundum wird gewerkelt und modernisiert.

Auch im "Port Messa", wo wir übernachten, sieht alles neu aus: Steg (etwa 12 Plätze), Sanitärbereich, Liegewiese. Über seine Grenzen hinaus bekannt ist Rydzewo für das "Gospoda pod Czarnym Łabędziem" ("Gasthaus zum Schwarzen Schwan"). Serviert werden regionale Spezialitäten in alt-masurischem Ambiente. Alle Gerichte basieren auf Originalrezepten, die Zutaten haben Bio-Qualität. Es schmeckt wunderbar, und wieder wird unsere Bordkasse geschont. Tipp: Beim Restaurant ist ein Yachthafen (etwa 40 Plätze).

Anderntags überqueren wir den Jezioro Niegocin. Das drittgrößte Gewässer des Reviers hat über den 2,13 km langen Kanał Łuczański Anschluss an die nachfolgenden Seen. Die Kanalstrecke führt durch das touristische Zentrum des nördlichen Seengebiets, Giżycko. Dort werden wir auf der Rücktour Halt machen. Jetzt soll es erst einmal weitergehen, was es aber nicht tut. Wir haben noch eine Stunde Zeit bis zur nächsten Öffnung der Drehbrücke, die in Giżycko den Kanał Łuczański überspannt. Sie ist das einzige "Hindernis" auf unserer Route. Mehrmals am Tag wird die Konstruktion aus dem 19. Jahrhundert von Hand bedient. Bis es soweit ist, kann man gut am Ufer festmachen.

Auf dem Jezioro Kisajno leitet ein Fahrwasser von Giżycko bis zur Einfahrt nach Węgorzewo am Nordufer des Jezioro Mamry. Doch so weit wollen wir nicht. Unser Ziel heißt Sztynort. Bei der Halbinsel Królewski Róg verlassen wir den Tonnenstrich in nordwestliche Richtung. Das dicht bewaldete Ufer bei Sztynort ist schon in Sichtweite – dunkel, gleichförmig, scheinbar unzugänglich. Erst nach einer Weile gibt sich die Zufahrt zum Hafen Sztynort mit Raute und Boje zu erkennen.

Über einen 170 m langen Durchstich erreichen wir den Jezioro Sztynorckie und die Marina Sztynort, in der unsere "Schmerle" perfekt unterkommt. Der modern ausgestattete Yachthafen hat etwa 500 Liegeplätze. Wieder stoßen wir auf einen "sklep", ein kleines, meist umfassend bestücktes Lebensmittelgeschäft. Dazu bewirten eine Pizzeria im Biergartenstil und ein Restaurant oben beim Schloss.

Nur wenige Schritte ist es von See und Marina entfernt: Schloss Steinort, eines jener großen Güter, für die das einstige Ostpreußen berühmt war. Herrenhaus, Wirtschaftsgebäude und Park sind in einem desolaten Zustand. Sicherungsmaßnahmen bewahren das Ensemble fürs Erste vor dem vollständigen Verfall.

Baldmöglichst soll Schloss Steinort instand gesetzt und anschließend der Öffentlichkeit für vielfältige Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Den Kraftakt rechtfertigt nicht nur die kulturelle Bedeutung der Anlage. Schloss Steinort steht auch für die Verantwortung und den Mut des Einzelnen, sich gegen Diktatur, Terror und Völkermord zu erheben.

1939, bei Kriegsbeginn, ist Heinrich Graf von Lehndorff Gutsherr auf Schloss Steinort. In der Nähe seines Besitzes beginnen die Nationalsozialisten 1940 mit dem Bau eines "Führerhauptquartiers", der "Wolfsschanze". Ab 1941 gehen hier hochrangige NS-Schergen ein und aus. Einer von ihnen, Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop, mag es feudaler. Er logiert sich in Schloss Steinort ein. Zu diesem Zeitpunkt gehört Heinrich Graf von Lehndorff bereits dem Widerstand an.

Trotz der Nazi-Größe unter seinem Dach macht er insgeheim weiter. Am 20. Juli 1944 planen die Verschwörer ein Attentat auf Hitler. Doch der Anschlag in der "Wolfsschanze" misslingt. Die Widerständler werden gejagt und verhaftet. "Es vollzieht sich eine völlige Wandlung, wobei das bisherige Leben allmählich ganz versinkt und gänzlich neue Maßstäbe gelten", schreibt Heinrich Graf von Lehndorff am 3. September 1944 in einem Abschiedsbrief an seine Frau.

Am Tag darauf wird er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Von Lehndorffs Worte lesen wir auf einem Gedenkstein, der an der Auffahrt zum Schloss steht. Dort machen wir auch die Reste eines Blumenrondells aus, das einmal üppig bepflanzt gewesen sein wird. Zwei Rosenbüsche haben hier neue Wurzeln geschlagen und sind, obwohl noch dürr und zart, erblüht – Farbkleckse mit Symbolcharakter.

Im Yachthafen duftet es nach Pizza-Ofen und Lagerfeuer. Überall sehen wir junge Leute, die Stimmung ist gelöst. Jeder hier genießt den masurischen Sommer. Wir hören das Brummeln und Quirlen von Außenbordmotoren, mit deren Hilfe die Segler ihre Charteryachten kunstvoll in die kleinste Lücke manövrieren. Und immerzu laufen Boote in den Hafen ein. Dem Grafen oben im Schloss hätte diese Unbeschwertheit gefallen, davon sind wir fest überzeugt. Masuren werden wir so in Erinnerung behalten, wie wir es in Sztynort und anderswo erlebt haben: jung und vital, vergangenheitsbewusst, aber nach vorn gerichtet, die Zukunft im Fokus.

Auf unserem Weg zurück nach Piaski peilen wir nun Giżycko an, das gleich mehrere Yachthäfen hat. Wir sind neugierig auf die 2010 gebaute Ekomarina am Jezioro Niegocin. Die propere Anlage hat ungefähr 140 Liegeplätze und bietet den gewohnten Komfort, darunter ein Res-taurant. Weitere Lokale entdecken wir in der Nähe und im wenige Hundert Meter entfernten Ortszentrum. Dort sind auch Einkaufsmöglichkeiten. Praktisch: Vom Bahnhof aus starten diverse Buslinien ins Umland.

Giżycko, das gerade sein 400jähriges Bestehen feiert, empfängt uns freundlich und herausgeputzt. Dem organisierten Trubel entlang der Uferpromenade entwischen wir lieber aufs Boot. Und schon meldet sich Besuch an – unser alter Kumpel Rasmus. Dass der Windgott dies-mal alle Register ziehen wird, ist unschwer zu erkennen: Rund um den Jezioro Niegocin blinken Sturmwarnlichter, die Wasserrettung macht sich bereit. Der Spuk rollt von Südwesten an und trifft, nur von einem Wellenbrecher gehindert, auf den Hafen.

Die Mole hält den Schwell außen vor, trotzdem knirschen unsere Festmacher unter dem Druck der Böen. Der Starkregen hat die Sicht nahezu auf null gesetzt. Erst zwei Stunden später wagen sich die ersten Skipper zurück aufs Wasser. Keine Frage: Bei heiklem Wetter können die Großen Masurischen Seen, wie vergleichbare Gewässer auch, ausgesprochen unwirtlich und respekteinflößend sein.

Am nächsten Tag haben wir schon wieder Besuch. Diesmal ist es ein junger Mann. Sofort nach dem Anlegen in Ryn eilt er von der Straße herbei und reicht uns höflich die Hand. "Ich Hermann. Vater aus Hannover, Mutter aus Polen. Du verstehen?" Seine Spontanität und Herzlichkeit rühren uns. "Wie hoch ist Arbeitslosenzahl bei euch?" erkundigt sich unser neuer Freund und hakt wie beiläufig nach: "Ist Polen teuer?" Bevor ihn die Hafenmeisterin zurück an Land komplimentieren kann, kommt er zur Sache: "10 Euro. du verstehen?" So läuft also der Hase.

Wir nehmen Hermanns Wunsch nach einer persönlichen Zuwendung nicht krumm. Die Woiwodschaft Warmińsko-Mazurskie ist die polnische Region mit der höchsten Arbeitslosenquote, und in Ryn spüren wir das zum ersten Mal. Die mit Vier-Sterne-Hotel und Edelgastronomie hergerichtete Kreuzritterburg aus dem 14. Jahrhundert thront über so mancher ausdruckslosen Hausfassade und blickt auf Menschen wie Hermann. Und doch: Ryn hält Anschluss.

Das Städtchen am Nordostende des Jezioro Ryńskie hat einen neuen Uferweg, die Anlegemöglichkeiten hier werden gerade ausgebaut. An der Steganlage von Stanica Żeglarska Stock (Port Ryn, etwa 18 Plätze) liegen wir bereits jetzt ordentlich und zentrumsnah. Nun flott zum Supermarkt und dann irgendwo nett einkehren. Unterhalb der Burg fällt uns das "Ryński Młyn” auf, ein uriges Gasthaus, das in der rekonstruierten Schlossmühle betrieben wird. Noch einmal genießen wir Piroggen und Mehlsüppchen. Morgen müssen wir zurück. Wirklich schade.

CHARTER-INFORMATIONEN

Die Firma
130 Hausboote stark ist die Flotte von Kuhnle-Tours. Das bewährte Charter-unternehmen wurde 1981 gegründet
und unterhält heute fünf Stützpunkte in Deutschland, zwei in Frankreich und einen in Polen. Hier, im masurischen Piaski, bietet Kuhnle-Tours Boote vom Typ Vetus 900, Kormoran 1280, 1140 und 940 an. Mit allen Modellen können die Großen Masurischen Seen führerscheinfrei befahren werden. Bei der Station ist ein Restaurant, das zum benachbarten Radler-Resort gehört. Einen bewachten Pkw-Stellplatz gibt es auch. Die Verständigung klappte dank deutschsprachiger Basismitarbeiter hervorragend.

Info: Kuhnle-Tours, Hafendorf Müritz, 17248 Rechlin, Tel. (03 98 23) 2 66-0

Das Boot
Wir fuhren eine Kormoran 940, die für 3+2 Personen ausgelegt ist. Der Stahlverdränger, Baujahr 2003, war in einem exzellenten Zustand. Die gemütliche Einrichtung und viel Platz machen den Bootstyp zum perfekten Ferienbegleiter. Mittelpunkt an Bord ist das Steuerhaus mit Salon, Pantry und Fahrstand. In der Heckkabine befinden sich drei Schlafplätze (Doppel-bzw. Einzelkoje), zwei weitere können im Salon hergerichtet werden. Der Sanitärbereich ist mittschiffs. Das Boot verfügt unter anderem über einen zweiten Steuerstand (außen) und ein Bugstrahlruder. Der Wochenpreis für eine Kormoran 940 in Masuren liegt, je nach Saisonzeitpunkt, zwischen
1130 Euro und 2090 Euro (Stand 2013). Diesel, Heizung, Gas und Motoröl werden nach Betriebsstunden abgerechnet. Details zu Boot, weiteren Buchungsmöglichkeiten, Kaution und Spezialangeboten bei Kuhnle-Tours.

Technische Daten: Länge 9,45 m, Breite 3,90 m, Tiefgang 0,85 m, lichte Durchfahrtshöhe 2,75 m, Wassertank etwa 800 l, Dieseltank etwa 530 l, Fäkalientank etwa 1000 l, Motor 1 x 45,6-kW- (62 PS) Nanni-Diesel.

REVIER-INFORMATIONEN

Anreise
Piaski liegt ungefähr acht Autostunden von Berlin entfernt. Wir flogen in etwa ein drei viertel Stunden nonstop von Düsseldorf nach Warschau und nahmen dort den "Masuren-Shuttle" weiter nach Piaski (Fahrzeit etwa 4,5 h inkl. Pause). Der Busdienst verkehrt auch ab Bahnhof Warschau sowie ab Flughafen Danzig. Transferkosten für Kuhnle-Tours-Kunden: 10 Euro pro Person (Hin- und Rückfahrt).

Törntipps
Die Großen Masurischen Seen sind zum einen ein Naturparadies, zum anderen ein wassertouristisches Zentrum, das zur Ferienzeit lebhaft sein kann. Doch selbst dann finden sich immer noch stille Ecken und verträumte Ankerplätze. Die beiden einzigen Schleusen des Reviers liegen im Süden der Seenkette. Zum "Nadelöhr" kann die bewegliche Brücke in Giżycko werden (geschlossen 1,10 m hoch, zur Hochsaison sechs Öffnungen täglich). Unter allen festen Brücken passte unser Charterboot hindurch. Geschwindigkeitsbeschränkungen sind in der Regel mit Tafeln gekennzeichnet. Wetterberichte können bei den Hafenmeistern abgefragt werden

Versorgung
Die Infrastruktur ist überwiegend gut bis sehr gut. Außer den beschriebenen Anlegemöglichkeiten gibt es etliche andere. Die Liegeplatzpreise für unser Charterboot bewegten sich zwischen umgerechnet rund 3,50 Euro (ohne Service) und 14,50 Euro (plus Dusche) je Übernachtung. Polnische Währung ist der Złoty. Kreditkarten sind eine verbreitete Zahlungsart.

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