Ein Text von Markus Gehrlein
Heute schreiben wir den 27.Juni 2023. Wir sind seit fünf Wochen unterwegs und haben gestern unser Reiseziel mit einem Besuch am Nordkap erreicht. Wir verlassen Hammerfest mit südlichem Kurs. Vor dem Hafen liegt die Arctic Voyager vor Anker. Ein LNG-Tanker, der darauf wartet, Flüssiggas zu übernehmen. Unweit befindet sich die 2007 in Betrieb genommene, damals größte Flüssiggasanlage Europas. Hier wird Gas aus der Barentssee in LNG umgewandelt. Für unseren Rückweg haben wir uns für den äußeren Weg entschieden. Geplant ist zunächst ein ausgiebiger Besuch in Tromsø, ein Abstecher nach Harstad und weiter durch den Raftsund zum Trollfjord. In gut einer Woche wollen wir in Svolvær auf den Lofoten einlaufen.
Schon seit über drei Wochen wird es nicht mehr dunkel.”
Das Wetter war bisher überwiegend freundlich und wir hatten gute Bedingungen für eine sichere Fahrt. Auch heute empfängt uns das Eismeer nach Verlassen des Hafens mit einer sanften Dünung aus Nord-Ost, die uns trocken vor dem Wind laufen lässt.
Unser Tagesziel liegt etwa 50 Meilen südlich von Hammerfest auf dem 70ten Breitengrad, etwa 700 Kilometer nördlich des Polarkreises. Eine sehr geschützte Bucht, die schon seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz ist. Früher war sie ein bedeutender Handelsplatz für Trockenfisch. Im Gästehaus des Campingplatzes ist reger Betrieb und auch einige deutsche Stimmen sind zu hören. Es gibt einen neuen Schwimmsteg, an dem wir als einzige Gäste einen komfortablen Liegeplatz finden. Die kleine Bucht hat einen weißen Strand und glasklares türkisblaues Wasser. Wieder einmal haben wir ein kleines Paradies gefunden, an das wir uns noch lange erinnern werden.
Für die nächsten Tage hat der Wind etwas aufgefrischt. Weiße Kämme begleiten unseren Kurs. Der Wind kommt hier im hohen Norden in dieser Jahreszeit überwiegend aus Nord bis Nordost. Was uns auf nördlichen Kursen häufig zu schaffen gemacht hat, kommt uns jetzt zugute. Die achterliche See lässt uns schnell vorankommen und unser Boot läuft angenehm weich und ohne Scheibenwischer durch die See.
Am 29.Juni erreichen wir Tromsø, die mit 78.000 Einwohnern größte Stadt im Norden Norwegens. Der Hafen ist von Seglern gut besucht. Auf dem Steg hört man neben Norwegisch auch belgische, holländische, französische und englische Stimmen. Auch eine deutsche Segelyacht aus Kappeln liegt im Hafen. Für uns, mit Heimathafen Arnis, ein direkter Nachbar. Die drei Segler haben mit ihrer kleinen Yacht „Mutsch“ das Nordkap sogar nördlich umrundet. Die meisten ausländischen Boote haben hier überwintert und sind wie wir jetzt auf südlichem Kurs Richtung Heimat. Auch zum Crewwechsel ist Tromsø eine gute Wahl. In den nächsten Tagen machen wir Einkäufe und erkunden die Stadt. Wir besuchen die Eismeerkathedrale, die Domkirche – eine der größten norwegischen Holzkirchen – und statten dem arktischen Erlebniszentrum „Polaria“ einen Besuch ab.
Am 1. Juli verlassen wir gemeinsam mit der Segelyacht „Mutsch“ den Hafen. Der günstige Gezeitenstrom im Tromsøsund lässt uns die schmale Meerenge Rystraumen pünktlich zu Hochwasser erreichen. Wegen der starken Strömung, die hier bei Ebbe oder Flut entsteht, wird die Passage bei Hoch- oder Niedrigwasser empfohlen. Da der Straumsfjord westlich von Ryøy erheblich tiefer und auch breiter ist, drängt sich das Wasser hier beim Gezeitenwechsel mit hohen Geschwindigkeiten durch die Engstelle.
Für die Nacht haben wir in Harstad auf Norwegens größter Insel Hinnøya festgemacht. Hier gibt es leider nur einen Schwimmsteg, der als Wellenbrecher bei den vorherrschenden Winden aus Nordost nur mäßigen Schutz bieten kann. Nach einer sehr unruhigen Nacht verlassen wir zeitig die Insel. Ein weiteres Highlight unserer Reise erwartet uns. Wir wollen den für seine starke Strömung bekannten Raftsund durchfahren und im südlichen Teil den Trollfjord besuchen. Wir passieren die engen Schluchten des Sunds bei traumhaft schönem Wetter. Auch im schmaleren Teil des Fahrwassers, wo bei entsprechenden Bedingungen mit Strömungen bis zu acht Knoten gerechnet werden muss, ist heute eine entspannte Fahrt für uns angesagt.
Gegen Mittag erreichen wir den Eingang zum Trollfjord. Die etwa 100 Meter breite Durchfahrt wird von 1000 Meter hohen Bergen gesäumt, die sich senkrecht aus dem Wasser erheben. Im hinteren Teil des etwa eine Meile langen Seitenarms wird es deutlich breiter, so dass auch Kreuzfahrer und Schiffe der Hurtigruten dort wenden können. Das Glück ist wieder einmal auf unserer Seite und wir sind zu dieser Zeit fast die einzigen Gäste im Fjord. Keine RIBs, traumhafte Stille. Erst beim Verlassen des Trollfjords passiert uns an der engsten Stelle ein Postschiff der Hurtigruten.
Am Abend des 4. Juli erreichen wir planmäßig Svolvaer, die mit fast 5000 Einwohnern größte Stadt der Lofoten. In der Ansteuerung begrüßt uns die „Fischerin“, eine mächtige Statue auf einem Felsen direkt neben der Hafeneinfahrt. Hier beginnt unsere nächste Etappe mit umfangreicher Erkundung der Lofoten.