Nun also Griechenland! Außer einem Jahrzehnte zurückliegenden Urlaub auf Kreta haben wir nie Reisen in dieses Land unternommen. Trotzdem haben wir irgendwie eine innere Beziehung zu Griechenland. Das kommt sicherlich daher, dass es zu Studentenzeiten in den 1970er Jahren eine große und lebendige griechische Szene in Aachen gab. Die Griechen stellten damals die größte ausländische Studentengruppe an der RWTH Achen. Eine große Anzahl griechischer Lokale schaffte eine preiswerte und wohlschmeckende Alternative zur studentischen Mensa und bestimmte damit für viele Jahre unsere Geschmacksrichtung.
Noch heute sind die griechischen Gerichte aus der Speisekarte für uns bekannte Begriffe, unter denen wir uns etwas vorstellen können.
Mit der griechischen Präsenz entstanden natürlich vielfältige Kontakte: im Studentenheim wohnte „Kostas der Grieche“ auf unserer Etage, bei der Aachener Hochschulmeisterschaft trat ein eigenes griechisches Fußballteam an und die Konzerte von Mikis Theodorakis im Aachener Audimax waren legendär. Hinzu kamen Schilderungen von Rucksacktouristen, die trotz der damals herrschenden Militärdiktatur von Griechenland schwärmten und das Bild eines liebenswerten Landes zeichneten.
Mit dieser positiven Grundstimmung machen wir uns also auf den Weg. Von Albanien kommend wird unser erster griechischer Hafen die Marina Gouvia auf Korfu. Dieser riesige Yachthafen liegt gut geschützt in einer Bucht und bietet neben einer großen Anzahl von Liegeplätzen praktisch alles, was der Motorbootfahrer braucht. Wer sich darüber hinaus für Geschichte interessiert, findet auf Korfu ein weites Feld und wird dem Hauptort Kerkyra mit Sicherheit einen Besuch abstatten. Aber auch für Badeurlauber oder anderweitig orientierte Touristen bietet die „grüne Insel“ eine große Palette an Möglichkeiten an. Wir mieten uns einen Wagen und bereisen den nördlichen Teil der Insel, der mit dem hübschen kleinen Ort Kassiopi gleich ein touristisches Highlight bietet. Weiter westlich lockt der Canal d’Amour – eine kleine Badebucht zwischen gelben Sandsteinfelsen – Scharen von Badeurlaubern an.
Wer es etwas weniger massentouristisch liebt, sollte unbedingt das Kap Drastis an der Nordwestspitze Korfus besuchen. Hier bietet sich von den Klippen eine wunderbare Sicht auf spektakuläre Gesteinsformationen, die wir in dieser Form noch nirgendwo gesehen haben.
Bei ruhigem Wetter kann man auch mit dem Boot dort hinfahren, auf die Felsen klettern und die winzigen Höhlen besichtigen. Ganz in der Nähe liegt das nächste Kap Kefali mit einem kleinen Fischerhafen. Hier steht allerdings die Funktionalität im Vordergrund – wer die Romantik sucht, sollte gleich weiterfahren nach Alfionas. Angeblich ein früheres Piratennest, erhebt sich auf einer Höhe von 133 Metern über dem Meer das bezaubernde Bergdorf auf einem idyllischen Bergrücken über die Buchten von Agios Georgios Pagi und Arillas. Mit seinen malerisch hergerichteten Häusern, seinen verwinkelten und blumengeschmückten Gassen sowie seiner einmaligen landschaftlichen Lage ist Afionas ein bei Gästen und Einheimischen gleichermaßen beliebtes Ausflugsziel.
Einen Kontrast hierzu bietet die nur wenige Kilometer entfernte Festung Angelokastro. Die „Engelsburg“ war eine der wichtigsten Verteidigungsanlagen der Insel Korfu, die in ihrer Geschichte wechselnde Besitzer hatte. Seine strategische, schwer einnehmbare Position an der Nordwestspitze der Insel mit guten Einflussmöglichkeiten auf das südliche Adriatische Meer begründete viele Jahrhunderte lang eine große Bedeutung für das Schicksal und die Entwicklung der Insel. Wer die Burg besichtigen will, sollte gutes Schuhwerk und auch ein wenig Kondition mitbringen, denn der schweißtreibende Aufstieg fordert seinen Tribut. Zum Abschluss unserer Rundreise schauen wir uns noch kurz das aus dem 17.Jahrhundert stammende Kloster Vlacherna in der Lagune von Chalkiopoulos an. Das Kloster liegt auf einer winzigen Insel ganz in der Nähe des internationalen Flughafens. Die in unmittelbarer Nähe startenden und landenden Jets verleihen diesem historischen Ort ein ganz besonderes Flair. Man muss es nicht mögen, aber interessant ist es schon.
Wer wie wir von Albanien kommt, für den bedeutet Korfu auch den Wiedereintritt in die EU mit allen erforderlichen Formalitäten. Was in Kroatien und Montenegro als „Vignette“ zu bezahlen ist, nennt sich in Griechenland „TEPAI“ – eine Bootsabgabe bzw. Bootssteuer. Diese wird am besten online entrichtet, was auch funktioniert. Man muss sich jedoch etwas Zeit nehmen und auf viele Fragen einstellen. Allein der herunterladbare umfangreiche Katalog an „Häufig gestellten Fragen“ flößt Respekt ein. Am Ende ist aber auch das alles lösbar – es kostet halt nur Aufwand und Zeit, die dann woanders fehlt. Die Marina Gouvia verfügt glücklicherweise vor Ort über eine Port Authority, über die man alles abwickeln kann. Ein freundlicher Beamter hilft weiter und vermeidet dadurch weitere Behördengänge, wo man manchmal von Pontius zu Pilatus geschickt wird. „Welcome to the country“ sagt der Beamte zum Abschluss der Formalitäten – nun sind wir wieder dort, wo wir am liebsten sind: auf unserem Schiff in der EU!
Dann elektrisiert uns eine neue Nachricht aus den Wassersportmedien: der wegen umfangreicher Erdrutsche seit Januar 2021 gesperrte Kanal von Korinth soll nun doch entgegen früheren Meldungen für Sportboote geöffnet werden.
Wir haben unseren Törn bereits um den Peleponnes herum geplant, aber wenn diese Nachricht stimmt, wäre das eine echte Alternative. Man spart nicht nur viele Seemeilen, sondern vermeidet auch nach Umrundung des Kap Malea, in den Einflussbereich des gefürchteten Windes „Meltemi“ zu geraten. Der Meltemi weht von Juli bis Oktober von Norden nach Süden und macht die Befahrung der Ägäis oft zu einer Herausforderung. Obwohl es nur etwa 100 Seemeilen vom Kap Malea bis zu unserem Zielort Athen sind, fährt man dann gegen den Meltemi an – es können dadurch „sehr lange Meilen“ werden.
Die Entscheidung über unsere Route können wir aber getrost noch aufschieben. Erst wenn wir die Ionischen Inseln verlassen, müssen wir wissen, ob wir nach Nordosten in den Golf von Patras (und später Korinth) fahren – oder Richtung Südosten entlang der Westküste des Peleponnes. Nun steht allerdings erst einmal die Etappe nach Preveza an, das auf dem Festland liegt. Gerne hätten wir auf der Insel Paxos Station gemacht, aber der wunderschön gelegene Port Gaios ist ständig voll belegt, sodass es mit einem Schiff unserer Größe an ein Wunder grenzen würde, dort einen Liegeplatz zu bekommen. Und so ist es dann auch: nach einer Fotorunde im Hafen müssen wir Gaios wieder verlassen und nehmen Kurs auf Preveza.
Wenn man wie wir ständig in noch unbekannte Gegenden fährt, braucht man immer ein wenig Zeit, um die Verhältnisse dort richtig zu verstehen. Während andernorts in Griechenland häufig nicht eine einzige Marina zu finden ist, sind es hier gleich drei große Marinas in unmittelbarer Nähe zueinander: Preveza Marina, Cleopatra Marina und Lefkas Marina. Beim weiteren Studium von Hafenführern und Karten entdecken wir schließlich auch einen Flughafen, den wir bislang nicht kannten: der Flughafen Aktio bei Preveza wird im Sommer von vielen Fluggesellschaften angeflogen – auch mit Direktflügen aus Deutschland.
Offenbar handelt es sich hier um einen touristischen „Hotspot“ insbesondere auch für Wassersportler. Von hier aus erschließen sich die Ionischen Inseln mit ihren Hauptinseln Korfu, Paxos, Lefkada, Ithaka, Kefalonia und Zakynthos. Auch der Ambrakische Golf, der Golf von Patras und der Golf von Korinth sowie zahlreiche kleinere Eilande der Ionischen Inseln lassen sich von hier aus hervorragend anfahren. Dabei gibt es diverse Seegebiete, die durch die Lage der Inseln zueinander gut geschützt sind und sich damit auch von weniger erfahrenen Wassersportlern gut befahren lassen. In Gesprächen mit mehreren Motorbootfahrern erfahren wir, dass viele hier ihren festen Liegeplatz haben, von dem aus sie die Umgebung erkunden. Service und Winterlager an Land oder auch im Wasser gehören zum Standardangebot.
Preveza erzeugt bei uns den „Italieneffekt“: ein uns völlig unbekannter Ort, der sich schnell zum „Sehnsuchtsort“ entwickelt. In der hervorragend gepflegten Marina liegen wir gut geschützt und mit allem versorgt, was der Motorbootfahrer braucht.
Hier lernen wir auch erstmalig ein neues System für die Abrechnung von Wasser- und Stromverbrauch kennen. Die Vielfalt auf diesem Sektor scheint grenzenlos zu sein und die Systeme variieren von Marina zu Marina. Von „all inclusive in der Liegeplatzgebühr“ über Aktivierungskarten oder aufladbare Chips bis zu Zählerablesungen durch das Hafenpersonal haben wir alles schon erlebt, aber in Preveza hat mit der Software „Berthmaster“ die Moderne das Zepter übernommen.
Der Ort Preveza bietet neben seiner wunderschönen Promenade und zahlreichen Restaurants viele kleine Geschäfte, die das Bummeln und Einkaufen in den Gassen zu einem Vergnügen machen. Das Flair des Ortes erinnert sehr an Italien – vielleicht ist auch das ein Grund, warum wir uns als bekennende Italienfans hier so wohlfühlen. In der näheren Umgebung gibt es mehrere historische Stätten und ein Museum, die zumindest für Geschichtsinteressierte einen Besuch lohnen - man wandelt hier ja ständig auf historischem Terrain. Was ich als Schulkind in den griechischen Sagen gelesen habe, war für mich weit entfernt wie von einem anderen Stern. Hier und heute fahren und laufen wir herum, wo früher Odysseus seine Heimat hatte und große Schlachten von Octavian und Marcus Antonius – im Bund mit der ägyptischen Königin Kleopatra – geschlagen wurden.
Auf unserer Route Richtung Süden kommen wir aufgrund eines Adapterproblems nicht so früh weg wie geplant - also wird es nur eine kurze Etappe bis zur Lefkas Marina. Die wenigen Meilen genießen wir unter herrlichen Törnbedingungen mit ruhiger See und leichtem kühlendem Wind. Vor der Einfahrt in den Kanal von Lefkas müssen wir auf die Öffnung der schwimmenden Pontonhubbrücke warten und gesellen uns zu den dort bereits wartenden Booten. Zur vollen Stunde öffnet die Brücke und wir sind erstaunt, in welchem Eiltempo die Brücke ausgeschwommen ist und freie Fahrt gegeben wird. Dann setzt sich die Armada in Bewegung – ein Gefühl wie zwischen Schleimünde und Kappeln während der Hochsaison.
Schon bald erreichen wir unseren Liegeplatz in der Lefkas Marina und erhalten erstklassige Unterstützung beim Anlegen. Das Hafenbüro ist in der weitläufigen Anlage ein ganzes Stück entfernt, aber hier bewährt sich zum wiederholten Male unser faltbarer E-Roller. Er hat uns schon viele schweißtreibende Laufereien zu Hafenmeistern oder Behörden erleichtert. Der Ort Lefkas liegt direkt vor den Toren der Marina und weist eine unüberschaubare Anzahl von Restaurants auf. Viele liegen direkt nebeneinander und buhlen um die Gunst der vorbeiflanierenden Touristen. Sobald man sich der Speisekarte nähert, wird man angesprochen und eingeladen. Die Wahl fällt oft schwer, aber kann eigentlich nie ganz falsch sein – so unterschiedlich sind die Angebote am Ende dann doch nicht.
Zur Erkundung der Insel Lefkada mieten wir uns wieder einen Kleinwagen und klappern zunächst einige historische Stätten ab. Leider ist oft nicht viel mehr als Mauerreste zu sehen oder sogar nur noch ein Haufen Steine übrig. Bezaubernd ist dagegen das Bergdorf Karya, wo wir auf dem kleinen zentralen Platz unter dem Blätterdach wunderschöner alter Bäume eine Mittagspause einlegen. Es weht ein leichter Wind, der die ohnehin nicht ganz so heiße Bergluft noch etwas angenehmer macht. Auf einer Bergspitze thront die riesige frühere Radarstation von Lefkada, die durch ihre exponierte Lage und heutige Verlassenheit etwas Gruseliges an sich hat. In den verfallenden Bauten könnte jederzeit ein Science Fiction oder Horrorfilm gedreht werden.
Zurück am Wasser statten wir der Bucht von Vlychon einen Besuch ab. In dieser fast komplett durch Berge geschützten romantischen Bucht ereignete sich am 20.09.2011 ein tragisches Ereignis. Hurrikan-Sturmböen machten sich über Teile der Bucht her und verursachten Chaos an Land und zu Wasser. Boote wurden am Anker liegend durch die Bucht gezogen und schwer beschädigt, teilweise sogar komplett zerlegt. Dieses nur etwa zehn Minuten lange Drama kostet einen französischen Segler das Leben – er ertrinkt, während andere über Bord gegangene Wassersportler sich an Land retten können.
Auch wenn derartig extreme Ereignisse selten vorkommen, so bleibt das Mittelmeer doch ein Raum, in dem es starke Stürme, Windhosen, Tornados bis hin zum gefürchteten „Medicane“ geben kann. Im Gegensatz zu unseren nördlichen Breiten besteht die Gefährlichkeit hier im urplötzlichen Auftreten sowie in der Wucht.
Nördlich des Hauptortes Lefkas stehen am langen Sandstrand die Reste früherer Windmühlen, von denen heute meistens nur noch das kreisrunde Gemäuer übrig ist. An dieser Stelle hat es also auch früher schon Wind gegeben, der zum Mahlen genutzt wurde. Heute toben sich hier die Windsurfer aus – der Himmel ist voller bunter Segel. Vom Strand aus wundert man sich ständig, wie die zahlreichen und schnell fahrenden Surfer es schaffen, nicht miteinander zu kollidieren. Ganz in der Nähe steht die Festung Agia Mavra am Eingang zum Kanal von Lefkas, den wir gestern befahren haben. Davor liegt eine große Sandbank, die sich ständig verändert. Drei große und befeuerte Buhnenanlagen auf der Seeseite sollen den Prozess anscheinend etwas eindämmen. Was für die Seefahrt eine Gefahr darstellt, wird von den Einheimischen und Touristen gerne genutzt – auf der Sandbank herrscht unter Sonnenschirmen fröhliches Strandleben.
Bei herrlichem, für uns allerdings etwas zu heißem Sommerwetter legen wir ab und fahren zunächst durch den Kanal von Lefkas gen Süden. Schon bald liegt die Bucht von Vlychon querab und etwas später passieren wir an Backbord eine Insel, dessen früherer Besitzer jahrelang die Schlagzeilen der „Bunten Blätter“ beherrschte. Der argentinisch-griechische Reeder Aristoteles Onassis mit seinen extravaganten Ehefrauen Maria Callas und Jacqueline Kennedy machte die Insel Skorpios weltberühmt.
Onassis selbst sowie Tochter Christina und Sohn Alexander sind hier bestattet. Derzeit soll die Insel an die Tochter eines russischen Oligarchen für hundert Jahre verleast sein – die griechische Justiz prüft.
Unser heutiges Ziel ist die Insel Kefalonia. Wir laufen zunächst den als hübsch gerühmten Hafen Fiskera an der Nordspitze der Insel an. Dieser Ort ist der einzige auf den Ionischen Inseln, dessen historische Bausubstanz bei dem verheerenden Erdbeben von 1953 nicht zerstört wurde. Gerne hätten wir hier eine Nacht verbracht, aber schon zur Mittagszeit ist es in dem kleinen Hafen so voll, dass wir nach einer Runde in der Hafenbucht weiterfahren und Sami anpeilen. Der frühere Fährhafen Effimia wurde nach dem Erdbeben aufgegeben – seitdem laufen alle Fähren Sami an. Von weitem macht der Ort nicht viel her, aber sobald man im Hafenbecken ist, gewinnt er an Charme. Strom und Wasser gibt es ebenso wenig wie Muringleinen - also heißt es erneut mit dem Anker anlegen. Wir genießen nach den großen unpersönlichen Marinas, die uns manchmal an Hotelketten erinnern, den „Schnuckelfaktor“ eines Kleinhafens.
Hier erwartet einen keine Hafenrezeption, wo in klimatisierten Büros gepflegte Damen hinter Glasscheiben Papiere sichten, kopieren, stempeln und „Cash or Card“ den Mammon kassieren.
Stattdessen kommt kurz ein schwitzender Marinero auf seinem Motorroller vorbei und hilft uns beim Anlegen. Er hat uns schon von weitem kommen sehen und wartet bereits an der Hafeneinfahrt, um uns zum Liegeplatz zu leiten. Als ich am nächsten Morgen bezahlen will, ist er nicht aufzufinden – Hafenbüro Fehlanzeige. Nachfragen bei der Hafenpolizei bringen nur kurz eine Scheinlösung – dort empfiehlt man uns, einfach abzufahren. Da das nicht unsere Art ist, fragen wir beim Bistrot gegenüber von unserem Schiff nach – dort meinen wir ihn mal gesehen zu haben. Und schon kurze Zeit später steht ein lächelnder Marinero am Kai, kassiert die Liegegebühr und hilft uns beim Ablegen.
Inzwischen hat sich eine neue Perspektive aufgetan: Freunde von uns sind bereits auf Zakynthos, der südlichsten der Ionischen Inseln. Dort erwarten sie die Weltumsegler Asha und Helge, die mit ihrer kleinen 10 m-Segelyacht „Gegenwind“ acht Jahre lang die Welt umreist haben und nun auf Heimatkurs sind. Da wir ohnehin nach Zakynthos wollen, werden wir uns deren Ankunft dort nicht entgehen lassen. Außerdem eignet sich Zakynthos sehr gut als Zwischenstation, um entweder weiter nach Süden um den Peleponnes herumzufahren oder in den Golf von Patras einzulaufen und später den Kanal von Korinth zu durchqueren – eines unserer maritimen Sehnsuchtsziele in Europa.
Der Kanal von Korinth stellt für alle Wassersportler derzeit allerdings noch ein echtes Problem dar. Nach mehreren massiven Erdrutschen, die die Fahrrinne blockieren, ist er seit Januar 2021 voll gesperrt und es ist von Bauarbeiten über mehrere Jahre die Rede.
Umso überraschender war dann die Nachricht im Frühjahr 2022, dass die Instandsetzungsarbeiten unterbrochen und der Kanal für die Sportschifffahrt vom 05. Juli 2022 bis Oktober wieder geöffnet werden soll. Das würden wir gerne in Anspruch nehmen, aber viele Stimmen von Bootsfahrern und Einheimischen klingen eher skeptisch. Auch in Nachfragen bei Wassersportmedien sowie direkt bei der Kanalverwaltung in Korinth hält man sich bedeckt und verweist lediglich auf die offizielle Ankündigung des griechischen Verkehrsministeriums. So heißt es also abwarten und sich auf die Lauer legen ...
Mit Sabine und Rainer erkunden wir per Mietwagen den südlichen Teil der Insel Zakynthos. Nur an deren Stränden legt die unechte Karettschildkröte nachts im Sommer ihre Eier im Sand ab. Die Gelege werden gezählt, gekennzeichnet und mit einer Art Minigerüst überbaut. Auch wenn die Strände von Sonnenuntergang bis morgens gesperrt sind, erscheint es uns fast wie ein Wunder, dass der tagsüber ganz normal stattfindende touristische Badebetrieb und dieses empfindliche Naturereignis eine friedliche Koexistenz miteinander zu führen scheinen. Im nahegelegenen Dokumentationszentrum erfährt man vieles über diese Schildkrötenart und kann die auf einer Schiefertafel aktuell eingetragenen Gelege ablesen.
Nach einer kurvigen und steilen Abfahrt zum Meer erwarten wir einen einsamen Strand – und finden die herrlich gelegene und voll durchorganisierte „Fish Tavern Antonis“, wo wir eine nach Familienrezept frisch gemachte Lemon Juice zu uns nehmen.
Bei Keri besuchen wir das „Ionian Sunset Café“, dessen Reiz sich erst erschließt, wenn man bis an die Grenze der Klippen geht und hinunterschaut – spektakulärer geht es kaum. Den nahegelegenen Leuchtturm kann man dagegen hinter Büschen und Bäumen mehr erahnen als sehen. Er untersteht wie die Leuchttürme vieler anderer Mittelmeerstaaten dem Militär und ist daher komplett abgesperrt. Besichtigungen von Leuchttürmen wie zum Beispiel in Deutschland sind in dieser Region der Welt daher in der Regel Fehlanzeige.
Dann ist es endlich soweit: Asha und Helge laufen - von der Südspitze des Peleponnes kommend - in den Hafen von Zakynthos ein. Wir überreden den „Hafenmeister“, ihr winzig anmutendes Segelboot „Gegenwind“ an unserer AZURA längsseits gehen zu lassen. Trotz über 24 Stunden auf See wirken die beiden noch recht munter und testen als erstes unsere Geographiekenntnisse. Auf ihrem an der Reling befestigten Banner sind die Flaggen der 23 Länder aufgedruckt, die sie bei ihrer Weltumsegelung angelaufen haben. Da sehen wir außerhalb von Europa ehrlich gesagt doch recht alt aus – zum Glück hat diese „Prüfung“ keine weiteren Folgen …
In den folgenden Tagen hören wir sehr viel zu und kommen aus dem Staunen kaum noch heraus. Was die beiden Weltumsegler geleistet, durchlebt und durchlitten haben, kann man sich selbst als halbwegs erfahrener Wassersportler auch nicht annähernd vorstellen.
Oder wissen Sie, wie sich ein Zyklon anfühlt, wovon sie drei durchgemacht haben? Oder 51 Tage ununterbrochen auf See? Oder 20 Monate vor Anker in Osttimor wegen Corona-Quarantäne? Oder drei Stunden mit dem Kiel auf einem Riff, sodass ein „Mayday“-Ruf abgesetzt wurde und die Segeltaschen zum Abholen durch die Coast Guard schon gepackt waren? Und dann die Enge, die Hitze, die Behörden … wir ziehen unseren Hut vor Respekt ganz tief und erkennen erneut, dass unsere manchem Leser bereits als „Abenteuer“ vorkommenden Reisen eher als etwas anspruchsvollere Kaffeefahrten einzustufen sind. Chapeau!
Als wir in Zakynthos einliefen, waren wir fast allein an der Pier, wo sich ein Restaurant ans andere reiht, die Touristen flanieren und der Verkehr bis spät abends vorbeirauscht. Nun kommen immer mehr und immer größere Yachten und lassen SY „Gegenwind“ noch zerbrechlicher erscheinen. Selbst unsere 23 m-Motoryacht AZURA fällt hier kaum auf und geht neben den brummelnden Superyachten mit ihren umfangreichen Besatzungen und Chartergästen fast unter. Aber wir machen zu zweit noch alles selbst, was sich die Crews der großen Schiffe wohl kaum vorstellen können. Obwohl es dort für jeden Handgriff mindestens zwei Leute zu geben scheint, ist das noch lange keine Garantie für bessere An- und Ablegemanöver.
Das beste Beispiel liefert „Tango II“ – eine riesige Superyacht mit Captain, First Officer und einer Horde von Crewmitgliedern. Um Platz für diesen Riesen zu schaffen, ist am Nachmittag „Hafenmeister“ Andreas da und schlägt vor, SY „Gegenwind“ zu verlegen.
Wir schlagen dagegen vor, eine andere Segelyacht zu verlegen, was dann auch einvernehmlich geschieht. Schon beim Einlaufen von „Tango II“ haben wir das Gefühl, dass der Captain ein wenig zu nah an den „Gegenwind“ heranfährt. Er korrigiert beim Rückwärtsfahren dann noch seinen Kurs, aber mit einer seiner Schrauben erwischt er die Heckankerleine vom „Gegenwind“ und – ratsch – ist die durchschnitten und mitsamt dem Anker im Hafenschlick versunken.
Wir machen den „Gegenwind“ rasch bei uns fest, sodass er nicht gegen die Kaimauer läuft. Und dann entspannt sich mit „Tango II“ eine Diskussion in mehreren Abschnitten, wer denn nun hier Schuld sei und die Kosten für den Anker (oder einen Taucher) zu übernehmen habe. Das Gezerre zieht sich bis zum Mittag des folgenden Tages, wobei die Arroganz der „Tango II“-Besatzung („Ihr könnt froh sein, dass nicht noch mehr Schaden entstanden ist!“) nur noch vom Lavieren des „Hafenmeisters“ übertroffen wird. Er hat „Tango II“ offenbar weisgemacht, dass „Gegenwind“ seinen Anweisungen nicht gefolgt sei und daher irgendwie selber Schuld sei – eine Position, die „Tango II“ sich nur zu gerne zu eigen macht. Am Ende zahlen wir den Tauchereinsatz, der den Anker samt Kette und Leinenrest im undurchsichtigen Wasser des Hafenbeckens tatsächlich findet – eine echte Meisterleistung!
Überhaupt scheinen wir in Zakynthos einer relativ intransparenten Hafenwelt ausgeliefert zu sein. Es gibt keine Preislisten und fast alles läuft mündlich ab. Die Liegegebühr variiert nach Tagesform und es darf bezweifelt werden, ob alle Geldscheine in einer offiziellen Firmenkasse ankommen. Die Ladesäulen liefern angeblich keinen Strom und das Wasser „dröppelt“ mit wenig Druck aus dem Schlauch heraus. So dauert es Stunden, bis der Tank endlich wieder voll ist.
Obwohl es als Trinkwasser gekennzeichnet ist, stellt sich später heraus, dass es doch keins ist. Das einzig Tröstliche: statt der üblicherweise zu zahlenden hohen Preise in den großen Marinas wird hier nur ein Bruchteil davon aufgerufen.
Und dann die gute Nachricht des Tages: der Kanal von Korinth ist ab dem 4. Juli 2023 tatsächlich wieder geöffnet – sogar einen Tag früher als ursprünglich bekanntgegeben. Damit entspannt sich unsere verbleibende Reiseplanung und wir können in aller Ruhe durch den Golf von Patras und später durch den Golf von Korinth fahren. Das spart nicht nur viele Seemeilen, sondern vermeidet auch das weiträumige Umfahren der großen NATO-Schießgebiete am südlichen Ende des Peleponnes – die übrigens bei weitem nicht in voller Größe in den Seekarten eingezeichnet sind. Außerdem müssen wir nicht um das berüchtigte Kap Malea – auch schon mal Kap Horn des Mittelmeeres genannt - herum, um dann möglicherweise gegen den von Nordosten hereinblasenden Meltemi bis Athen zu stampfen. Denn eigentlich sind wir ja zum Vergnügen hier!