Unbekannt
· 30.12.2020
Der viertgrößte oberitalienische See steht klar im Schatten der großen Brüder. Das hat er nicht verdient
Die großen Alpenseen sind den meisten Wassersportlern ein Begriff. Beim Lago d’Iseo (deutsch: Iseosee; italienisch auch: Sebino) ist das anders. Erst wenn das Gespräch auf die legendären Boote von Riva kommt, die in Sarnico gebaut werden, dämmert es manchem, denn die Ortschaft gehört zu den bekanntesten Gemeinden an dem schönen Gewässer. Dass der Lago d’Iseo im Schatten des großen und viel bekannteren Gardasees steht, verwundert nicht, denn der liegt nur rund 50 Kilometer östlich und ist bei den meisten Besuchern klar im Fokus.
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Natürlich ist auch der Lago d’Iseo im Sommer proppenvoll, aber in der Nebensaison geht es spürbar ruhiger zu. Als wir Mitte Oktober ankommen, erwartet uns eine überwiegend sonnige Woche mit Temperaturen über 20 Grad und ein fast leeres Gewässer. Als Basis wurde Sarnico an der Südspitze des Sees gewählt, die Charterboote bekommen wir nur einen Spaziergang entfernt bei Nautica Bertelli (www.nauticabertelli.it) auf der anderen Seeseite in Paratico. Der Händler verfügt über eine eigene Marina, die auch Gäste mit Trailerbooten bei vollem Serviceangebot nutzen können. Ein eigenes Restaurant wird auch betrieben.
Aktuell gibt es neun Charterboote, darunter fünf mit 40-PS-Außenborder, die in Italien auch von deutschen Gästen führerscheinfrei gefahren werden dürfen. Die Flotte der Mietboote für Führerscheininhaber stammt durchweg von Invictus. Die Palette beginnt bei einer 200FX mit Honda BF 100 und reicht bis zu einer 280 SX mit 350er-Innenborder. Die Preise für die Tagescharter beginnen bei 120 € und reichen bis 330 € in der Hauptsaison. Die Wege auf dem See sind kurz. Nur rund 20 Kilometer sind bis an den entferntesten Punkt am nördlichen Ufer zurückzulegen. Das kann mit bis zu 27 kn erfolgen. So sind alle Ortschaften schnell erreicht. Das Gewässer eignet sich perfekt für Tagestouren. Auch Freizeitkapitäne mit wenig Erfahrung werden hier klarkommen, denn das Ufer ist immer in Sicht und die Navigation relativ einfach.
Zu erkunden gibt es sehr viel am See. Insgesamt sind 45 offizielle Häfen verzeichnet, 13 davon bieten gekennzeichnete Gastliegeplätze, an denen für zwei Stunden gebührenfrei festgemacht werden darf. Außerdem besteht natürlich immer die Möglichkeit nachzufragen, ob ein kurzer Stopp erlaubt ist. Bars und Restaurants, von denen es an den Ufern reichlich gibt, haben oft eigene kleine Steganlagen oder Bojen für ihre Gäste. Auch einige der großen Campingplätze, wie beispielsweise Camping Iseo (www.campingiseo.it), bieten Besuchern die Möglichkeit, das Trailerboot zu wassern und festzumachen oder Motorboote zu mieten.
Wer neben den Aktivitäten auf dem Wasser wie Angeln, Wasserski oder Tauchen noch andere Herausforderungen sucht, findet rund um den See tolle Wanderrouten, eine Vielzahl spannender Mountainbike-Strecken oder Radwege und natürlich auch Golfplätze. Mit der Franciacorta beginnt direkt an den südöstlichen Ufern des Sees ein vorzügliches Weinbaugebiet, das insbesondere für seine hochwertigen Schaumweine bekannt ist. Wir haben das Weingut Villa Franciacorta (www.villafranciacorta.it) besucht, das nur acht Kilometer von Iseo entfernt mitten in den Weinbergen zu finden ist. In dem historischen Gemäuer stehen auch Ferienwohnungen zur Verfügung, die sich bestens als Basislager eignen.
Zu den Highlights des Gewässers gehören die drei Inseln. Eine Augenweide ist die Isola di Loreto mit ihrer malerischen, einer Burganlage nachempfundenen Bebauung, die um 1910 fertiggestellt wurde. Ein Idyll ist auch die Isola di San Paolo. Beide Eilande sind im Privatbesitz und dürfen nicht betreten werden. Dennoch lohnt ein Besuch mit dem Boot. Schon allein wegen des herrlichen Anblicks kann man sich für eine kleine Zwischenmahlzeit an Bord einfach nur treiben lassen.
Die größte Binneninsel Südeuropas, Monte Isola, hat ihren Besuchern dafür umso mehr zu bieten. Am größten Ort Peschiera Maraglio warten Gastliegeplätze auf Bootstouristen. Bekannt wurde das Dorf mit seinen gut 300 Einwohnern, als der Künstler Christo 2016 hier für kurze Zeit ein Open-Air-Kunstwerk mit schwimmenden Stegen aufbaute, auf denen Besucher bis zum Festland nach Sulzano laufen konnten. Der malerische Ort ist ein guter Ausgangspunkt, um die Gegend zu erkunden.
Autos gibt es auf der Insel nicht, Roller können aber gemietet werden. Außerdem sind Linienbusse im Einsatz, die alle wichtigen Punkte anfahren. Auch herrliche Wanderwege gibt es, auf denen sich die ganze Pracht per pedes erkunden lässt. Am höchsten Punkt, auf 400 Metern, befindet sich die Kirche Santuario della Madonna della Ceriola mit grandiosem Ausblick auf den See. Am Nordufer bei Carzano möchten das "Bubble Lake" und die "Bubble Bar" mit eigenen Anlegemöglichkeiten Gäste verwöhnen. In Siviano am Westufer kann das
Webereimuseum Museo della Rete besucht werden.
Wer noch etwas Zeit übrig hat, kann am gleichen Tag den unmittelbar am Festland liegenden Ort Sulzano besuchen, denn auch hier gibt es einige offizielle Gastplätze. Im Hafenbereich befinden sich zahlreiche Cafés, Bars und Restaurants. Oder man folgt der Via Luigi Cadorna, um in die hübsche Altstadt zu gelangen. Von Sulzano aus führen auch Wanderwege in die Berge, wo man für die Strapazen mit einem wunderbaren Blick auf die Monte Isola und den See entschädigt wird.
Auch der hübsche Ort Marone ist nicht sehr weit von der Insel entfernt und hat offizielle Liegeplätze zu bieten. Dort wartet das Ristorante alla Galleria mit seiner herrlichen Seeterrasse und eigenen Gastplätzen auf Besucher, oder man macht im Zentrum direkt vor der markanten Stadtkirche Parrocchia San Martino fest, wo es einige Bars und Gaststätten gibt.
Auch im nördlichen Teil des Sees gibt es viele attraktive Anlaufpunkte. Das kleine Städtchen Riva di Solto ist so ein Kleinod. Gäste finden in der 1000-Seelen-Gemeinde leider keine Plätze. Im Herbst waren aber die meisten privaten Bojen frei, und so war kurzes Festmachen möglich.
Beurkundet ist die Gemeinde seit rund 1000 Jahren, doch prähistorische Funde belegen, dass es schon wesentlich früher Siedlungen gab. Da die Hauptstraße oberhalb verläuft, ist die Promenade fast autofrei. Hier können Besucher unter Palmen am Ufer sitzen und den herrlichen Ausblick und die Ruhe genießen, etwa im Café del Porto, einer Gelateria oder anderer Gastronomie. Direkt hinter dem Ort beginnt die Steilküste mit Klippen, die unmittelbar im See enden. Die Badebucht Borgo di Zorzino glänzt mit einem pittoresken Steilmassiv und bestem Schutz vor Wind. Wer hier vor Anker geht, liegt in atemberaubender Kulisse.
Nach einer wunderbaren Fahrt entlang der malerischen Klippen erscheint der nördlichste Ort Lovere mit rund 5000 Einwohnern am Horizont. Hier ist es wieder flacher, und der Trubel ist deutlich größer. Zunächst kommt ein unschönes Fabrikgelände in Sicht. Dahinter folgt der Hafen des Segelclubs, der aber keine Gäste akzeptiert. Kein Problem, denn die Stadt hat 20 Besucherplätze direkt im viel schöneren Zentrum. Hier wimmelt es nur so von Straßencafés, Bars und Restaurants. Es gibt auch Shopping-Möglichkeiten.
Wer weiter in Richtung Osten fährt, passiert zunächst die Mündung des Flusses Oglio, der den See speist. Kurz danach folgt Pisogne mit seinem kleinen Hafen. Wer einen freien Platz sieht und freundlich fragt, kann sicher kurz anlegen, offizielle Liegeplätze für Besucher gibt es aber nicht. Trotz 8000 Einwohnern geht es hier deutlich ruhiger zu als in Lovere. Direkt am Hafen befindet sich die schöne Altstadt, die überwiegend von Fassaden des 17. Jahrhunderts geprägt ist. Das gastronomische Angebot ist groß. Direkt im Anschluss weiter südlich folgt noch Porto Goen, ein kleiner Privathafen mit dem gleichnamigen Hafenrestaurant. Wer hier essen möchte, sollte auch anlegen dürfen.
Bleibt die Erkundung der südlichen Seehälfte. In Sarnico verlässt der Fluss Oglio den See wieder. Der Ort gehört zu den wohlhabenden und größeren Siedlungen. Einige Villen mit Parkanlagen am Ufer bezeugen, dass die Popularität Sarnicos und sein Wohlstand schon eine Weile andauern. Über einen Steg am Ufer können Besucher entlang des Sees und der größeren Marina flanieren und den Ausblick genießen. Die hübsche Altstadt mit ihren autofreien engen Gassen liegt direkt an der Brücke nach Paratico. Gastronomie ist überall präsent.
Wer entlang der Küste nach Norden fährt, passiert am Ortsende auch die Riva-Werft. Direkt im Anschluss folgt Predore. Fragmente einer römischen Therme, die auch besucht werden kann, und eines Turms der Befestigungsanlage aus dem 13. Jahrhundert belegen die lange Besiedlungsgeschichte. Bootssportler werden sich über das Restaurant Molo 31 mit Anlegesteg und die Easy Bar mit Seeterrasse freuen. Weiter nördlich folgt auf der Höhe der Monte Isola dann Tavernola. Hier gibt es einen herrlichen Ausblick auf die Insel, außerdem eine schöne Kulisse an der Promenade. Das Anlegen in der kleinen Marina ist schwierig, da Gastplätze fehlen.
Kaum besser sieht es in Iseo aus. Im schönen Hafen ist nur ein einziger Platz für Besucher vorhanden. Für die führende Stadt am See mit 9000 Einwohnern ist das etwas knapp bemessen. In der Saison dürfte das Anlegen also auch hier schwierig sein. Man kann sein Glück auch im nahe gelegenen Sportboothafen versuchen, feste Gastplätze gibt es da jedoch nicht. Iseo hat eine sehenswerte Altstadt und ist sichtbar vom Tourismus geprägt. Bars, Kneipen und Einkaufsmöglichkeiten wechseln sich im Zentrum um die Piazza Garibaldi ab. Zahlreiche Museen und Kirchen können besichtigt werden. Der Besuch der Altstadt gehört natürlich zum Pflichtprogramm und rundet den schönen Urlaub am See auf angenehme Weise ab.