ReportageGlastron Carlson - Ein Fest für alle Sinne

Aaron Schreiber

 · 27.11.2019

Reportage: Glastron Carlson - Ein Fest für alle SinneFoto: Aaron Schreiber

Mit klassisch amerikanischem Fiberglas im Schlepptau durch die spektakuläre Weite der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Roadtrip der etwas anderen Art mit einer alten Glastron Carlson

Endlos gerade Straßen, im Radio spielt AC/DCs Highway to Hell, der Himmel strahlt in einem Blau, wie wir es kaum kennen. Straßen wie die Route 66 haben die USA zu einem der beliebtesten Reiseländer für einen Roadtrip mit dem Auto gemacht. Doch auch auf dem Wasser gibt es viel zu entdecken.

Unzählige Kilometer schlängeln sich Flüsse wie der Mississippi durch die Weiten der Vereinigten Staaten. Mit dem eigenen Boot so viele Seen und Flüsse wie möglich zwischen Michigan und Texas befahren – unbezahlbare Erinnerungen.

Das Boot – eine Glastron Carlson CVX 18 aus dem Jahr 1979 war zweite Hand, für amerikanische Verhältnisse relativ gut gepflegt und befand sich im Originalzustand. Ein glitzernder Klassiker auf dem Wasser, der auch heute noch regelmäßig für Gesprächsstoff sorgt.

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Foto: Aaron Schreiber

Ob sich die Glastron wohl bedankt hätte, als sie nach 37 Jahren im kalten Norden Amerikas wieder in ihren sonnigen und trockenen Geburtsstaat Texas zurückkehrte?

Auf dem mehr als 20 000 km langen Roadtrip durch 13 Staaten der USA sollte sie zumindest mehr vom Land sehen, als sie sich vermutlich je erträumt hatte.

Aus Michigan, dem Land der 11 000 Seen, vorbei an den weitläufigen, grenzenlosen Kornfeldern Illinois, durch Kentucky, das von endlosen weißen Zäunen gesäumt ist, die gigantische Grundstücke abgrenzen, über das grüne Oklahoma bis hin ins flache, von Ölpumpen übersäte Texas.

Big, bigger, Amerika. Bootshäuser, größer als ein Einkaufszentrum mit Platz für Hausboote in der 50 Fuß-(und mehr)-Klasse oder ein Drive In auf dem Wasser. In den USA sind solche Erscheinungen keine Seltenheit.

So legt man kurz bei Subway an und holt sich ein Sandwich raus, fährt mit dem Boot direkt an die Bar, um sich zu erfrischen und tankt an der nächsten Bunkerstation günstigen Sprit. Ein Paradies für Wassersportler.

Die Polyester-Klassiker der ersten Generationen liegen jedoch heute häufig traurig und verlassen auf Schrottplätzen und verwachsen mit der Natur.

Was hätten die Boote wohl zu erzählen, wenn sie sprechen könnten? Vermutlich würden sie von den glorreichen Sechzigerjahren schwärmen, als die Gallone noch weit unter einem Dollar kostete.

Oder sie würden von den PS-geladenen Siebzigern prahlen, als sie noch von glänzenden V8-Muscle-Cars über die endlosen Highways gezogen wurden. Lediglich das Chrom spiegelt heute noch den Glanz der Zeiten von früher wider.

Viele Dinge haben sich im Laufe der Zeit in den USA verändert. Nicht aber so die Feiertage. Der wohl wichtigste amerikanische Feiertag ist der Independence Day am 04. Juli. Diesen durfte die Glastron auf dem Lake of the Ozarks in Missouri feiern. Ein Stausee, an dessen fünfspuriger Slipanlage preislich zwischen 25–30, 30–45 und ab 50 Fuß Bootslänge differenziert wird.

Über 20 Meter lange Pick-up-Gespanne, mit einheitlichen Alufelgen auf Auto und Trailer, stehen in Reih und Glied auf gigantischen Parkplätzen. Im Seitenarm, der auch als Party Cove bekannt ist, sind an einem Wochenende wie diesem mehrere tausend Boote im Päckchen liegend anzutreffen.

Ein Ausmaß, von dem der Stern von Berlin nur träumen kann. Als Europäer wird man sofort gastfreundlich aufgenommen und einige Boote weiter direkt als der "German friend" vorgestellt und zum Bier eingeladen. Nach einem ausgedehnten Wochenende ruft dann aber doch die Arbeit, und der See ist wieder deutlich leerer.

Dass die alten Metalflake Carlsons längst zu gesuchten Liebhaberstücken geworden sind, ist kein Geheimnis. Wir berichteten bereits 2011 über die stetig wachsende Community in Europa.

So ist es natürlich kein Wunder, dass die Fangemeinde in den USA noch etwas größer ist.

Im August 2017 war es dann so weit: Das 10-jährige Jubiläum der Classic Glastron Owners Association in Red Wing Minnesota lud zum gemeinsamen Fahren auf dem Mississippi und St. Croix River ein.

Immer entlang der Grenze zu Wisconsin ging es im Pulk von mehr als 60 klassischen Glastrons zum vereinbarten Strand. Das älteste Modell war von 1961, der Besitzer hatte es damals in der High School brandneu gekauft, und bis heute behalten.

Die alten Fotos mit den damaligen Zugfahrzeugen und die nostalgischen Geschichten versetzen einen direkt zurück in die good ol‘ days.

Das neueste Modell war eine Carlson Matise. Die Besitzer waren niemand weniger als der Sohn und der Enkel von Art Carlson, dem legendären Designer der Carlson-Boote. Auch die Familie Carlson hatte einen kleinen Roadtrip von mehr als 3000 km unternommen, um beim Treffen teilzunehmen. Der Preis für die weiteste Anreise ging dennoch nach Deutschland.

Ein weiteres Wassersport-Extrem findet man unter anderem beim San Angelo Showdown in Texas oder bei den Diamond Nationals in Wheatland Missouri.

Veranstaltungen wie man sie sonst nur aus Filmen kennt. Rennboote, die auf einem 100 Meter breiten Fluss auf der 1/4 Meile um die Wette rasen. Das Privileg als Special-Guest auf dem schwimmenden Ponton zu stehen, der als Startinsel dient, ist vermutlich ein einmaliges Erlebnis im Leben.

In nur ca. zwei Metern Entfernung blubbern zwei aufgeladene 10000-PS-V8-Motoren, die nur darauf warten, entfesselt zu werden, sobald das Startlicht auf Grün umspringt, um ihren Fahrer in unter vier Sekunden auf über 400 km/h zu katapultieren.

Das Gefühl der Druckwelle beim Start, der Geruch vom Nitro-Methan-Gemisch in der Luft, das unrunde Laufen der scharfen Nockenwelle mit dem dumpfen V8-Geblubber – ein Fest für alle Sinne. Der Herzschlag Amerikas wie er schon seit vielen Generationen schlägt.

Diese Reportage lesen Sie in der November-Ausgabe 2018 von BOOTE.