Morten Strauch
· 10.10.2022
Tschechiens geschichtsträchtige Metropole liegt für Skipper zwar nicht gerade gleich um die Ecke, doch der Weg lohnt sich
Nach der „Samtenen Revolution“ im Jahr 1989 erwachte die Goldene Stadt aus kommunistischem Dornröschenschlaf und entwickelte sich vom Geheimtipp zum Sehnsuchtsort unzähliger Touristen aus aller Welt. Berauscht von dem Stilmix unterschiedlichster Epochen, den Klängen von Smetanas „Moldau“ (und preisgünstigem Spitzenbier), ziehen Tausende Besucher täglich durch die historischen Gassen. Doch die geschichtsträchtige Hauptstadt der Tschechischen Republik hat noch mehr zu bieten – und wer mit dem Sportboot anreist, hat nicht nur den schönen Weg, sondern auch ein urbanes Traumfinale zum Ziel.
Die Anreise erfolgt über die Elbe via Magdeburg, Dresden und das Elbsandsteingebirge bis in das tschechische Melnik, wo die Moldau bei Elbe-Kilometer 837 einmündet. Noch kurz vor deren Mündung muss allerdings auf den zehn Kilometer langen Moldaukanal abgebogen werden, der ein unpassierbares Wehr in Vranany auf der Moldau umgeht. Die Schleuse Horin zu Kanalbeginn ist ein beeindruckendes Wasserbaudenkmal und wirkt mit ihren Türmen wie eine alte Festung. Bei Moldau-Kilometer 20 findet sich mit der Marina Vltava nicht nur ein guter Platz zum Übernachten, sondern auch ein ansprechendes Restaurant mit Terrasse zum Fluss.
Nach zwei weiteren Schleusen beginnt bei Kilometer 41 schließlich das weitläufige Stadtgebiet von Prag. Die Marina HoleŠovice bei km 47,4 (mit Brauerei) ist ein idealer Ort, um das Boot sicher festzumachen. Eine Sightseeingtour auf eigenem Kiel empfiehlt sich unbedingt in den frühen Morgenstunden, wenn die vielen Ausflugsschiffe sich noch nicht in den Stadtschleusen und in der Prager Innenstadt tummeln. Nebenbei: Es empfiehlt sich übrigens, die Reise außerhalb der Sommermonate anzutreten, um die Niedrigpegelstände auf der Elbe zu vermeiden (www.elwis.de).
Die Grenze zur Tschechischen Republik kann aufgrund des Schengener Abkommens problemlos mit dem Boot passiert werden. Ein Ein- oder Ausklarieren ist nicht notwendig.
Früher der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt, bildet der ehemalige Marktplatz heute das touristische Zentrum Prags. Das Altstädter Rathaus bietet dem Besucher eine schöne Aussicht von der Turmspitze, während die Astronomische Uhr aus dem Jahre 1410 zu jeder vollen Stunde mit einer mittelalterlichen Showeinlage die Massen verzückt.
Zusammen mit dem gotischen Veitsdom beherrscht sie eindrucksvoll das linke Ufer der Moldau. Neben Königskrönungen und Präsidentenvereidigungen war die Burg auch immer Schauplatz historischer Wendepunkte. So löste der zweite Prager Fenstersturz 1618 den Dreißigjährigen Krieg aus, während der Bürgerrechtler und Schriftsteller Václav Havel 1989 das kommunistische Regime bezwang und innerhalb eines Jahres vom inhaftierten Staatsfeind zum umjubelten Präsidenten aufstieg. Für einen Besuch des flächenmäßig größten Burgareals der Welt sollten ein paar Stunden eingeplant werden. Zu den Highlights zählen hier die pompöse Wachablösung um 12 Uhr im Ersten Burghof, der Vladislavsaal im Alten Königspalast und die wertvollen Kunstsammlungen der Burggalerie. Erholen kann man sich gut in einem der Burgcafés oder in den Kleinseitner Gärten.
1357 begann der Bau der Brücke im Auftrag Karls IV., des damaligen römisch-deutschen Kaisers. Sie verbindet die Prager Altstadt und die Kleinseite „Malá Strana“. Sie ist die älteste erhaltene Brücke über die Moldau und eine der ältesten Steinbrücken Europas. Täglich strömen Tausende Touristen über die mit Madonnen und katholischen Heiligenfiguren bestückte und von Kleinkünstlern belebte Brücke. Sie ist das pulsierende Herzstück Prags. Der Ausblick auf Moldau und die angrenzenden Stadtteile ist zu jeder Tageszeit einzigartig. Früh morgens – wenn die Stadt und ihre Besucher noch schlafen – lassen sich ganz besondere Momente und Stimmungen einfangen.
Jährlich findet am 15. Mai auf dem Wasser um die Brücke herum das pompöse Johannesfest „Navalis“ statt. Mit barocker Musik, Feuerwerk, Prozessionen und Regatten wird zu Ehren des Heiligen Johannes von Nepomuk – Nothelfer bei Wassergefahren, Schutzpatron der Brücken und der Gondolieri – gefeiert. So kommen neben vielen anderen Wallfahrern auch alljährlich venezianische Gondolieri nach Prag, um ihren Schutzheiligen zu ehren. Unter dem Ausläufer der Karlsbrücke und zwei schattenspendenden Kastanien befindet sich das Café Marnice. Im Lee des Besucherstroms lassen sich bei Prager Gulasch und einem großen Budweiser Pils die Kräfte regenerieren, bevor es die Kleinstadt und die idyllische Moldauinsel Kampa zu erkunden gilt.
Den vielleicht besten Ausblick auf die Brücken der Stadt haben die Skater beim Prager Metronom im Letná-Park, welches auf dem Sockel des 1962 gesprengten Stalin-Denkmals errichtet wurde. Nur wenige Touristen verirren sich hierher. Der beste Zeitpunkt für den Aufstieg ist wieder früh am Morgen. Mit einem kleinen Frühstückspaket können Sie die Aussicht doppelt genießen und haben das perfekte Licht für ein stimmungsvolles Foto.
Etwas östlich der Altstadt liegt Žižkov, das alternative Arbeiter- und Studentenviertel mit unzähligen Kneipen und Bars. Anders als in der Altstadt trifft man hier größtenteils auf einheimische Nachtschwärmer. Der futuristische Fernsehturm ist mit 216 Metern Höhe das höchste Gebäude Prags und beherbergt neben dem Spitzenrestaurant Oblaca auch ein Aussichtsobservatorium mit wunderbarem Ausblick auf die Stadt. Wer dem morbiden Charme von Friedhöfen etwas abgewinnen kann, dem sei ein Besuch der Friedhöfe Olsany empfohlen. Die größte Grabstätte in Prag bietet Platz für die sterblichen Überreste von mehr als zwei Millionen Verstorbenen, darunter auch die von Franz Kafka.
Einer der berühmtesten Söhne der Stadt ist der jüdische Schriftsteller Franz Kafka (1883 bis 1924, „Der Prozess“), der der deutschsprachigen Minderheit Prags entstammte. Ein Besuch des Franz Kafka Museums ist gerade für deutschsprachige Besucher lohnenswert. Das Museum liegt am Kleinseitner Moldauufer fußläufig zur Karlsbrücke. www.kafkamuseum.cz
Eine originelle Alternative zu den vielen Bierbars ist die kleine Absintherie am Franz-Kafka-Platz. Hier sind alle Angebote dem Kultgetränk aus dem 19. Jahrhundert gewidmet. Mit 100 verschiedenen Sorten zur Auswahl zelebriert die auskunftsfreudige Bedienung jede Zubereitung. Aber Vorsicht: Die Getränke sind stark alkoholhaltig und können einen kafkaesken Einfluss auf Ihre Sinne nehmen!
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