SchwedenDalsland (Teil 2)

Unbekannt

 · 22.03.2015

Schweden: Dalsland (Teil 2)Foto: Morten Strauch
Dalsland kurz vor Mittsommer: auf Entdeckungstörn über die weiten Seen im Südwesten Schwedens, eines der schönsten Binnenreviere Europas

Stufe um Stufe: Wir setzen unsere Reise durch den Südwesten Schwedens fort: Aus den dichten Wäldern Dalslands geht es hinab zum mächtigen Vänersee.

  Dalsland kurz vor Mittsommer: auf Entdeckungstörn über die weiten Seen im Südwesten Schwedens, eines der schönsten Binnenreviere EuropasFoto: Morten Strauch
Dalsland kurz vor Mittsommer: auf Entdeckungstörn über die weiten Seen im Südwesten Schwedens, eines der schönsten Binnenreviere Europas
Dalsland kurz vor Mittsommer: auf Entdeckungstörn über die weiten Seen im Südwesten Schwedens, eines der schönsten Binnenreviere Europas
Foto: Morten Strauch

Und genau hier wäre der König fast in den Kanal gefallen, wenn ihn seine Frau nicht festgehalten hätte", erzählt uns Bo. Ein Sonnenstrahl in der engen Schlucht hatte Carl XV. geblendet – und ein unbedachter Schritt rückwärts hätte ihn fast über die Reling des Salonbootes "Laxen" ins Wasser befördert. "Das wäre eine echte Kanaltaufe gewesen", stellt Bo lakonisch fest. "Was für ein nasses Ende für jenen ruhmreichen Tag".

Dieser Tag war der 19. September 1868: Nach fünf Jahren harter Arbeit war der Dalslandkanal fertiggestellt worden. Man hatte gerodet, gegraben und gesprengt, um die weitläufigen Seen im bewaldeten Südwesten Schwedens zu verbinden und einen schiffbaren Anschluss an den Vänern zu schaffen. Es war der erste Verkehrsweg überhaupt, der in die Wildnis hineinführte, die zwar arm an Menschen, aber reich an Holz und Erz war.

Stromschnellen und ein Wasserfall

Fast wäre es damit nichts geworden, denn eine Stelle bereitete dem verantwortlichen Ingenieur Nils Ericson besonderes Kopfzerbrechen: Bei dem kleinen Ort Håverud floss der See Åklang in den Upperudshöljen – und genau diesen Weg musste auch die neue Wasserstraße nehmen. Zwar betrug der Niveauunterschied nur neun Meter, dafür aber war die Schlucht eng und steil, mit Stromschnellen und einem Wasserfall. Das lockere Gestein schloss eine herkömmliche Schleusentreppe als Lösung aus.

Da kam Ericson die zündende Idee: Statt die Schlucht selbst zu nutzen, würde er sie einfach "übergehen" – mit einem Aquädukt. Vier anschließende Schleusenkammern in festem Grund könnten danach für den Abstieg sorgen. Doch das war einfacher gesagt als getan: Erst vor Ort konnte die 32,5 Meter lange, freitragende Trogbrücke aus vorgefertigten Stahlelementen montiert und mühsam an ihren Platz gehievt werden. 33 000 Nieten halten sie noch heute zusammen. Insgesamt ein technisches Meisterstück ersten Ranges. Mit Vergleichbarem kann sich schließlich noch nicht einmal der berühmte Götakanal schmücken...

Zwischen Rumpf und Trogwand passt kaum ein Blatt Papier

Nur wenige Meter vom Beginn des Aquäduktes stehen wir jetzt und warten. Gegenüber an der Felswand erinnert eine Tafel an die Kanaleröffnung vor bald 150 Jahren unter Anwesenheit des Königs. "Vielleicht nehme ich ja noch ein schnelles Bad", sagt Bo und täuscht einen Sprung an.

Doch da kommt endlich die "Dalslandia" aus der obersten Schleuse und gleitet voller staunender Ausflügler über den Abgrund. Zwischen Rumpf und Trogwände passt kaum ein Blatt Papier, so schmal ist die stählerne Rinne des Aquädukts. Blitzlichter erhellen den Schatten der Schlucht.

Langsam gehen wir mit Bo zurück zum Wartesteg, wo sein Seekajak und unser Schlauchboot festgemacht sind. Ein etwas in die Jahre gekommener Spitzgatter mit norwegischer Flagge hat sich dazugesellt. Der entspannte Eigner in der offenen Plicht grüßt uns freundlich mit der Pfeife, während sein Borderterrier uns vom Vorschiff aus scharf beäugt.

„Auch zum Aufladen hier?“

Ein paar Minuten bleiben noch zum Plaudern. Bo, das wissen wir schon, ist IT-Administrator an der Universität von Umeå, ziemlich weit im Norden. Einmal im Jahr kommt er nach Dalsland zum Paddeln, um "aufzuladen", wie er sagt. Tobias, der Norweger, ist aus Otteid heruntergekommen, wo das Gewässernetz bis in das Nachbarland hineinreicht. "Auch zum ,Aufladen‘ hier?", fragen wir. Tobias zieht an der Pfeife und sagt ernst: "Ja, die Luft ist sehr gut." "Unsinn", wirft Bo dazwischen und grinst. "Die Luft ist die gleiche wie bei euch. Das Bier ist einfach billiger!" Der Norweger antwortet nicht, aber das verräterische Zucken um seine Mundwinkel spricht Bände.
Über den Steg kommt jetzt ein drahtiger Blondschopf von der slussvakt heran, dem Schleusenpersonal, und gibt uns das ersehnte Startzeichen. Ericsons Geniestreich wartet! "Geht mir nicht über Bord", ruft Bo, als er sich hinten einreiht.

Unsere Reise durch die historische Provinz hat vor rund einer Woche in Ed begonnen, am südlichen Ende des langgestreckten Sees Stora Le, und gar nicht weit von dem Punkt entfernt, an dem auch Tobias gestartet ist. Es ist Anfang Juni. Tatsächlich verbringen wir die erste Nacht im Zelt sogar auf norwegischem Boden, am Kiesstrand einer kleinen Insel (siehe BOOTE 8/2014). Danach geht es weiter nach Norden, zunächst nach Töcksfors, wo wir vor unserer ersten Schleuse sogar noch auf den offiziellen Saisonbeginn am nächsten Tag warten müssen. Dafür schieben wir uns dann behutsam als erstes Boot durch den Seerosenteppich zwischen beiden Kammern.

Norwegen ist nur noch einen Kilometer entfernt

Vom Töcken nordwärts führt unser Weg durch eine schmale Durchfahrt im dichten Wald. Am Ufer ragen die fast zugewachsenen Gerippe alter Brücken auf. Das dunkle Wasser ist still und mit gelben Pollen bedeckt, die Natur ist wunderschön. Wir sind vollkommen allein, als wir am Strömmesjön für ein Picknick an einem verwaisten Steg festmachen, und später unter ersten, schüchternen Sonnenstrahlen auf den Östen hinaussteuern, den nördlichsten See des Reviers.

Vom Anleger in Östervallskog ist Norwegen nur einen Kilometer entfernt – und auf unserer kurzen Wanderung über die Landstraße ist bis auf ein unscheinbares Schild auch hier nichts von der Riksgränse zu sehen. Entspannte Nachbarschaft!

Als wir das Nordufer des Östen erkunden, treffen wir vor Grundsön tatsächlich den einzigen Stein in der ganzen nördlichen Hälfte des Sees. Aber wir haben Glück im Unglück: Bis auf eine kleine Scharte im Propellerflügel ist nichts passiert. Unser Zelt schlagen wir auf dem glatten Fels einer von Land aus unzugänglichen Halbinsel auf. Skellbredhöjden heißt der Flecken auf unserer Karte. Unsere Grand Corvette C 360 befestigen wir mit Landleinen an zwei Bäumen. Am Abend wird der See zu einem blauen Spiegel. Ein schöner Ort in absoluter Einsamkeit. Auch das einzige Ferienhaus, weit entfernt auf der gegenüberliegenden Seite, scheint unbewohnt zu sein. Wieder suchen wir uns eine mit Erde gefüllte Mulde für unser Feuer, bis eine dunkle Wolke um Mitternacht mit einem Guss die Flammen löscht und uns in die Schlafsäcke treibt.

Wir improvisieren einen Kühlschrank

Jetzt ist der Sommer da, und auf unserem Weg zum Vänern haben wir die Sonne im Gesicht! Zwischenstopp machen wir erneut in Töcksfors, wo das moderne Einkaufszentrum über einen eigenen Anleger verfügt: Wir kaufen Eiswürfel in Beuteln, um eine unserer Kunststofftonnen zum Impro-Kühlschrank umzufunktionieren, und zwei Kanister Benzin von der Straßentankstelle für unseren treuen Zweitakt-Fünfzehner von Yamaha.

Bei völliger Windstille zieht sich unser Kielwasser schnurgerade über den See Foxen. Federwolken zieren den Himmel. Es ist jetzt sehr heiß, unsere Pause verbringen wir treibend und dösend. Das Wasser lockt, ist aber doch noch kälter als gedacht.

Am Naturcampingplatz von Lennartsfors machen wir fest, um den Ort zu erkunden. Der wirkt wie ausgestorben in der brütenden Mittagshitze. Geschäfte gibt es nicht mehr; Landhandel und Tankstelle haben den Betrieb eingestellt. Hinter staubigen Scheiben sieht man im Halbdunkel noch gestapelte Vorräte.

Schwitzend geht es zum Boot zurück. Über eine Gegensprechanlage melden wir uns an der Schleusentreppe an. Hier wurde gleich der ganze obere Zufahrtskanal aus dem Berg gesprengt. Wir folgen dem orangefarbenen Schild mit dem Wort Sluss bis zum ersten Tor. Drei Kammern aus nacktem Fels sind zu durchfahren. Vor den scharfen Kanten schützen senkrechte, geschälte Baumstämme. Klares Grundwasser rinnt aus Ritzen und Spalten.

Sprühregen begleitet uns nach Bengtsfors

Noch eine Nacht auf einsamer Insel, diesmal an der Nordspitze von Bråtnäsön auf dem Lelång. Eine kleine Bucht eignet sich perfekt für unser Schlauchboot. Holz finden wir im Wald, und unsere Nudeln kochen wir direkt auf der Glut, da uns das Gas ausgegangen ist. Dann strecken wir uns auf den warmen Felsen aus, bis die Wolken kommen.

Sprühregen begleitet uns am Morgen bis in die Kleinstadt Bengtsfors. Schnell binden wir das Boot im Gasthafen an, bevor wir uns in "Kickis Café" an der Storgatan heißen Kaffee und hausgemachten Schokoladenkuchen gönnen. Den Tipp vom Campingplatz am Nachbarsee Ärtingen (zu dem ein kaum sichtbarer Durchstich unter einer Straße hindurchführt) bekommen wir in der Tourismusinformation. Zum Glück stellen wir das Zelt auf höherem Grund auf, denn es regnet sich richtig ein. Zwei Tage harren wir hier aus; wenigstens die Duschen sind herrlich heiß.

Ein bereits gewonnene Wette

Am dritten Tag geht es endlich weiter. Unter grauen Himmel zwar, aber immerhin trocken. Lupinen leuchten weiß und blau im Zwielicht, grellgrüner Farn wölbt sich am Ufer. Über die Schleusen 18, 19 und 20, die in völliger Waldeinsamkeit liegen, kommen wir nach Billingsfors, zum Laxsjön und zum Råvarp. Staustufe um Staustufe geht es nun weiter hinab, und die Sonne ist längst wieder heraus, als wir am Wartesteg vor dem Aquädukt von Håverud festmachen. Ein Kajakfahrer wartet dort bereits: Bo.

Abends dann, als die Ausflügler längst wieder verschwunden sind und wir zu dritt am Kanal sitzen, Erlebnisse austauschen und unser Abenteuer quer durch Dalsland fast geschafft ist – Köpmannebro und der mächtige Vänern sind nur noch wenige Kilometer entfernt – überrascht uns der Schwede mit einer unerwarteten Bemerkung: "Wetten, ihr könntet nichts Schlechtes über dieses schöne Fleckchen Erde schreiben?" Er sieht unsere verblüfften Gesichter. "Ich weiß", fügt er mit wissendem Blick hinzu und sieht über den See nach Süden. "Ich könnte es auch nicht".

REVIERINFORMATIONEN

Das Revier
Der Dalslandkanal wurde im Jahr 1868 eröffnet und diente bis zum Bau einer Eisenbahnlinie gegen Ende des Jahrhunderts vor allem zum Transport von Sägeholz und Eisenerz zum Vänern und weiter zur Nord- und Ostsee. Mit Nebengewässern umfasst er rund 400 km Wasserstraßen, die Hauptstrecke führt über 140 km von Ed über Bengtsfors und Håverud nach Köpmannebro (bzw. Köpmannehamn) und überwindet mit 23 Schleusen einen Höhenunterschied von 58 m. In Dals Langed und Håverud sind jeweils vier Kammern zu Schleusentreppen zusammengefasst.

Die Mindesttiefe des Fahrwassers beträgt 1,80 m. Schwierige Stellen sind mit Kardinal- oder Lateralstangen bezeichnet. Die geringste Durchfahrtshöhe beträgt 3,60 m (Brücke in Töcksfors). Mit entsprechendem Kartenmaterial ist die Navigation unproblematisch. Die Infrastruktur für Boote ist durchweg gut, Versorgungsmöglichkeiten bestehen in allen größeren Orten. Bootstankstellen gibt es in Ed, Töcksfors, Bengtsfors und Köpmannebro. Angelegt wird in der Regel skandinavisch, also mit Bug am Steg und Muring am Heck.

Der Kanal
2014 dauerte die Saison am Dalslandkanal vom 9.6. bis zum 24.8., die Daten für 2015 standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest, werden sich aber in ähnlichem Zeitrahmen bewegen. Die Kernbetriebszeiten an den Schleusen sind von 9 bis 19 Uhr und 10 bis 16 Uhr (sonntags), vereinzelt auch länger. Die Kosten für die Kanalnutzung richten sich nach Bootsgröße und Schleusenanzahl: Für ein Boot von 5,00 bis 7,99 m Länge kostet jede Schleusenkammer 85 schwedische Kronen (etwa 9,30 Euro), ein Hin- und Rückfahrtticket für den gesamten Kanal dagegen 2500 Kronen (etwa 270 Euro). Weitere Infos: www.dalslandskanal.se

Die Anreise
Die Distanz von Kiel bis zum Kanalbeginn am Vänern beträgt auf dem Wasser etwa 400 sm (740 km), inklusive Trollhättankanal. Wer Zeit hat, kann den Dalslandkanal auch als Abstecher bei einem Törn über den Götakanal einplanen. Für Skipper mit Auto und Trailer sind es auf dem Weg über Dänemark und Südschweden ab Lübeck etwa 740 km und ab Rostock etwa 680 km. Slipanlagen und Stellplätze sind in allen größeren Orten vorhanden.

Charter
Auf dem Dalslandkanal bietet die Betreibergesellschaft eine in Köpmannebro stationierte Nimbus 2600 an. Das 8,45 m lange Kajütboot verfügt über zwei Kabinen mit je zwei Kojen und einem Zusatzschlafplatz im Salon. Die Wochenpreise liegen zwischen 10 000 SEK (1100 Euro) und 14 995 SEK (1640 Euro). Als Befähigungsnachweis wird ein amtlicher Sportbootführerschein benötigt. Kontakt: Dalslands Kanal AB, Nils Ericsons väg 1, Upperud, SE-46472 Håverud. Tel. 0046-530-447 50. www.dalslandskanal.se