Nun geht es zurück nach Süden, Richtung Göteborg. Und auch die Sonne ist jetzt da: Nach einer Woche Sturm und Regen mitten im Juli hat der Svensk sommar doch noch Einsehen mit der unserer Crew vom Cruising Club der Schweiz. Besser spät als nie!
Eigentlich hätten wir uns nach dem Aufbruch von den Väderöarna gleich weiter südlich halten können, aber Fjällbacka ist Pflichtprogramm – auf besonderen Wunsch von Isabelle, die ein Fan der Krimis von Camilla Läckberg ist. Denn die Erzählungen spielen, von der „Meerjungfrau“ bis zum „Leuchtturmwärter“
Da es noch früh ist und die „Rolling Swiss 2“ bereits auf den Schärengürtel zuhält, legen wir einen Zwischenstopp ein: den Naturhafen in Lee der Insel Gluppö. Ein perfektes Hufeisen aus blankem Fels, zum Ankern ausreichend flach, aber sogar mit Murings versehen. Ein sehr schöner Ort, besonders an schönen Tagen. Ein Hauch Ägäis in Schweden. Warm streicht der Wind über die Bucht. 35 Meter Kette stecken wir auf zehn Meter Wassertiefe aus, dann liegen wir ruhig. Etwa ein Dutzend Yachten leisten uns Gesellschaft. Endlich Zeit für das lange versprochene Toast Skagen und einen Ausflug mit dem Dingi. Ziel ist eine kleine sandige Sichel zu Füßen der Felsen im Norden, wie gemacht zum Baden.
Wir gehen erneut ankerauf und schlängeln uns durch die Schären, Dyngön, Hjärterön und Valön – dass jemand für alle diese Inseln Namen gefunden hat – bis plötzlich hinter einer weiteren Windung des Fahrwassers Fjällbacke in Sicht kommt, der Kirchturm mit den weißen Häusern, dem imposanten Kliff des Vetteberget und den dichten Masten des Yachthafens davor. Einen Platz hat Skipper Marc diesmal nicht reserviert, am langen Außensteg kommen wir aber zwischen einer Beneteau aus Hobro und einer Stahlketsch vom Ijsselmeer unter. Später bekommen auch wir noch einen Nachbar ins Päckchen, eine Bavaria mit einer weiteren netten norwegischen Familie. Viele Touristen sind unterwegs nach dem fantastischen Wochenende. Man hört Norwegisch, Italienisch, natürlich Deutsch. Die Bootscrews heben sich im Outfit klar ab: Offshorejacken und Bordstiefel sprechen für sich.
Durch die Kungsklyftan geht es auf den Vetteberg. Zuerst führen ein paar Treppen an den Felsen heran, dann beginnt die Klamm – und die ist wirklich eindrucksvoll, kaum zwei Meter breit, mit Geröll am Boden, rechts und links lotrechte Wände, bestimmt zehn Meter hoch, ein echter Riss im Berg. Weiter hinten haben sich sogar große, von oben gestürzte Blöcke verkeilt und bilden so etwas wie ein natürliches Portal. Noch ein paar hölzerne Treppen, dann bin ich oben, immerhin 84 Meter. Das Plateau hat eine gewisse Größe, die von einem Rundweg erschlossen ist. Hjällristningar gibt es hier, Steinbilder, die weit verbreitet sind im Süden von Schweden, auch ein Grab aus der Bronzezeit. Vom Aussichtspunkt an höchster Stelle gehe ich bis an die Kante der Schlucht, Fjällbacka unter mir.
Auch am nächsten Morgen machen wir einen Zwischenstopp: Vor der unbewohnten Insel Stenholmen werfen wir in der flachen Bucht auf der Nordseite den Anker und machen einmal mehr das Dingi klar; als Isabelle im Internet Infos zu Camilla Läckberg in Fjällbacka gesucht hat, erfuhr sie nebenbei, dass auf diesem kleinen Eiland Gorch Fock beerdigt ist. Wir wären glatt vorbeigedampft, obwohl sogar Google Maps den Ort markiert hat. Wieder kommt das Dingi zum Einsatz, doch der Grund der Bucht ist so bewachsen, so dass wir paddeln müssen bis zum seichten Strand. Spuren anderer Besucher in letzter Zeit suchen wir vergebens, nur von den zahlreichen Wildgänsen gibt es Hinterlassenschaften.
Die Schäre hat nur ein paar hundert Meter Durchmesser, doch es gibt einen schwach erkennbaren Pfad, der sich durch Felsen und Heidekraut hinaufwindet, bis das Land schon wieder auf der anderen Seite abfällt. Und dort liegt der kleine deutsche Soldatenfriedhof, eingefasst mit einem ordentlichen Rechteck aus Bruchstein. Ein gutes Dutzend Grabsteine stehen hier.
Die meisten Toten fielen in der Skagerrakschlacht im Mai 1916. Auch Gorch Fock, als sein Schiff, der Kleine Kreuzer SMS „Wiesbaden“, zwischen die Schlachtreihen der beiden Flotten geriet und im Stahlhagel unterging. Nur ein Mann von knapp sechshundert überlebte. Der tote Dichter aus Finkenwerder – oder Finkenwärder, wie es auf dem Stein heißt, trieb mehr als 150 Seemeilen durch die Nordsee bis er auf den Väderöarna gefunden und hier in Schweden bestattet wurde. Eine Tafel, aufgestellt von der Besatzung des Lübecker Dampfers „Dora“ am 1. Juli 1920, schickt den Gefallenen „Heimatsgruss“. Ein einsamer, schöner Ort.
Eine knappe halbe Stunde später rasselt unsere Kette zurück in den Kasten und wir sind wieder auf Südkurs, auf jener Strecke, die wir schon auf dem Hinweg gekommen sind. So passieren wir erneut den Hamburgsund, dann den Sotekanalen und schließlich die hohe Smögenbron.
Als wir in den langgestreckten Gästhamn von Smögen einlaufen, ist die Promenade voller Menschen, die Geschäfte, Bars und Restaurants des beliebten Urlaubsortes geöffnet. Knapp einen Kilometer zieht sich die hölzerne Smögenbryggan am Fels entlang, flankiert von weißen Holzhäusern. Davor in langer Reihe die Murings. Die erkennbaren Lücken sind natürlich reserviert. Wir drehen noch eine Runde und werfen einen zweiten Blick in das noch schmalere nördliche Ende des Hafens, wo man schon im Päckchen liegt. Da entdecken wir doch noch eine Möglichkeit, eine einzelne Motoryacht mit Fender an der Seite - der vielleicht letzten Platz im Hafen.
Zwei Landleinen vorn und achtern, und wir liegen gut an einer Sessa, erneut aus Norwegen. Eigentlich der perfekte Spot, weit weg vom Rummel weiter vorn und ganz nah an den bunten Fischerhütten am Ende des Beckens. Bevor es an den kommenden beiden Tagen mit langen Etappen zurück nach Göteborg gehen wird, sind wir felsenfest entschlossen, das schlechte Wetter und die dadurch verlorene Zeit zu Beginn des Törns an diesem goldenen Abend jetzt vollständig vergessen zu machen. Es fällt uns leicht. So ist er eben, der schwedische Sommer!