Viele Seegras-Lebensräume in den Weltmeeren sind zerstört worden oder gehen rapide zurück. In Schweden hat man daher ein neues Projekt gestartet: Wer im Stockholmer Schärengarten unterwegs ist, kann über seine Karten-Apps Ankerplatz-Informationen über besonders schützenswerte Buchten abrufen. Die Initiative verbindet wissenschaftliche Daten mit praktischer Anwendung, um das Umweltbewusstsein und den Schutz mariner Ökosysteme zu fördern.
Der Stockholmer Schärengarten beherbergt unter seiner malerischen Oberfläche empfindliche biologische Schätze. In geschützten Buchten wie auf der Insel Torö verbergen sich schimmernde Seegraswiesen - Lebensräume für Arten wie den Großen Pfeifenfisch und den Breitnasenpfeifenfisch. Diese flachen Küstenstreifen gelten als Kinderstube der Ostsee und bieten Laichplätze für Fische wie Hecht und Barsch. Doch unvorsichtige Bootsfahrer können diese sensiblen Ökosysteme unbeabsichtigt schädigen.
Sofia Wikström, Meeresökologin am Baltic Sea Centre der Universität Stockholm, erklärt: "Studien aus anderen Teilen der Welt, zum Beispiel aus dem Mittelmeerraum oder von den Küsten der USA, zeigen, dass das Seegras durch Sportboote erheblich gefährdet ist. Ihre Anker und auch die Verwirbelungen, die von den Propellern hervorgerufen werden, hinterlassen bleibende Narben am Meeresgrund." Diese Erkenntnisse veranlassten die Forscher, die Situation in der Ostsee genauer zu untersuchen.
Die Forschung zeigt, dass besonders wellengeschützte Buchten anfällig für Schäden sind. In flachen Bereichen unter zwei Metern Tiefe sind die Ökosysteme schlecht für starke Wasserbewegungen gerüstet. Bootsverkehr wirbelt feines Sediment auf, trübt das Wasser und behindert die Photosynthese der Pflanzen. Anker und Propeller können Wasserpflanzen entwurzeln oder unter aufgewühltem Sediment begraben. Wikström betont: "Wenn eine Wiese beschädigt wird, kann der Meeresboden erodieren, was zu einer weiteren Schädigung führt. Hier in diesem Teil der Ostsee befindet sich das Seegras am Rande seines Verbreitungsgebiets und hat Schwierigkeiten, sich geschlechtlich fortzupflanzen." Daher dauere es sehr lange, bis sich Seegraswiesen regenerieren würden.
Um die Auswirkungen des Bootssports zu mildern, haben Forscher der Uni Stockholm in Zusammenarbeit mit der Bezirksverwaltung und dem schwedischen Sportbootverband eine innovative Lösung entwickelt. In Kooperation mit einem führenden Entwickler von Seekarten-Apps wurden spezielle digitale Overlays erstellt. Diese ermöglichen es Seglern, schützenswerte Bereiche in einer Bucht direkt in ihre herkömmliche Navigationskarte einzublenden.
Nähern sich Segler einem markierten Gebiet, erhalten sie in der App eine Aufforderung, auf Details zu klicken. Die Overlays zeigen, welche Pflanzen den Meeresboden bedecken und geben Anleitungen zum umweltschonenden Befahren des Gebiets. Empfehlungen umfassen niedrige Geschwindigkeiten, gerade Kurse zur Vermeidung von Sedimentaufwirbelungen und Hinweise zu geeigneten Ankertiefen. Sofia Wikström erklärt: "Ein Verbot wäre nur schwer durchzusetzen. Die Bereitstellung von Informationen ermöglicht es den Bootsfahrern hingegen, selbst fundierte Entscheidungen zu treffen."
Der im Frühjahr eingeführte kostenlose Kartendienst stößt auf positive Resonanz. Laut App-Entwickler Skippo finden 70 Prozent der befragten Nutzer die Informationen über sensible Unterwassergebiete wertvoll oder sehr wertvoll. Segler wie Anton Kalland nutzen die Umweltinformationen regelmäßig: "Ich möchte ankern, ohne den Meeresboden zu beschädigen. Die Karten helfen mir, empfindliche Gebiete zu erkennen."
Das Seekartenprojekt umfasst derzeit etwa hundert Orte im Stockholmer Schärengarten. Ziel ist es, die gesamte schwedische Küste zu erfassen, wobei man sich auf die wertvollsten Ökosysteme konzentrieren will. Sofia Wikström sieht Potenzial für eine internationale Zusammenarbeit: "Es gibt längst paneuropäische Kartierungsprojekte, die Kartendaten aus allen europäischen Meeren zusammenstellen. Wenn die EU-Kommission dies für wichtig genug hält, könnte sie Umweltdaten in diese Werke aufnehmen lassen."
Martin Wahl, Meeresökologe am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, hält es für vielversprechend, ähnliche Initiativen in Deutschland zu ergreifen. Er betont: "Wir müssen mehr miteinander reden. Unsere Forschung konzentriert sich auf Veröffentlichungen und nicht auf praktische Anwendungen." Wahl ist zuversichtlich, dass Segler die Umweltdaten nutzen würden, wenn sie zur Verfügung stünden. "Der meiste Schaden entsteht durch Unwissenheit, nicht durch bösen Willen", erklärt er.
Empfindliche Buchten sind von Natur aus oft wellengeschützt, mit schmalen oder mehreren Zugängen, manchmal mit einer Insel, die die Wellen abhält. Falls es außerhalb der Bucht wellig, aber innerhalb spiegelglatt ist, handelt es sich wahrscheinlich um ein empfindliches Gebiet.