Sjöfartsverket warnt vor umfangreichen GPS-Störungen auf der Ostsee

Hauke Schmidt

 · 28.06.2025

Der Kompass könnte auf der Ostsee wichtiger werden als der Kartenplotter
Foto: YACHT/Klaus Andrews
In einer jüngsten Warnung teilt das schwedische Sjöfartsverket mit, dass in weiten Teilen der Ostsee GPS-Störungen auftreten können. Die finnischen Behörden geben Handlungsempfehlungen.

Die Ostsee entwickelt sich zunehmend zu einem Gebiet hybrider Kriegsführung, wahrscheinlich ausgehend von russischen Militärstützpunkten. Auch steht die Schattenflotte im Verdacht, an der Störung von Satellitensignalen beteiligt zu sein. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Empfang zumindest zeitweise unterbrochen wird. Deutsche Marineeinheiten berichten bei Übungen in der Danziger Bucht von längeren Ausfällen der satellitengestützten Navigation. Dennoch ist das genaue Ausmaß der Störungen schwer einzuschätzen. Zivile Berichte stützen sich oft auf Flugzeugbeobachtungen, die kein klares Bild der Situation am Boden liefern, und militärische Informationen werden selten öffentlich geteilt.

Bisherige Berichte über Störungen der GNSS-Systeme:

Mit der kürzlich ausgegebenen Mitteilung weitet das Sjöfartsverket seine offizielle Warnung deutlich aus. Betroffen sind die südliche, zentrale und nördliche Ostsee sowie der Finnische Meerbusen und die Ålandsee. Laut Behördenangaben sind im Laufe des Frühjahrs vielfach GPS-Störungen gemeldet worden, weshalb man nun eine offizielle Warnung ausgibt, die auch über die Nachrichten für Seefahrer verbreitet wird.

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2024 haben sich die GPS-Störungen verzehnfacht

Ähnlich sieht es die finnische Verkehrssicherheitsbehörde Traficom. Auch sie warnt vor unzuverlässigem Satellitenempfang in finnischen Gewässern. Aus einem aktuellen Bericht geht hervor, dass sich die Anzahl der gemeldeten Störungen im letzten Jahr auf rund 2800 Vorfälle verzehnfacht hat. In diesem Frühjahr wurden bereits rund 630 Vorfälle gemeldet. Außerdem beschränken sich die Störungen nicht mehr auf den Flugverkehr.

In der Schifffahrt gab es vor 2024 kaum GNSS-Störungsmeldungen aus finnischen Hoheitsgewässern. Im Sommer 2024 traten GNSS-Störungen häufiger auf, insbesondere im östlichen Finnischen Meerbusen im Gebiet Kotka-Hamina, da dieses Gebiet nahe der russischen Grenze liegt und ein hohes Verkehrsaufkommen aufweist. Die Berichte über die GPS-Störungen stammen hauptsächlich aus der Berufsschifffahrt. Nur ein Bericht eines Seglers ist bei der Behörde eingegangen.

Wie man GPS-Störungen erkennt

Bei praktisch allen bisher bekannten Vorfällen handelt es sich um sogenanntes Jamming, sprich das vergleichsweise schwache Satellitensignal wird von einem leistungsstarken Störsender quasi übertönt. In der Praxis bedeutet das, der Empfänger kann die Signale nicht mehr auswerten und verliert die Satelliten. Da alle Systeme auf sehr ähnlichen Frequenzen arbeiten, betrifft das Jamming alle Systeme, es spielt also keine Rolle, ob man GPS, Beidou, Galileo oder GLONASS nutzt.

Je weniger Satelliten zur Positionsbestimmung verfügbar sind, desto ungenauer wird die Position, bis zum vollständigen Verlust der Satellitenverfolgung. Anzeichen sind eine springende Position von einigen 10 bis 100 Metern. Das ist in den üblichen Zoomstufen auf dem Plotter aber schwer zu erkennen. Springende Positionen verfälschen die Berechnung der Fahrt über Grund (SOG), daher sind ungewöhnlich schwankende Geschwindigkeitsanzeigen ein deutliches Indiz. Ebenso hilft ein Blick auf die Satellitenübersicht. Werden dort nur noch wenige Satelliten zur Navigation genutzt, liegt eine Störung nahe. Nicht vergessen sollte man, dass die GPS-Position auch von anderen Geräten genutzt wird, beispielsweise dem AIS. Selbst wenn das eigene Schiff noch eine saubere Position hat, kann das AIS-Signal einer anderen Yacht oder eines Frachters die falsche Position senden und daher an der falschen Stelle auf dem Plotter angezeigt werden.

Offensichtlich falsches AIS-Signal eines Schattenflotten-Tankers nahe der russisch-finnischen GrenzeFoto: Screenshot marinetraffic.comOffensichtlich falsches AIS-Signal eines Schattenflotten-Tankers nahe der russisch-finnischen Grenze

Was ist zu tun, wenn das GPS ausfällt

Für den Fall einer Störung des Satellitenempfangs haben Sjöfartsverket und Traficom eine Reihe von Handlungsempfehlungen herausgegeben. Sie richten sich nicht speziell an Segler, sind teilweise aber auch auf Yachten umsetzbar:

  • Seien Sie sich des Risikos bewusst: GNSS-Interferenzen können jederzeit und überall in der Ostsee auftreten. Am höchsten ist das Risiko im Finnischen Meerbusen.
  • Verfolgen Sie aktiv die Sicherheitswarnungen für den Seeverkehr!
  • Erkennen Sie Abhängigkeiten: Informieren Sie sich, welche Systeme an Bord auf GNSS-Daten angewiesen sind (z. B. Position, Kurs, Geschwindigkeit, Zeit).
  • Verwenden Sie alternative Systeme: Verwenden Sie regelmäßig Navigationsmethoden, die nicht von GNSS abhängig sind, wie Radar und Papier-/Elektronikkarten. Kreiselkompass und Logbuch nach Bedarf verwenden.
  • Erstellen Sie einen Notfallplan: Bereiten Sie alternative Verfahren für die Navigation bei GNSS-Störungen vor und üben Sie diese.
  • Erkennen von Störungen: Lernen Sie, GNSS-Interferenzen zu erkennen, sowohl Spoofing als auch Jamming.
  • Nicht alle Störungen bedeuten einen totalen Signalverlust, und bei Spoofing können die Navigationssysteme die gefälschten Informationen nicht erkennen.
  • Kennen Sie die Unterstützung entlang der Route: Berücksichtigen Sie in Ihrem Durchfahrtsplan die Stationen (z. B. VTS- und SRS-Zentren), die Sie kontaktieren können, wenn GNSS unzuverlässig wird.
  • Wechseln Sie zur Sicht- und Radarnavigation: Wenn GNSS beeinträchtigt ist, steuern Sie manuell. Wenn keine Kreiselinformationen verfügbar sind, verwenden Sie den Head-Up-Radar-Modus.
  • Deaktivieren Sie bei Bedarf Navigationsfunktionen, die eine Steuerkurseingabe erfordern.
  • Melden Sie Zwischenfälle: Benachrichtigen Sie die Behörden des Küstenstaates (z. B. VTS und SRS) über jede festgestellte Störung.
  • Achten Sie auf andere: Auch wenn Ihr Schiff nicht betroffen ist, können in der Nähe befindliche Schiffe von GNSS-Interferenzen betroffen sein.
  • Bleiben Sie wachsam und halten Sie sich bereit, zu helfen oder sich entsprechend anzupassen.

Studie aus Polen weist auf mobile Störsender

Bisherige Untersuchungen zu GPS-Störungen stützen sich auf individuelle Meldungen und die von Flugzeugen erfassten ADS-B-Daten, aus denen beispielsweise die Karten von gpsjam.org erstellt werden. Der große Nachteil daran: Aufgrund der quasi optischen Ausbreitung der Störsignale ist unklar, inwieweit der Empfang am Boden durch die in der Luft erfassten Signale behindert wird, denn die Reichweite eines bodennahen Störsenders wird unabhängig von dessen Sendeleistung durch die Erdkrümmung begrenzt.

Am Boden begrenzt die Erdkrümmung die Funkreichweite. Der Radiohorizont ist lediglich 15 Prozent weiter als der optische Horizont. Landgestützte Störsenden sind daher vor allem ein küstennahes Problem. Flugzeuge erfassen den Sender aus wesentlich größerer Entfernung.Foto: YACHT H.SchmidtAm Boden begrenzt die Erdkrümmung die Funkreichweite. Der Radiohorizont ist lediglich 15 Prozent weiter als der optische Horizont. Landgestützte Störsenden sind daher vor allem ein küstennahes Problem. Flugzeuge erfassen den Sender aus wesentlich größerer Entfernung.

In einer Studie, die zwischen Juni und Dezember 2024 von der Meeresuniversität Gdynia zusammen mit dem Privatunternehmen Gpspatron durchgeführt wurde, kam ein am Boden installierter Analyseempfänger zum Einsatz. Der Standort liegt etwa 35 Kilometer von Danzig und 120 Kilometer von der russischen Oblast Kaliningrad entfernt.

Die Wissenschaftler registrierten auch längere GPS-Störungen von über sieben Stunden, die ihrer Meinung nach die GNSS-gestützte Schifffahrt erheblich beeinträchtigten. Dabei stellten sie eine deutliche Verschlechterung der Positionierungsgenauigkeit fest, wobei die Fehler von ursprünglich 3 bis 5 Metern auf rund 36 Meter anstiegen. Laut der Untersuchung gibt es jedoch keine Verbindung zwischen terrestrischen GNSS-Störungen und Auswirkungen auf das Flugsicherungssystem ADS-B. Dies verdeutlicht die Nachteile, die beim alleinigen Einsatz luftgestützter Überwachungssysteme angesichts von Bedrohungen der bodennahen Infrastruktur entstehen.

Das Team berichtet zudem von "klaren Hinweisen auf mobile maritime Störquellen" in internationalen Gewässern. Diese zeigten Bewegungsmuster, "die mit Schiffen in der Ostsee übereinstimmen". Der Verdacht liegt nahe, dass auch Tanker der Schattenflotte als Sendestation eingesetzt werden. Zudem seien die Störsignale sehr komplex aufgebaut, was auf einen militärischen Ursprung deuten würde. Kommerzielle Systeme zur Störung von satellitengestützten Trackern hätten deutlich einfachere Signaturen.

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