Unbekannt
· 25.07.2017
Viele kennen die kroatische Küste. Doch nur wenige kennen das Novigrader und das Kariner Meer oder die Canyons des Velebit, wo einst Winnetou vor der Kamera stand.
Am südlichen Ende des Novigrader Meeres liegt an einem schmalen Fjord die Stadt Novigrad. Östlich von hier steigt sowohl schön als auch bedrohlich das Velebit-Gebirge bis auf 1757 Höhenmeter aus dem Meer empor. Hier wird der gefährliche Fallwind der Adria geboren, die Bora. Sowohl das Novigrader Meer als auch das benachbarte Kariner Meer sind über den Velebit-Kanal schiffbar mit dem offenen Meer verbunden.
Wir haben bei Offshore Boote in der Marina Kremik ein schnelles Festrumpfschlauchboot gechartert und es über Land nach Novigrad bringen lassen. Ziel unseres Törns sind das Novigrader und das Kariner Meer sowie der spektakuläre Canyon des Gebirgsflusses Zrmanja, der vermutlich noch nie Ziel eines Chartertörns war. Der Canyon der Zrmanja diente sowohl früher als auch heute als Kulisse für Westernfilme.
Bei Windstille und glattem Wasser steuern wir in Schleichfahrt von unserem Liegeplatz in Novigrad ins Novigrader Meer. Gerade wollen wir Gas geben, da rumst es an unserem Bug. Sind wir aufgelaufen? Bei 20 Metern Tiefe ist das kaum möglich. Das Boot schwimmt weiter. Plötzlich rumst es von Steuerbord. Dann ein Schlag an Backbord. Sind wir in Treibgut gefahren?
Ich will es herausfinden und lehne mich am Bug über Bord. Plötzlich bekomme ich eine Dusche mitten ins Gesicht. Ein Tier in Menschengröße verschwindet unter mir. Ich sehe nur noch eine große Schwanzflosse, die an einer Seite eine kleine Verletzung hat. Sie ist so nahe, dass ich sie berühren kann. Es ist ein Delfin. Er kommt zurück und legt sich am Heck unter den Motor. Wir schalten die Maschine sofort aus, um ihn nicht zu verletzen. Wieder stößt er leicht gegen das Boot, als wolle er es anschieben. Zum Atmen taucht er abwechselnd an Backbord oder Steuerbord nur wenige Zentimeter aus dem Wasser.
Adria-Delfine sind inzwischen eine seltene Spezies, und ich weiß, dass man jeden Kontakt melden sollte. Aber wo? Ich rufe in der Rezeption unseres Hotels "Castrum Novum" an. Es steht hundert Meter entfernt von hier am Strand.
"Hat der Delfin eine kleine Verletzung am Schwanz?", werde ich routiniert gefragt. "Jaja!", antworte ich dagegen ganz aufgeregt. „Ach so“, erwidert die Gegenseite nur wenig überrascht. „Das ist Bobi. Den kennt hier jeder. Der spielt mit Kindern am Strand. Am liebsten mag er schnelle Schlauchboote und Jetskis“.
"Wir können nicht weiterfahren, weil er direkt unter unserem Propeller herumschwimmt." "Geben Sie mal richtig Gas. Das mag er." Na, das ist ja ein Ratschlag! Etwas verunsichert starten wir den Motor und legen den Gang ein. Besorgt sehe ich nach Bobi. Er bleibt unter dem Propeller. Wir fahren schneller. Spielend verfolgt er uns und bleibt dabei im Schraubenwasser am Heck. Ich habe immer noch Angst, das Tier zu verletzen, nehme das Gas weg und kuppele aus. Bobi rumst wieder seitlich gegen das Boot. Ist das seine Aufforderung zum Gasgeben? Wir kuppeln ein und geben Speed. Bobi verfolgt uns, überholt und springt vor dem Boot aus dem Wasser.
Wir versuchen den Delfin zu ignorieren und fahren westwärts nach Posedarje. Wahrzeichen des Ortes ist die auf einer kleinen Insel stehende Kapelle aus dem 15. Jahrhundert, die nur bei Niedrigwasser über einen schmalen, steinigen Pfad erreichbar ist. Wir steuern den kleinen Hafen an und nehmen die Fahrt aus dem Boot. Bobi kommt kurz aus dem Wasser, als wolle er sich von uns verabschieden. In den Hafen will er offenbar nicht mit, was uns bei dem Leinengewirr nicht weiter wundert. Obwohl der Hafen neu ausgebaut wurde, ist er weitgehend mit einheimischen Booten belegt. Mit unserem RIB schieben wir uns irgendwo dazwischen.
In der Umgebung von Posedarje wird angeblich der beste Pršut, der berühmte dalmatinische Schinken, produziert. Mit heimischen Kräutern geräuchert, wird er einen Winter lang in die Bora gehängt. Am Hafen gibt es drei Bars, in denen Männer Bier oder Wein trinken. Ein etwas weiter hinten liegendes Restaurant hat geschlossen. Wir können weder Pršut probieren noch etwas anderes zum Essen. Angeblich soll es aber in Vinjerac eine gute Konoba namens "Pece" geben.
Vinjerac liegt nicht mehr am Novigrader Meer, sondern schon am Velebit-Kanal, also entgegengesetzt von unserem Heimathafen. Da es bereits dämmert, ist uns das zu weit. Etwas enttäuscht fahren wir im Sonnenuntergang zurück nach Novigrad. Es ist schon dunkel, als wir die Ansteuerung des Fjords erreichen. Zwischen den Lichtern der Stadt können wir zunächst das schwache rote Feuer der Hafeneinfahrt nicht finden und stoppen auf.
Wieder kriegt unser Boot einen Schubs, und ein kleiner Spaut schießt in die Luft. Bobi, wir hatten dich schon fast vergessen! Schlaf gut. Morgen sehen wir uns wieder.
Im Computer des Hotels suche ich bei Google nach "Delfin Bobi" – und finde eine ganze Reihe von Zeitungsartikeln, Webseiten, TV-Sendungen und privaten Videos, die über unseren anhänglichen Begleiter berichten. Bobi ist tatsächlich der prominenteste Bewohner der Region.
Morgens starten wir wieder an der Promenade von Novigrad. In der Ausfahrt auf das Novigrader Meer geben wir kurz Gas und halten dann an. Es dauert keine Minute, da ist Bobi an unserer Seite. Wir fahren nach Norden, wo der eindrucksvolle Canyon Novsko Ždrilo den Abfluss des Novigrader Meeres in den Velebit-Kanal bildet. In zehn Minuten Gleitfahrt haben wir das Novigrader Meer überquert und stehen an der Einfahrt des Canyons. Bei 27 Knoten haben wir Bobi sicher abgehängt – glauben wir. Am Ostufer gehen wir an der neuen Mole von Maslenica längsseits und trinken in der Bar auf der Pier einen Kaffee.
Als wir mit vorgeschriebenen acht Knoten den Canyon passieren, ist der Delfin wieder da. Der Wechsel vom schwach salzigen Novigrader Meer in den Velebit-Kanal, der so salzig ist wie die Adria, scheint ihm nichts auszumachen.
Die Schifffahrtsstraße schneidet sich tief durch das Gebirge und wird von zwei hohen Brücken überspannt. Wir erreichen den Velebit-Kanal, der vor allem wegen der Bora gefürchtet ist. Aus diesem Grund wagen sich nur wenige Charterboote hierher. Segelyachten sieht man ganz selten. Kleine, schnelle Motorboote schon eher, weil sie bei aufkommender Bora schnell wegfahren und sich verkriechen können.
Der Hafen von Vinjerac liegt im Süden des Velebit-Kanals und ist durch eine hohe Mole geschützt. Wir legen mitten im Hafen vor einer Weinstube an. Der freundliche Wirt sagt, dass alle Liegeplätze belegt seien. Nur an der Mittelmole könne man außen an der Nordseite festmachen – sofern kein Ausflugsschiff kommt. Wir verholen auf den angewiesenen Platz und machen komfortabel mit Muringleine fest.
Die empfohlene Konoba "Pece" liegt 300 Meter entfernt an der Südseite der Hafenbucht auf einer Anhöhe. Vom Tisch des Lokals haben wir einen schönen Blick über den Hafen. Es beginnt zu regnen. Bei dem Wetter wird kein Ausflugsdampfer kommen. Bei leckerer Fischsuppe sowie Scampis in Dijon-Senf genießen wir das schöne Ambiente und den guten Service des "Pece".
In einer Regenpause steigen wir ins Ölzeug und motoren zurück nach Novigrad. Inzwischen kennen wir uns auf dem kleinen Meer aus und finden uns ohne die schwachen Leuchtfeuer zurecht. Von Bobi sehen und hören wir an diesem Abend nichts mehr, wahrscheinlich hat er sich schlafen gelegt.
Vom Novigrader Meer kommt man durch die Meerenge Karinsko Ždrilo ins Kariner Meer. Ganz im Süden liegt das Dorf Karin Gornij, was so viel heißt wie "Oberes Karin". Davor schwojen kleine Motor- und Segelboote an ihren Bojen. Kein Platz, der zum Anlegen einlädt. Wir versuchen es eine knappe Meile weiter südwestlich in Donji Karin (Unteres Karin). Hier liegt das Franziskanerkloster Karin, das dem Ort seinen Namen gab. Und hier mündet der Fluss Karin in das gleichnamige Meer.
Wo anlegen? Wind und Wellen von achtern schieben uns Richtung Ufer. Dort liegen Boote an selbst gebastelten Stegen. Das Wasser wird flacher. Der Grund ist schon zu sehen, und die kurzen Wellen schlagen immer härter gegen das Heck. Jetzt bloß nicht in Legerwall aufsetzen!
Skipperin Siegrun schaltet auf Leerlauf und trimmt den Außenborder nach oben. Wir treiben – und es wird immer flacher. Mit langsamer Rückwärtsfahrt versuchen wir, eine Strandung zu vermeiden. Da sehen wir am Ufer bei den Booten einen alten Mann, der uns Handzeichen gibt. Wir folgen seinen Anweisungen. Plötzlich schwimmen wir wieder in tiefem Wasser.
Langsam und ohne Risiko nähern wir uns dem Ufer von Donji Karin. Der Mann lotst uns durch den schmalen Korridor einer tiefen Fahrrine. Daneben stehen die Möwen auf Sand. Wir erreichen das Ufer vor dem Kloster und gehen bei einem Angelkahn längsseits. Doch der freundliche Lotse, bei dem wir uns bedanken wollen, ist plötzlich verschwunden.
An der Mündung der Karin steht das Franziskanerkloster. Wir wollen uns dort erkundigen, ob wir den Fluss hochfahren können. Vielleicht treffen wir unseren Helfer, der uns durch die Untiefen lotste. Wir klopfen an der Pforte, doch niemand öffnet. Sicher hat man uns in dem fremden Boot längst gesehen? Doch niemand lässt uns ein. Eine Seitentür führt jedoch in eine Kapelle, wo Kerzen brennen. Eine berührende Stille durchdringt den Raum. Im Klostergarten verabschieden wir uns dafür von den Katzen und danken im Stillen, dass uns ein Unbekannter einen sicheren Weg durch die Untiefen zum Kloster zeigte.
In diesem Fahrwasser verlassen wir den heiligen Ort wieder und steuern zurück auf das Kariner Meer. Einmal den Hebel nach vorn gelegt, erreichen wir in zehn Minuten den Sund, der die Verbindung zum Novigrader Meer bildet. Es wird bald dunkel werden. Wir suchen deshalb ein Lokal, wo wir entspannt anlegen können. Im Fjord zwischen beiden Meeren entdecken wir im kleinen Ort Ribnica das Schild eines Restaurants mit Namen "Duje". Wir steuern rückwärts an die Pier und angeln uns eine Muringleine. Der junge Besitzer Duje Perica lässt uns seinen Hauswein probieren und empfiehlt eine Fischplatte.
Alles sei frisch gefangen, versichert Duje und erzählt stolz, dass in der Saison bis zu zehn Motoryachten bei ihm liegen. "Wir haben Strom und Wasser. Und wenn jemand Diesel braucht, bestellen wir einen Tankwagen."
Die üppige Platte aus gegrillten Fischen, Kalamaris und Mangold-Kartoffeln schmeckt hervorragend. Nachts legen wir ab, um zurück nach Novigrad zu fahren. Kaum haben wir die Meerenge Karinsko Ždrilo verlassen, begrüßt uns Bobi erneut und schubst gegen unseren Bug. Wir geben Gas. Im Mondlicht ist der Delfin an unserer Seite. Als wir in Novigrad unseren Liegeplatz ansteuern, patscht er einmal mit der Schwanzflosse aufs Wasser und verabschiedet sich so auf seine Weise.
Das Novigrader Meer hat einen so geringen Salzgehalt, weil ein Gebirgsfluss klares, smaragdgrünes Süßwasser einbringt. Nur wenige Bootsleute kennen den Fluss mit dem schwer auszusprechenden Namen Zrmanja. Wer die Karl-May-Filme "Der Schatz im Silbersee" oder "Im Tal der Toten" gesehen hat, wird sich an schroffe Canyons mit atemberaubenden Wasserfällen erinnern.
Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand ritten dabei aber nicht, wie man glauben soll, durch einen Canyon im Wilden Westen Amerikas. Entstanden sind diese eindrucksvollen Szenen hier.
Schon seit 50 Jahren werden viele Indianerfilme, insbesondere jene nach den Vorlagen von Karl May, im Velebit gedreht. Die Zrmanja bildet dabei eine Western-Kulisse wie aus dem Bilderbuch: rote Canyons mit steilen Felswänden, wilde Stromschnellen und Wasserfälle sowie eine einsame, vom Menschen wenig berührte Gebirgslandschaft.
Unseres Wissens wagte sich noch nie eine Chartercrew den Fluss hinauf bis zu den Wasserfällen. Wir wissen auch nicht, ob es möglich ist. Aber wir haben ein Boot, das dafür geeignet scheint. Es ist leicht, mit 175 PS so kraftvoll motorisiert, dass wir es auch mit starkem Strom aufnehmen können, und so flach, dass wir auch unter niedrigen Hindernissen hindurchkommen.
Im Nordosten des Novigrader Meeres nehmen wir die Einfahrt in den Canyon der Zrmanja. Wir verabschieden uns von Bobi und steuern ins Gebirge hinein. Die Landschaft beeindruckt uns gewaltig: Eingerahmt von 200 Meter hohen Felsen, hat sich der Strom über Jahrmillionen einen Weg durch den schroffen Karst gebahnt.
Von der Mündung bis hinauf nach Obrovac ist die Zrmanja als Wasserstraße mit roten und grünen Spieren gekennzeichnet. Eigentlich sollen Ranger am Eingang des Canyons Eintritt kassieren. Doch niemand ist zu sehen. Von der Gebirgslandschaft gefesselt, tuckern wir die vorgeschriebenen acht Knoten bergauf.
Plötzlich schießt von vorn ein kroatisches Boot in Gleitfahrt an uns vorbei. Ist das Tempo-Limit aufgehoben? An einer engen Stelle schiebt sich von achtern ein Ausflugsschiff mit Bugwelle hinter uns her. Der Skipper signalisiert mit eindeutiger Handbewegung, dass wir schneller fahren sollen. Okay, ein Verkehrshindernis wollen wir nicht sein. Wir geben kurz Gas und machen den Weg frei. Danach halten wir uns wieder an die vorgeschriebenen acht Knoten.
Nach zehn Kilometern sehen wir die Kirchturmspitzen von Obrovac und darüber die Reste einer antiken Festung. Aus der Nähe zeigt sich allerdings, dass die Stadt wenig anheimelnd ist. Die Ufer der Zrmanja sind mit Neubaukästen verunstaltet. Reste der Altstadt sind teilweise desolat und unbewohnbar. Aber es gibt eine schöne neue Uferpromenade mit Edelstahlringen zum Festmachen und Säulen für Strom und Wasser.
Vor dem Riva Rafting Centar legen wir an und fragen, wie weit der Fluss oberhalb von Obrovac noch befahrbar ist. Die freundlichen Damen, die Rafting-Touren auf der oberen Zrmanja verkaufen, erklären:
"Auf jeden Fall bis zu den zerfallenen Wassermühlen beim Jankovića buk. Wenn Sie mutig sind, schaffen Sie es bis zum Wasserfall."
Eine Schifffahrtskarte, die den Weg dorthin beschreibt, gibt es nicht. Aber wir erfahren zumindest, dass die Zrmanja ab der Brücke in Obrovac weiterhin befahrbar ist. Zum Abschied sagt eine der beiden Damen warnend:
"Das ist keine offizielle Schifffahrtsstraße mehr. Sie werden ganz auf sich allein gestellt sein."
Im Mini-Markt bunkern wir Lebensmittel und Trinkwasser. Sprit haben wir genug. Mit eingezogenen Köpfen passieren wir die Brücke von Obrovac. Hier endet die gekennzeichnete Wasserstraße. Nach der nächsten Flussbiegung lassen wir die Stadt, die moderne Zivilisation und die letzten Tonnen im Kielwasser zurück.
Das Handy-Netz bricht ab. Die Felswände werden steiler, der Strom immer schneller. Sicherheitshalber nehmen wir die Außenradien des Flusses.
Anfangs fahren wir noch zögerlich. Allmählich fühlen wir uns sicherer und geben Gas. Das Wasser ist so kristallklar, dass wir am Ufer mindestens zwei Meter tief sehen können. Wir müssen immer schneller fahren, um nicht zurückgetrieben zu werden.
Keine Straße ist zu sehen, kein Trampelpfad, keine Stromleitung oder sonst etwas, was auf eine menschliche Besiedlung hinweist. Wir sind im schwer zugänglichen Velebit angekommen. Hier in dieser Wildnis leben noch Bären und Wölfe. Je tiefer wir in die Schlucht vordringen, desto reißender wird die Zrmanja. Doch die 175 Pferde unseres Außenborders schaffen den Weg bergauf locker.
Besuch gab und gibt es jedoch immer wieder von den Filmcrews: In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurden hier die Kino-Western nach Buchvorlagen von Karl May produziert. Viele werden sich an Filmplakate erinnern, auf denen Winnetou über Gebirgskämme reitet oder samt Pferd "Iltschi" vor einem reißenden Wasserfall posiert. Diese Bilder vom "Wilden Westen" entstanden am Fluss Zrmanja.
Der Apachen-Häuptling Winnetou wurde damals vom legendären Darsteller Pierre Brice gespielt. In die Rolle seines Blutsbruders Old Shatterhand schlüpfte der Amerikaner Lex Barker. Von ihm soll der Spruch stammen, dass die schönsten Western-Landschaften nicht in Amerika, sondern in Jugoslawien zu finden seien. Die Canyons im Velebit dienen noch heute als Kulissen für Indianerfilme: Im Sommer 2015 drehten hier RTL und die Rat Pack Filmproduktion drei Karl-May-Klassiker. TV-Premiere soll zum Jahresende 2016 sein.
Nach einer S-Kurve spüren wir Sprühnebel im Gesicht. Überall in der Luft schwebt feiner Regen. Ein Rauschen übertönt den Motor. Seitlich sehen wir die Reste eingefallener Gebäude, aus denen sich kleine Wasserfälle ergießen. Sind wir bei den alten Wassermühlen angekommen?
Unter uns sprudelt das Wasser so weiß, als würde es kochen. Das Boot ist nur noch mühsam auf Kurs zu halten. Vor uns eine fünf Meter hohe weiße Wand aus Wasser. Hier muss es sein, wo Winnetou und Old Shatterhand sich trafen. Wir fahren so weit wir können mit dem RIB an das stürzende Wasser heran. Wir sind in Jankovića buk angekommen. Es ist atemberaubend schön und Adrenalin pur. An diesem Wasserfall beginnen in den alten Filmen die Jagdgründe der Apachen.
Weiter bergauf fahren geht nicht mehr, zumindest nicht mit einem motorisierten Schlauchboot. Doch wir können uns kaum sattsehen. Als die Felsspitzen lange Schatten werfen, wenden wir das Boot und rauschen mit der Strömung zurück zu Tal. Schneller als gedacht sind wir in Obrovac und legen wieder vor dem Riva Rafting Centar an. Diesmal ist deren Skipper da. Toni gratuliert uns: "So weit nach oben hat sich noch nie ein Charterboot getraut."
Und nach einer Pause fügt er hinzu: "Die Filmlandschaft beginnt erst am Wasserfall bei den alten Mühlen." Wir sehen ihn fragend an. "Weiter oben, am Zusammenfluss von Zrmanja und Krupa, ist es noch wilder und schöner. Da liegt das wahre Indianerland." "Wie kommen wir dorthin?", fragen wir wie aus einem Mund. "Nicht mit euren RIB", lacht Toni. "Winnetou hatte auch keinen Außenborder. Seid morgen um 10 Uhr hier, dann machen wir eine Bootsfahrt, bei der wir keinen Motor brauchen."
Wir fahren abends zurück die Zrmanja runter und über das Novigrader Meer zu unserem Hotel in Novigrad. Für den Abend haben wir eine Peka in der Konoba "Maslina" bestellt. Die Besitzerin Bernarda fährt uns vier Kilometer hoch in die Berge über Novigrad. Im Dorf Pridraga steht ihre Konoba, in der es die beste Peka der Region geben soll. Das Geheimnis dieses traditionellen Gerichts besteht darin, dass das Fleisch vier Stunden lang in einer gusseisernen Kasserolle unter der Glut von Holzkohle vor sich hingart.
Als Vorspeise bekommen wir den berühmten Pršut vom Novigrader Meer. Als Bernarda den Deckel der Peka öffnet und einen Schuss Rotwein hineingibt, zieht ein verführerischer Duft über das Hochland zwischen Novigrader und Kariner Meer.
Früh am Morgen motoren wir die inzwischen bekannte Strecke die Zrmanja bergauf bis zum Riva Rafting Centar in Obrovac. In Tonis Auto fahren wir 20 Kilometer über schmale Gebirgspässe nach Kaštel Žegarski am Ufer der hier noch schmalen Zrmanja. Toni steckt uns in Neoprenanzüge und Schwimmwesten, gibt jedem ein Paddel und einen Schutzhelm.
Das Rafting-Boot schießt sofort los mit unglaublichem Speed. Drei Stunden dauert der Wildwasser-Törn über Stromschnellen und kleine Wasserfälle. Als wir in Obrovac ankommen, sind wir komplett erschöpft – und haben Hunger wie Bären aus dem wilden Velebit. Oberhalb von Obrovac liegt zum Glück das Gut Mićanovi Dvori, wo wir uns umziehen können. Im Weinkeller erholen wir uns bei dalmatinischem Schinken, Schafskäse und einem feurigen Plavac Mali.
Nachts motoren wir zurück über Zrmanja und Novigrader Meer. Kurz vor Novigrad nehmen wir das Gas weg. Bobi ist wieder an unserer Seite. Bis in den Hafen hinein zum Liegeplatz eskortiert er unser RIB. Ob er ahnt, dass dies unser letzter gemeinsamer Törn war? Ein wenig Wehmut schwingt mit, als wir von unserem treuen Begleiter der vergangenen Tage Abschied nehmen müssen. ▪