TörnSchwedische Südküste - Die Hanöbucht: Felsenfest

Unbekannt

 · 03.10.2016

Törn: Schwedische Südküste - Die Hanöbucht: FelsenfestFoto: Christian Tiedt
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Auf dem zweiten Abschnitt unseres Sommertörns folgen wir der schwedischen Südküste, von den Schären Blekinges zu den Stränden Schonens.

Ein kahler Felsen, der so flach wirkt, als wenn die Wellen des ersten Wintersturmes mühelos über ihn hinwegbranden würden. Doch darauf steht der Leuchtturm, gestützt von rot gestrichenem Stahlgitter. Ein paar gelbe Häuser leuchten matt im diesigen Zwielicht, und weiter hinten, nadelfein, ragen die Masten einiger Segelyachten auf. So sehen wir Utklippan zum ersten Mal.

Einer der ungewöhnlichsten Gasthäfen der Ostsee

Etwa zehn Seemeilen liegt dieser verlorene Außenposten vor der schwedischen Südküste, unbewohnt. Gäste gibt es durchaus: Bootscrews (im Sommer), wenige Fischer (im Winter), von Zeit zu Zeit ein paar Vogelbeobachter – und Scharen von Seevögeln. Ein Naturschutzgebiet, und einer der ungewöhnlichsten Gasthäfen der gesamten Ostsee.

Utklippan: Leuchtturm auf Södraskär
Foto: Christian Tiedt

Zwei Schären machen die Hauptfläche des Archipels aus. Selbst großzügig gerechnet, messen sie jeweils nicht mehr als 250 Meter im Durchmesser. Die nördliche der beiden, Norraskär, beherrbergt den Hafen, ein aus dem Granit gesprengtes Becken, etwas kleiner als ein Fußballfeld. Als Zufluchtsort für kleine Boote wurde es in den Vierzigerjahren angelegt. Der Leuchtturm und alle übrigen Gebäude drängen sich auf Södraskär zusammen.

Hinüber kommt man nur schwimmend oder mit dem Boot – entweder mit dem eigenen Dingi oder leihweise mit dem Ruderkahn, den der Svenska Kryssarklubben dafür freundlicherweise auf der Insel "stationiert" hat.

Eingeschränkte Bautätigkeit gibt es aber neuerdings auch auf Norraskär: Neben dem Ticketautomaten für das Liegegeld (pauschal 230 schwedische Kronen, immerhin 24 Euro) wurde ein bescheidenes WC-Häuschen aufgestellt.

Schon um 1690 brannte hier eine Feuerblüse

Am Abend setzen wir nach Södraskär über. Das Ausflugscafé scheint zumindest auf absehbare Zeit den Betrieb eingestellt zu haben, also geht es weiter zum Leuchtturm, dessen mächtige Tür ebenfalls fest verschlossen ist. Schon um 1690 brannte an gleicher Stelle eine Feuerblüse, um Schiffe vor dem Hindernis zu warnen. Der heutige Turm wurde 1870 errichtet, wie eine steinerne Inschrift verrät. Rund ein Jahrhundert später, als der Turm schließlich automatisiert wurde, verließ der letzte Leuchtturmwärter Utklippan.

Wir wandern weiter über die Insel. Nur wenige, vom Wind niedergedrückte Büsche haben auf dem gebuckelten und vom Gletschereis zerfurchten Felsen Halt gefunden. Ganz im Süden steht noch wie vergessen eine antiquierte Signalkanone und zielt auf See hinaus. Und dann ist sie ganz plötzlich da, lautlos, wie aus dem Nichts: eine Nebelbank! Zum Glück ragt schon nach wenigen Schritten zurück das schemenhafte Fundament des Turms vor uns auf, und auch der Steg ist bald erreicht. Der Weg über das Wasser ist nicht weit und wir erreichen die Einfahrt zum Hafen noch bevor die Dunkelheit einsetzt

Utklippan erwacht zum Leben

Die Nebel der Nacht haben sich am nächsten Morgen in Wohlgefallen aufgelöst und ein nahezu blauer Himmel spannt sich über Utklippan und seinem kleinen Wald an Masten. Schon früh schallen die ersten Kommandos durch das rechteckige Becken, Winschen sirren und "Flautenschieber" erwachen stotternd zum Leben. Viele Crews haben einen weiten Weg vor sich, und zumindest aus Seglersicht beginnt der Tag wenig vielversprechend. Denn zum ersten Mal seit unserem Törnbeginn vor gut einer Woche zeigt sich die Ostsee glatt und windstill.

Sonnenlicht funkelt auf der Meeresoberfläche, und selbst die kleinsten Kiesel, die nur wenige Zentimeter aus dem Wasser ragen, liegen trocken da.

Austernfischer und Heringsmöwen nutzen sie als Aussichtspunkt, und weiter draußen lassen sich einige Seehunde den prallen Pelz wärmen. Wir reihen uns in die Prozession der auslaufenden Yachten ein und verlassen diesen Außenposten. Obwohl es diesig bleibt, ist das hügelige Profil der Küste, kaum zehn Seemeilen voraus, bereits gut zu erkennen.

Der Kurs lautet Nordnordwest, Richtung Karlskrona – unser erster "richtiger" Landfall an der schwedischen Südküste. Die zweite Hälfte unseres Ostseetörns mit dem Cruising Club der Schweiz hat begonnen (Teil 1 mit Bornholm und den Erbseninseln: siehe hier).

König Karls Hafen

Karlskrona trägt den Namen ihres Gründers, Karl XI. Viel Bleibendes hat der Monarch, der von 1660 bis 1697 regierte, zwar nicht hinterlassen, doch das Kriegsglück zur See war Schweden damals ab-handen gekommen, und Land (und König) hatten einen Ruf als Herrscher der Ostsee zu verlieren. Also erging eine Ordre der Krone zum Bau eines Kriegshafens. Und auch wenn es inzwischen kaum noch eine nenneswerte Flotte gab, war ihre neue Heimat sehr gut gewählt.

Karlskrona liegt auf der Nordseite einer Bucht, die zur offenen See hin von vier großen bewaldeten Schären abgeriegelt wird. Nur die mittlere der allesamt sehr schmalen Durchfahrten ist für tiefgehende Schiffe passierbar. Auch uns führt das Hauptfahrwasser nun zwischen diesen beiden Inseln hindurch, Aspö an Backbord und Tjurkö an Steuerbord. Ein weiteres Hindernis für übereifrige Angreifer verrät nur die Seekarte: An der engsten Stelle wurde ein Sperrwall aufgerichtet, der bis dicht unter die Wasseroberfläche reicht. Zum Glück ist die kaum zwei Kabellängen weite Lücke durch zwei befeuerte Seezeichen eindeutig gekennzeichnet.

Dahinter öffnet sich die yttre reden, die Außenreede, mit dem markanten Leuchtfeuer "Godnatt", einem wuchtigen Festungsturm, dem kurzerhand ein winziges Laternenhaus aufs Kupferdach gesetzt wurde.

Vom Terminal auf der Insel Verkö an Steuerbord voraus kommt uns eine große Fähre entgegen. Wir halten uns nach Backbord, schlängeln uns zwischen ein paar Schären hindurch und gehen nur wenige Minuten später gleich am ersten, nach Nordosten weisenden Schwimmsteg der Karlskrona stadsmarina längsseits. Der Sportboothafen gehört zu den größten und am besten ausgestatteten im Revier. Die Gebühr von 260 Kronen (28 Euro) für unsere 13 Meter lange Trader wird am Steg kassiert. www.karlskronastadsmarina.se

Als die Russen auf Grund liefen

Von der Marina kommt man zu Fuß in einer Viertelstunde zum Stortorget, dem zentralen Platz. Zwei prachtvolle Barockkirchen bestimmen die Kulisse, die gerade aufstrebende Fredrikskyrkan und die Trefaldighetskyrkan mit Säulenfront und Kuppel – nur zwei der Baudenkmäler, die der Stadt auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes geholfen haben. In den Straßen rund um den Platz findet man Restaurants und Cafés für wirklich jeden Geschmack.

Schon bei halbwegs warmem Wetter spielt sich, typisch für Skandinavien, das meiste auf der Straße ab. Mediterranes Lebensgefühl im hohen Norden!

Zum steinernen UNESCO-Erbe gehört natürlich auch örlogsbas, die alte Flottenbasis aus Zeiten Karls XI., über die noch immer das bronzene Abbild seines Admirals Hans Wachtmeister wacht. Das alte Trockendock liegt zwar längst verwaist da, das Areal wird jedoch noch immer von Marine und Küstenwache genutzt. Hauptattraktion ist allerdings der moderne Bau des Marinmuseum, dessen Ausstellung viele Aspekte der schwedischen Seefahrtsgeschichte beleuchtet – von den segelnden Linienschiffen aus der Zeit König Karls bis zum Kalten Krieg, vor dessen Bedrohungen auch das neutrale Schweden nicht geschützt war.

So etwa im Oktober 1981, als das Unterseeboot "S-363" der Baltischen Rotbannerflotte nur unweit vor Karlskrona auf Grund lief.

Ein Fischer bemerkte den Havaristen, der darauf von der schwedischen Marine umzingelt wurde. Die Sowjets wollten von Spionage nichts wissen und gaben einen Navigationsfehler als Ursache an. Boot und Besatzung wurden schließlich freigegeben. Zweifel blieben jedoch, zumal ähnliche "Fehler" danach weiter passierten. www.marinmuseum.se

Im Irrgarten aus Felsen

Über den Västra fjärden und durch die Drehbrücke von Hasslö führt unser Kurs der Küste folgend weiter nach Westen. Der Wind ist in alter Frische zurück und bläst über die tiefblaue Ostsee. Wer den Kopf rausstreckt, hat schnell rote Wangen. Doch in Lee, im Schutz der Schären, herrscht Sommer.

Kaum ein Felsen, der keine Hütte mit Liegestühlen davor hat, oder einen Bootssteg, von dem Kinder baden.

Über rund 30 Seemeilen windet sich das Fahrwasser durch diesen felsigen Irrgarten. Ohne Plotter muss man genau aufpassen und Fernglas und Karte jederzeit zur Hand haben, um die Schwimmstangen, Baken und stählernen Türmchen voraus genau zu bestimmen und nicht vom rechten Weg abzukommen. Zum Teil liegen die mit Kiefern, Flechten und trockenem Gras bewachsenen Felsbuckel so dicht wie im Boköfjärden, südlich der Insel Tärnö.

Karlshamn kündigt sich schon von weitem an: ein hoher verruster Schlot am westlichen Ufer des Flusses Mieån dient als unverkennbare Landmarke.

In der Umgebung gibt es zwar mehrere Häfen im Grünen, doch wir entscheiden uns für den Anleger im Zentrum. Also runden wir die Bastionen der Festungsinsel Kastellholmen und laufen in den Fluss ein, links metallglänzende Industrieanlagen mit verschlungenen Rohranlagen, rechts die hellen Putzfassaden der Hamngatan mit patinagrünen Turmspitzen dahinter.

Ostseefestival in Karlshamn

An den Schwimmstegen des Stadthafens (www.karlshamn.se) ist noch genau ein Platz für uns frei. Purer Zufall, denn ebenso zufällig beginnt an diesem Abend das jährliche "Östersjöfestivalen", bei dem Karlshamn für ein langes Wochenende zum Besuchermagneten für die ganze Region wird – und da sind Liegeplätze heiß begehrt. Riesenrad und Rummel vor dem Rathaus, Rockbands live am Hafen, dazu viel zu essen und noch viel mehr zu trinken. Erleuchtete Pavillons, surround sound auf der Flybridge, rechts eine Azimut, links eine Sunseeker: schon wieder wie am Mittelmeer! Und eigentlich sind wir ganz froh darüber, denn ansonsten fallen die Attraktionen Karlshamns im Vergleich mit Karlskrona doch eher bescheiden aus.

Hinüber nach Hanö

Das Gebiet der geschützten Schärenküste verlassen wir nun, eine längere Seeetappe steht an, in einigem Abstand zur Küste, hinuter nach Simrishamn. Doch vorher muss Zeit sein für einen Zwischenstopp auf der Insel, die der ganzen Bucht den Namen gab: Hanö. Etwa zehn Seemeilen sind es von Karlshamn auf einem rechtweisenden Kurs von 190 Grad, bis wir die Nordwestspitze der auffällig hohen Insel runden und in ihren kleinen Hafen einlaufen. Empfangen werden wir von roten Holzhäusern (Café, Minimarkt, Inselmuseum) und den steif knatternden Flaggen der Ostseeländer – Schweden, wie aus dem Bilderbuch!

Der beste Platz an der Pier ist zwar für den Ausflugsdampfer reserviert, der vom Festland aus Hanösund kommt, aber gemütlich ist es auch so.

Zur Bevölkerung von Hanö gehört neben den wenigen Dutzend Insulanern noch eine kleine Schar von Feriengästen. Wer wie wir nur wenige Stunden zur Verfügung hat und gerne den vollen Überblick hat, macht sich an den Aufstieg zur höchsten Spitze der Insel, wo auf 60 Metern über dem Meer der weiße Feuerträger von Hanö fyr thront. Der Weg hinauf führt zunächst durch den kleinen Ort – wo man sich am Wegesrand mit frischgebackenen Waffeln stärken kann – und weiter durch Mischwald, der sich schüchtern an den Hang duckt, bis zur kahlen Kuppe hinauf. Hier soll sich das stärkste Leuchtfeuer der Ostsee drehen.

So hell, dass es der Sage nach sogar einen leibhaftigen Drachen geblendet und zum Absturz gebracht haben soll, der bis dahin jede Nacht zwischen Hanö und Tärnö hin- und hergeflogen war.

Nur gut, dass jetzt Tag ist, und wir die Aussicht genießen können. Die Schären im Norden sind zu sehen, Karlshamn und der Weg, den wir gekommen sind. Im Westen, ganz nah, die Halbinsel Listerlandet. Und dahinter, als blauer, gewellter Streifen, die Küste Schonens. 30 Seemeilen sind es noch bis Simrishamn. In ein paar Stunden schon könnten wir dort am Strand liegen. Zeit zum Aufbruch!

Nautische Informationen

Die Hanöbucht

Die Hanöbucht (schwedisch: Hanöbukten) ist ein Teil der südlichen Ostsee. Im Norden wird sie von der Küste der schwedischen Provinz Blekinge mit ihrem vorgelagerten Schärengarten begrenzt, im Westen von den langen Sandstränden der Küste Schonens. Im Süden reicht sie nautisch gesehen bis zur Nordspitze Bornholms. Die namensgebende Insel Hanö liegt etwa zwei Seemeilen vor der Küste der kleinen Halbinsel Listerlandet.

Zwischen den äußersten Festlandspunkten von Torhamns Udde bei Karlskrona im Osten und Sandhammaren im Westen beträgt die Ausdehnung der Hanöbucht etwa 70 sm. Stralsund, die nächste größere deutsche Hafenstadt, ist rund 100 sm von Sandhammaren entfernt.

An der Westküste der Bucht befinden sich zwei Schießgebiete der schwedischen Armee: Ravlunda nördlich von Simrishamn und Rinkaby nördlich von Åhus. Bei scharfen Übungen wird der Küstenbereich davor gesperrt. Informationen zu den Terminen bekommt man beispielsweise in den Häfen des Reviers. Ein Übungsgebiet (der Marine) ist außerdem südlich von Karlskrona ausgewiesen. Auch hier werden Sperrungen rechtzeitig angekündigt

Die Häfen

Die Küste der Hanöbucht bietet eine ganze Reihe von Liegemöglichkeiten, vom kleinen Fischerhafen (häufig mit Murings) bis zur großen Stadtmarina mit moderner Schwimmsteganlage und umfangreichem Service- und Versorgungsangebot. Zur zweiten Kategorie gehören besonders Karlskrona und Simrishamn, die auch deshalb auf den meisten Törns im Revier zu den Etappenzielen gehören.

Boot und Club

Die Motoryacht "Rolling Swiss II", eine 13,30 m lange Trader 42, gehört dem Cruising Club der Schweiz (CCS) und wird für Ausbildungs- und Reisetörns eingesetzt. Der seetüchtige Halbgleiter ist technisch auf höchstem Stand und bietet Platz für sechs Personen. Innerhalb des CCS bildet die Motorbootabteilung eine wichtige eigene Sparte. Der Club gehört mit rund 6500 Mitgliedern zu den größten des Landes und nimmt bei der Hochseeausbildung eine Führungsposition in der Sportschifffahrt ein. www.ccs-motorboot.ch