Sebastian Wache
· 31.07.2025
Eine Wasserhose ragte am Dienstagmorgen (29.07.) etwa 800 Meter in den Himmel über dem Bodensee. Der Wirbel über dem Wasser hatte einen Durchmesser von etwa 50 Metern. Obwohl solche Phänomene für Laien außergewöhnlich erscheinen, sind sie über dem Bodensee keine Seltenheit. Nach Angaben des Tornadoexperten des Deutschen Wetterdienstes Jens Winninghoff, werden am Bodensee zwei bis drei Wasserhosen pro Jahr registriert. Der Bodensee als Flächengewässer sei für die Entstehung solcher Wetterphänomene geradezu prädestiniert. Laut der Katamaran-Reederei sind auf dem Bodensee nur erfahrene Schiffsführer unterwegs.
Die Sommerzeit ist auch die Zeit von Wasserhosen. Zumindest der Beginn der Saison, die sich noch bis in den Herbst hinein zieht. Denn dann sind die Wassermassen in Nord- und Ostsee sowie im Mittelmeer sehr warm. Warme Luft ist leichter und steigt dabei auf. Warmes Wasser verdunstet auch stärker. Sobald wir nun eine Wetterlage haben, die die Bildung von Quellwolken forciert, können die feuchtwarmen Luftmassen als Energie dafür genutzt werden. Dann braucht es erst einmal eine möglichst niedrige Wolkenunterkante. Die umliegenden warmen Luftmassen werden dabei förmlich wie ein Staubsauger nach oben in die Wolken gezogen. Es zeigt sich bereits ein Aufwärtssog. Weht der Wind dabei am Boden aus einer anderen Richtung als in der Höhe innerhalb der Wolken, beginnt die aufsteigende Luft zu rotieren. Unterdruck in der Wolke kühlt dabei die Luft ab und der Wasserdampf wird sichtbar. Es bildet sich ein Trichter aus der Wolke nach unten, diesen nennt man Funnel. Erst sobald dieser Funnel Bodenkontakt hat sprechen wir von einer Wasser- oder Windhose bzw. Tornado. Das sind drei Begriffe für ein- und dasselbe Phänomen.
Es muss aber auch nicht immer bei nur einer Wasserhose bleiben. Jede Quellwolke hat seine eigenen Aufwindkanäle, so dass auch gleichzeitig mehrere Funnel oder gar Tornados sichtbar werden können. Da die Reibung über dem Wasser geringer ist, als über Land, halten sich die Wasserhosen oft länger und bilden sich selbst im Sommer und Herbst öfter. Wie sich eine Wasserhose dreht ist eine Lotterie der Natur. Die Corioliskraft der Erde (Ablenkungskraft durch ihre Drehung) wirkt auf solche kleinräumigen Gebilde nicht. Regenschauer oder Gewitter braucht es für die Wasserhosen auch nicht zwangsläufig. Hierbei spricht man dann von einem Typ 2 Tornado. Im Gegensatz dazu stehen Typ 1 Tornados in Verbindung mit starker vertikaler Windrichtungsänderung und rotierenden Gewitterzellen. Diese nennt man dann mesozyklonale Tornados und sie kommen seltener über Wasser vor.
Für die Bildung von Wasserhosen gibt es vier verschiedene Wetterlagen, in denen sie sich zeigen können. In kalten Jahreszeiten, wenn kalte Höhenluft auf recht warmes Wasser trifft, es aber insgesamt recht windschwach ist. Im Sommer sollte es auch eher windschwächer zugehen. Haben wir dann sogenannte Konvergenzzonen (wo Luftmassen zusammengeführt werden), beginnt an ihnen der Prozess, wo Luftmassen aufsteigen können, sich Cumuluswolken bilden und am Ende möglicherweise eine Wasserhose. Seltener sieht man diese für Wasserhosen typischen Typ 2 Tornados an starken Böenlinien oder in der Nähe von Superzellen (Starke Gewitterzellen). Meist sind es eher die zerstörerischen Typ 1 Tornados, die man hier dann sieht. Über die Häufigkeiten von Tornados lässt sich kaum eine genaue Zahl festhalten. Zwar werden mittlerweile mehr gemeldet, als früher, aber das liegt auch an mehr Augenzeugen und die Möglichkeit, diese mit dem Handy festzuhalten. Dennoch geht man davon aus, dass sich die Anzahl auch in Zeiten des wandelnden Klimas nicht erhöht haben dürfte.
Die Stärke wird dabei anhand der Fujitaskala ermittelt, ist aber nur schwer messbar, aufgrund ihrer Kurzlebigkeit. Die meisten Wasserhosen im Nord- und Ostseebereich fallen schwächer aus und haben meist eine Stärke F0 (90 km/h) bis F1 (bis 150 km/h). Im Mittelmeer sind aufgrund höherer Temperaturen und Feuchtigkeiten auch stärkere Wasserhosen möglich mit F3 (bis 290 km/h). Die Stärken von F4 (380km/h) und F5 (470 km/h) findet man zumindest auf dem Wasser selten und auch an Land kommen sie nicht oft vor.
Bis heute weiß man seit Beginn der Aufzeichnungen von „nur“ 11 Tornados der Stärke 4 in Deutschland. Über das Jahr gesehen, sieht man rund 45 Tornados in Deutschland. Davon sind 6 bis 27 Wasserhosen. Das ist also der Durchschnitt pro Jahr in Nord- und Ostsee. Im Mittelmeer dürften es aufgrund der Größe und der anderen klimatischen Bedingungen deutlich mehr sein, dafür habe ich aber keine exakten Zahlen. Spannend ist der Tagesgang. Die meisten Meldungen von Wasserhosen beziehen sich auf den frühen Morgen und Vormittag. Dennoch sind sie auch am Nachmittag und Abend möglich. Natürlich auch nachts, doch aus den Zahlen zeigt sich, dass es dafür keine Meldungen gibt. Schlicht und ergreifend, weil sie wegen der Dunkelheit nicht sichtbar sind.
Somit zeigt sich, dass gerade windschwache Wetterlagen dazu neigen Wasserhosen ausbilden zu lassen. Man sollte sich also auch während einer sommerlichen Hochdrucklage nicht wundern, wenn plötzlich eine Wasserhose aus einer Wolke nach unten wächst. Doch wie verhält man sich hier am besten? Wenn wir nun wissen, dass dicht an so einem Tornado Windgeschwindigkeiten von mehr als 90 km/h auftreten können, dann steckt da schon mächtig Druck drin. Sollte man nun einen Funnel oder gar eine Wasserhose sehen, ist es wichtig den Motor anzuwerfen und alles an losen Dingen zu sichern.
Auch vermeintlich schwache Wasserhosen können Boote komplett auf die Seite kippen. Meist reicht der Mast allein schon als Angriffspunkt aus. Dazu gibt es reichlich Videos bei Youtube als Anschauungsmaterial. Einfach mal nach “water spout mooring” oder “anchorage” suchen.
Am besten ist, wenn eine Wasserhose droht, unter Deck zu gehen ohne von umherfliegenden Dingen getroffen zu werden. Vorher gilt aber noch die Zugbahn der Wasserhose beobachten, denn meist ziehen sie mit den Wolken mit und sind so kleinräumig, dass man ihnen auch mit Hilfe des Motors ausweichen und davonfahren kann.
Wer mal eine Übersicht über alle Meldungen haben möchte oder selbst etwas melden möchte, findet auf der Tornadoliste Deutschland alles dazu.