Sören Gehlhaus
· 22.08.2024
In der Nacht zu Montag war der 56 Meter lange Alu-Segler „Bayesian“ unweit von Palermo gesunken, nachdem eine Windhose vor der Küste wütete. Von den 22 Personen, die sich an Bord von „Bayesian“ befanden, wurden 15 unmittelbar nach dem Untergang in einer Rettungsinsel gefunden.
Die italienische Feuerwehr teilte auf “X” mit, dass sie mehr als 50 Stunden nach der Bergung des ersten Opfers, am Mittwochnachmittag vier weitere Leichen aus dem Wrack bergen konnte. Ein weiterer Körper wurde am Abend hervorgeholt, bei dem es sich laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA um die Leiche von „Bayesian“-Eigner Mike Lynch handelt. Die Tauchgänge nach der letzten vermissten Person, wohl Lynchs 18-jährige Tochter Hannah, wurden am Donnerstagmorgen weitergeführt.
Die Feuerwehrtaucher seien durch dafür vorgesehene Öffnungen in das Innere der Yacht vorgedrungen und nicht durch Fenster. Ihren Berichten nach ist der Mast nicht gebrochen. Aufschlüsse über die Ursache der Havarie könnten detaillierte Aufnahmen eines ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug (ROV) der Küstenwache liefern.
Das schnelle Sinken der „Bayesian“ wirft viele offene Fragen auf. Segelyachten von Perini Navi gelten als sichere wie solide Großsegler, die bei Superyachtregatten auch in Starkwind an den Start gehen.
Selbst wenn die große Heck- sowie die seitliche Boardingplattform offen gewesen sein sollten, grenzt die Lazarette ein wasserdichtes Schott vom Motorenraum ab, der wiederum über ein weiteres wasserdichtes Schott von den Kabinen abgetrennt ist. Das Volllaufen einer einzelnen Sektion hätte kaum zu einem Untergang geführt, es sei denn die Tür im Schott zum Motorenraum war geöffnet. Oder es gelangte zusätzlich Wasser über das 436 Quadratmeter große Deck in die Innenräume. Das hätte aber vorausgesetzt, dass die 540 Tonnen verdrängende 56-Meter-Yacht ohne ein einziges gesetztes Segel sehr stark krängt.
Im Zusammenhang mit einer möglichen plötzlichen Schlagseite lohnt ein genauer Blick auf den 73 Meter in den Himmel ragenden Mast, der selbst ohne die knapp 3000 Quadratmeter großen Segel eine nicht unerhebliche Windangriffsfläche bietet. Da der Alumast durch das Deck gesteckt wurde, dürfte er mit einer Länge von knapp 70 Metern im Wind gestanden haben. Archivfotos lassen auf eine durchschnittliche Masttiefe, Verjüngung berücksichtigt, von einem Meter schließen. Daraus ergäbe sich eine „passive Segelfläche“ von etwa 70 Quadratmetern. Eine vom Mast erzeugte Krängung könnte den 11,52 Meter breiten Rumpf luvseitig etwas angehoben haben, dass sich dem Wind in Orkanstärke zusätzliche Teile des Unterwasserschiffs als Angriffsfläche boten. Zudem könnte ein aufgeholter Liftkiel die Kippstabilität zusätzlich verringert haben. Mit vollständig ausgefahrenem Kiel kam „Bayesian“ auf 9,38 Meter Tiefgang, eingefahren waren es 4,05 Meter.