AusrüstungInsolvenzverfahren über A. W. Niemeyer eröffnet +++ Update Nr. 2 +++

Pascal Schürmann

 · 24.01.2023

Ausrüstung: Insolvenzverfahren über A. W. Niemeyer eröffnet +++ Update Nr. 2 +++Foto: AWN
Der AWN-Flagshipstore in Hamburg, wo sich am Holstenkamp 58 auch die Zentrale des Händlers für Wassersportbedarf befindet

Über den traditionsreichen Wassersportausrüster ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das geht aus einer gestern vom zuständigen Amtsgericht Hamburg veröffentlichten amtlichen Bekanntmachung hervor. Der Geschäftsbetrieb läuft weiter.

Update vom 24. 1. 2023, 15.45 Uhr:

Nun gibt es auch die Stellungnahme des vorläufigen Insolvenzverwalters, Rechtsanwalt Stefan Denkhaus. Der hat die 115 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit Geschäftsführer Christoph Steinkuhl über das begonnene Verfahren informiert.

Denkhaus sagt: „Gemeinsam mit meinem Team und der Geschäftsführung werden wir zuerst den Geschäftsbetrieb stabilisieren. Üblicherweise kann es in den beiden ersten Wochen durchaus ein wenig ruckeln. Aber unser Ziel ist es, das Unternehmen mittels eines strukturierten Investorenprozess neu aufzustellen. Aufgrund des jetzt schon großen Investoreninteresses bin ich optimistisch, dass das gelingen wird.“

Zum Hintergrund des Insolvenzantrags sagt AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl:„Aufgrund von mehreren Corona-Lockdowns und Lieferengpässen waren viele nachgefragte Artikel erst nach Ende der Saison für unsere Kunden verfügbar. Erschwert wurde die Situation durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, insbesondere die erhebliche Kaufzurückhaltung durch Inflation, allgemeine Unsicherheit und die allgegenwärtigen Kostensteigerungen. Gleichzeitig haben wir eine Kaufzurückhaltung aufgrund steigender Kosten und Inflation gespürt. Parallel dazu haben sich die Auswirkungen gestiegener Beschaffungskosten bemerkbar gemacht. Gemeinsam mit meinem Team wünsche ich mir, dass unsere Kunden und Freunde des Wassersportes uns die Treue halten werden.“

Der Geschäftsbetrieb des Unternehmens laufe wie gewohnt weiter. Die Gehälter der Beschäftigten würden über eine bereits in die Wege geleitete Insolvenzgeldvorfinanzierung für drei Monate, also bis einschließlich März 2023, gesichert. Für die Zeit danach sei vorgesehen, dass das Unternehmen die Gehälter im Insolvenzverfahren wieder selber tragen könne, heißt es in der soeben veröffentlichten Stellungnahme.


Update vom 24. 1. 2023, 13.40 Uhr:

Vom AWN-Mehrheitsanteilseigner Christoph Kroschke gibt es nun eine Stellungnahme. Gefragt nach den Hauptgründen für die finanzielle Notlage von AWN und weshalb das Unternehmen offenbar nicht oder nicht ausreichend vom jüngsten Boom in der Wassersportbranche profitieren konnte, sagt Nicole Neumann, Head of Marketing der Christoph Kroschke GmbH: “Durch die Corona-bedingten Ladenschließungen in zwei Pandemiejahren wurde die Ertragslage erheblich beeinträchtigt. Über das Kurzarbeitergeld hinaus wurden AWN keine staatlichen Hilfen gewährt. Im Laufe des Jahres 2022 hat sich nach der Corona-Krise das wirtschaftliche Umfeld für AWN leider weiter verschlechtert. Kostensteigerungen insbesondere bei Energiekosten und bei Handelsware, der Krieg in der Ukraine, Lieferprobleme der Geschäftspartner und die Inflationssorgen und Kaufzurückhaltung der Kunden hatten bei AWN erhebliche finanzielle Auswirkungen.”

Zur Zukunft von AWN sagt Nicole Neumann: “Wir hoffen, dass die Folgen für Mitarbeitende, Kunden und Geschäftspartner möglichst gering gehalten werden können und dass sich ein Weg erschließen lässt, um das Unternehmen in neuer Aufstellung und mit neuen Finanzmitteln fortzuführen.”

Bisherige Meldung:

Wer heute in Hamburg am Hauptsitz der A. W. Niemeyer GmbH oder in einer anderen der insgesamt neun Filialen Ölzeug, Fender, Tauwerk, Beschläge oder anderweitigen Bootsbedarf shoppen wollte, stand mancherorts zeitweise vor verschlossenen Türen. Wer hingegen Waren online oder telefonisch bestellen wollte, hatte dazu die Möglichkeit – zumindest bis kurz vor Mittag.

Telefonisch waren die meisten Filialen in den vergangenen Stunden nicht zu erreichen. Erst nach Abschluss einer heute stattfindenden Mitarbeiterversammlung wisse man mehr, so die Auskunft einer AWN-Mitarbeiterin. Sie gehe momentan davon aus, dass nachmittags das Geschäft wieder öffne.

Den Grund für die unklare Lage bei AWN lieferte am gestrigen Montag das Amtsgericht in Hamburg-Altona. Demnach befindet sich das 1745 gegründete Unternehmen offenbar in finanzieller Schieflage. Unter dem Aktenzeichen 67a IN 20/23 ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Stefan Denkhaus bestellt worden, Partner bei der Hamburger Kanzlei BRL – Böge, Rohde, Lübbehüsen.

In der Bekanntmachung heißt es unter anderem: “Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).”

Weder von AWN-Geschäftsführer Christoph Steinkuhl noch vom Hauptgesellschafter, der Ahrensburger Kroschke Gruppe, gibt es bislang eine Stellungnahme; telefonische und schriftliche Anfragen der Redaktion unseres Schwester-Magazins YACHT blieben unbeantwortet. Auch der Insolvenzverwalter war heute Morgen nicht erreichbar.

Viele Kunden, die in den vergangenen Tagen Waren bei AWN bestellt und bezahlt haben, werden sich nun fragen, ob sie ihre Bestellung noch erhalten oder ihre Zahlung rückerstattet wird - oder aber, ob sie am Ende mit leeren Händen dastehen. Ein AWN-Mitarbeiter der telefonischen Bestellannahme versicherte heute Morgen zwar, dass man sich als Kunde nicht zu sorgen brauche. Bestellte Waren würden wie gewohnt auf den Weg gebracht, und auch neue Bestellungen würden weiterhin entgegengenommen und bearbeitet. Eine verlässliche Aussage zum Geschäftsbetrieb kann gegenwärtig jedoch nur der Insolvenzverwalter treffen.

Warum das Unternehmen in Finanznot geraten ist und wann der Antrag auf Eröffnung einer Insolvenz gestellt wurde, ist nicht bekannt. Auf der gegenwärtigen boot in Düsseldorf ist AWN als nach eigenen Angaben “unangefochtener Marktführer unter den Yacht- und Bootsausrüstern” nicht präsent – zur Verwunderung vieler Messebesucher. Doch auch andere namhafte Aussteller haben auf eine Präsenz in Düsseldorf in diesem Jahr verzichtet.

Dass das Filial- und Versandgeschäft normal weiterlaufen könnte, dafür spricht zumindest der gerade erst angelaufene Versand des Katalogs für die neue Saison. Seit einigen Tagen erhalten ihn AWN-Kunden zugeschickt; auf Facebook hatte AWN den Druck und den Versand des neuen Katalogs kürzlich stolz vermeldet.

Darüber hinaus hat sich AWN-Geschäftsführer Steinkuhl erst Anfang vergangenen Jahres selbst am Unternehmen beteiligt. Auch wenn die Mehrheit der Firmenanteile bei Christoph Kroschke verblieb, sollte man doch annehmen, dass Steinkuhl über die Ertragslage Bescheid wusste und sich nicht ohne Not in ein finanzielles Risiko gestürzt hätte.

Im besten Fall also merken die Kunden nichts von der Insolvenz. Sei es, dass sie abgewendet werden kann. Sei es, dass AWN ganz oder teilweise an ein anderes Unternehmen verkauft und von diesem weitergeführt wird. Nur im schlechtesten Fall, wenn der Insolvenzverwalter keine Chance auf eine Rettung sieht, würde das Aus für den Branchenriesen drohen.


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