Martin Hager
, Sören Gehlhaus
· 02.02.2023
Subjektiv betrachtet kam es 2022 häufiger zu Bränden auf Yachten als in den Jahren zuvor. Wir sprachen mit fünf Branchenexperten über mögliche Ursachen, Präventionsmaßnahmen und Zukunftsaussichten.
Erst stieg Rauch auf, dann ertönte ein ohrenbetäubendes Alarmsignal, das alles Lebendige aufschrecken und die Flucht auf die Außendecks antreten ließ. Das Cockpit bildete den Notfalltreffpunkt, an dem sich Gäste und Crewmitglieder versammelten, von denen zwei hastig ihre rotgelben Schutzanzüge anlegten. Nach einer schnellen Lagebesprechung tauchte der Erste Ingenieur mit Atemgerät und Handfeuerlöscher im Motorenraum ab und neutralisierte den Brandherd: Ein PTO hatte sich überhitzt und verursachte die Rauchentwicklung. Unsere Kollegen von BOOTE EXCLUSIV erlebten diese Situation unmittelbar nach der Ankunft auf einem werftneuen 36-Meter-Bau unweit von Port d’Antratx. Das Ereignis führte vor Augen, wie rasch der Ernstfall eintreten kann – im vergangenen Jahr scheinbar häufiger als sonst. Brände an Bord sind so alt wie die Schifffahrt. Die große Frage, die das Jahr 2022 mit erschreckend vielen Bildern brennender Yachten in allen Teilen der Welt aufwarf: Kommt es wirklich zu einer Häufung von Feuern auf Superyachten?
Die Kapitänin Kelly Gordon gibt zu bedenken: „Ohne historische Daten über Brände an Bord zu kennen, würde ich sagen, dass es aufgrund von Fortschritten in der Technologie und der Konstruktion tatsächlich weniger Feuer an Bord gibt als früher. Jedoch erfassen wir mehr Live-Ereignisse mit unseren mobilen Geräten.“ Die US-Amerikanerin ist befähigt zum Führen von Yachten bis 500 Gross Tons und hat derzeit das Kommando über die Sanlorenzo SL106 „Freddy“ inne. Die 32 Meter werden in Florida und den Bahamas bereedert und auch für Charter angeboten.
Die Ausbildung muss zu einer Priorität gemacht werden und Eigner müssen Crews die nötige Zeit dafür geben“ (Kelly Gordon, Kapitänin)
Gordon selbst hat bereits einen Brand zur See erlebt. Die Ursache war konstruktionsbedingt: Das eingebaute Batterieladegerät befand sich in der Lazarette direkt neben einer Lüftungsschlitzöffnung, die nicht geschlossen werden konnte. Kelly Gordon, die vor ihrer Yachting-Karriere Chemieprofessorin in Indiana war, erinnert sich: „Wir gerieten in einen Sturm mit hohem Wellengang, und Salzwasser drang durch die Öffnung auf das Batterieladegerät. Eine defekte Sicherung führte schließlich zum Feuer. Glücklicherweise brauchten wir keine Hilfe von außen. Bis das Feuer gelöscht war, dauerte es nur zwei bis drei Minuten – die längsten, die wir je erlebt haben!“
Eine zahlenmäßige Einordnung der Yachtbrände liefert Felix Zimmermann vom Yachtversicherer Pantaenius: „Im letzten Jahr gab es zwölf Feuerschäden auf Yachten mit einer Länge von 24 Metern und mehr. Diese Zahl muss man in Relation setzen: In dieser Größe schwimmen weltweit rund 10 000 Yachten, bei Längen von 30 Metern und mehr sind es 5500 Yachten. Global betrachtet sind das wenige Feuerschäden.“ Diese stechen jedoch durch ihre unmittelbare Sichtbarkeit auf Internetportalen wie Twitter hervor.
Zudem wurden Yachten im Jahr 2022 als Folge der wiedergewonnenen oder neu entdeckten Freiheit zur See weitaus stärker genutzt als zu den Hochzeiten der Corona-Pandemie. Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache, dass Flammenmeere auf Yachten – besonders bei jenen, die in Kompositbauweise gefertigt sind – häufig zum Totalverlust führen und Eignern damit deutlich teurer zu stehen kommen als Teilschäden. Ein zusätzliches Problem, so Zimmermann: Bei diesen Schäden sei es sehr schwer, die Brandursache zu ergründen. Und bei Unklarheit wird im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers entschieden.
Stefan Zucker von der gleichnamigen Hamburger Gutachter- und Beratungsgesellschaft weiß von ähnlichen Fallzahlen und Problemen bei der Ursachenermittlung zu berichten: „Das ist sehr schwer herauszufinden. Wir schicken nur Gutachter mit besonderer Brandexpertise zu verunglückten Yachten. Vorausgesetzt das Schiff ist nicht auf 3000 Meter gesunken.“
Im Jahresschnitt ermittelt die Stefan Zucker & Partner GmbH in zwei bis drei kapitalen Brandfällen. „Wenn so ein Schiff abbrennt, wird es nicht einfach, die Ursache zu finden. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem herausgefunden wurde, warum das Feuer an Bord ausgebrochen ist“, wirft Stefan Zucker ein.
Zum Anstieg der Fallzahlen würde passen, dass nachweislich mehr Elektronikkomponenten ihren Weg an Bord finden und insbesondere batterieelektrisch angetriebene Toys wie Sea- bobs, E-Bikes, E-Tender, E-Foils oder E-Surfboards bei Eignern und Charterern an Beliebtheit gewinnen.
Deren Lithium-Ionen-Akkus werden von Crews und Branchenkennern – hinter vorgehaltener Hand – als größte Verursacher genannt. Dabei sollten Batterien nicht per se als Gefahrenquelle herhalten, wie Philip Demler von VMG Marine aus Kiel-Altenholz weiß: „Es gibt große Unterschiede in der Qualität und auch der Sicherheit, das wird in der aktuellen Diskussion meist vernachlässigt. Es reicht eben nicht, nur die Kapazität der Batterien zu vergleichen.“ Demler verkauft E-Foiler von Flite und die Audi e-Tron-Modelle von aerofoils. Was eine gute von einer schlechten Batterie unterscheidet? „Zum einen die Wahl der Zellen. Flite nutzt Premium-21700-Zellen mit der niedrigsten Impedanz und höchsten erlaubten Stromstärke. Damit erhitzen sich die Zellen weniger als andere, und alle Lastfälle während der Nutzung sind deutlich unterhalb der sicheren Grenzwerte.“
Die Australier von Flite benutzen auch sogenanntes Phase- Changing-Material zwischen den Zellen, das bringe einen großen Vorteil für das Wärmemanagement innerhalb der Batterie und damit für die Sicherheit. Und sie nutzen bei der neuen Batteriegeneration als Außenmaterial Titan statt Kunststoff. Die Gefahren, die bereits von kleinen Batterien ausgehen können, sind groß. Die Tücken eines Akkubrands beschreibt Rainer Daniel von Fisacon im Detail ab Seite 70. Mit Partnern hat er eine TÜV-zertifizierte Lagerungs- und Ladebox mit integriertem Löschsystem für Li-Ionen-Akkus entwickelt. Stefan Zucker berichtet, dass Klassifikationsgesellschaften Vorgaben für die Lagerung von Seabobs machen: „Sie müssen in der Garage gestaut, dort auch geladen werden und dabei über sich einen Rauchmelder installiert haben. Doch das ist nicht weit genug gedacht. Das Problem mit dem Rauchmelder ist ja, wenn der anschlägt und die Deckhand in die Garage hechtet, um sich ein Bild vom Unglück zu machen, ist es schon zu spät!“
„Flite hat mittlerweile etwa 10 000 Batterien ausgeliefert, und es gab bisher noch keinen einzigen Vorfall, bei dem eine Flite-Batterie ein Brandrisiko verursacht hätte“, freut sich Ingenieur Demler, der auch technischen Service für E-Surfboards anbietet. Auch das Batterie-Management-System (BMS) sei wichtig. Die führenden Hersteller hätten hier viel Entwicklungsarbeit investiert und sehr sichere Systeme entworfen, während die billigeren Anbieter auf fertige, nicht so ausgeklügelte Systeme zurückgriffen. Philip Demler wünscht sich sogar mehr Restriktionen: „Die Batterie ist meistens die teuerste Komponente eines E-Toys, und was die Sicherheit angeht auch die wichtigste. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Yachtversicherungen anfangen, bestimmte Mindeststandards einzuführen. Wir würden das begrüßen.“
Natürlich gehen Feuersbrünste nicht nur von Toy-Akkus aus. Pantaenius-Mann Felix Zimmermann erklärt: „Lüftung und Kühlung von Motorenräumen sind ebenfalls ein Punkt, den wir im Blick haben. Besonders bei schnellen Gleitern einiger Marken überlegen wir uns sehr genau, ob wir sie versichern. Wenn die Räume durch schlechte Belüftung zu heiß werden, besteht ein höheres Risiko für Kabelbrand.“ Stefan Zucker schlägt in die gleiche Kerbe: „Die häufigsten Ursachen sind im Maschinenraum zu finden. Die Klassiker sind lecke Kraftstoffleitungen, bei denen ein kleiner Sprühstrahl von Diesel auf den Abgasleitungen landet, was sich entzündet.“ Häufig seien es überhitzte Kabel oder Kabelstränge. „Wir hatten schon Brände, weil die Abgasleitung dicht unter der Maschinenraumdecke verlief, die dann wiederum nicht gut genug isoliert war, wodurch die Wärme im Schacht darüber Kabel entzündet haben.“
Das beste Gegenmittel besteht in der Prävention und regelmäßigem Training an Bord, weiß „Freddy“-Kapitänin Kelly Gordon. Sie arbeitet eng mit ihrem Ingenieur zusammen, um die fünfköpfige Besatzung auf einen Brand vorzubereiten und überträgt ihr Wissen im Umgang mit Feuerlösch- und Sprinklersystemen auf die übrige Decksbesatzung: „Wir üben mindestens einmal im Monat für eine Vielzahl von Brandszenarien. Wir diskutieren verschiedene Fälle, und ich gebe oft Videos und Schulungsmaterialien an die Mannschaft weiter.
Die potenzielle Gefahr kann man nicht oft genug üben und besprechen!“ Der Industriestandard schreibt monatliche Feuertrainings, sogenannte Drills, auf Superyachten vor. Kelly Gordon weiß jedoch, dass dies auf vielen Schiffen nicht der Fall ist. Einige Besatzungen seien derart beschäftigt und legten keinen Wert auf Schulungen, dass sie nicht so oft stattfinden, wie sie sollten. „Andere Yachten sind nicht verpflichtet, für Notfallszenarien zu trainieren. Und auf einigen gibt es eine große Mehrheit an freiberuflicher Besatzung, was die Ausbildung ebenfalls erschwert. Die Drills müssen zu einer Priorität gemacht und Eigner ermutigt werden, den Crews die nötige Zeit dafür zu geben.“
Weitaus größere Herausforderungen in puncto Verstauung und Vorbeugung bringen Lithium-Ionen-Akkus mit sich, wenn sie als Batteriebänke einen Teil des Antriebs bilden. Gutachter Stefan Zucker und sein Team begleiteten kürzlich erstmals einen Hybrid-Neubau, der mit Strom aus Batterien bis zu drei Stunden flüsterleise unterwegs sein kann. Das Batteriepaket besitzt eine Kapazität von 300 Kilowattstunden und nimmt allein zwei Kubikmeter ein. „Das ist insofern spannend, als dass wir es von der Klassifikationsgesellschaft abnehmen lassen mussten. Die Klasse wollte genau wissen: Woher kommen die Batterien? Wer hat die elektrische Installation betreut? Es folgten zwei Risikobewertungen mit den Themen: Was kann passieren und wie reagieren wir darauf? Das Ergebnis dieser beiden Risk Assessments war, dass die Batteriebank in einem ummantelten Raum installiert werden muss, der dem Brand jedenfalls für eine bestimmte Dauer standhält.“
Risikobewertungen verdeutlichten schnell, dass man diese Art von Feuer nicht wirklich löschen kann. Brennende E-Autos etwa parken Feuerwehren in Containern, die sie anschließend mit Wasser fluten. Eine Möglichkeit für Yachten bestünde darin, sehr viel Sand zu bunkern, um die Flammen damit zu ersticken. Ein ambitioniertes Unterfangen. „Bei einer großen Brandlast brennt es erstens sehr lang und zweitens sehr warm“, verdeutlicht Stefan Zucker den Unterschied zu den Batterien von elektrisch angetriebenen Spaßgeräten. Er merkt zudem an: „Wirklich grün ist das nicht. Man braucht eine nicht unerhebliche Menge an Batterieleistung, um das Batteriesystem zu kühlen. Auch im Standby-Betrieb. Man investiert also permanent Energie, damit die Batterien intakt bleiben und ihre Leistung behalten.“
Brandschutz bezieht sich ebenso auf das Interior, wie Benjamin Bäker, Vertriebs- und Marketingleiter beim Innenausbauer Oldenburger, erläutert: „Nicht nur in Sachen Holz müssen immer wieder neue Zertifikate erstellt werden, die es dem Feuer schwer machen sollen, sich an Bord auszubreiten. Auch werden aufwendige Brandmelder- und Sprinklersysteme verbaut.“ Wobei die Strenge der Maßnahmen stark von der Klassifizierung abhängt. Während es bei einer „REG-A“-Yacht (Ex-LY3) leichter fällt einzubauen, was Kunden sich wünschen, sind die Herausforderungen auf einer „REG-B“-Yacht (Ex-PYC) um ein Vielfaches höher. Das ehemals Passenger Yacht Code genannte Regelwerk greift ab einer Zahl von mindestens 13 und bis maximal 36 Gästen. Benjamin Bäker sagt dazu: „Hier gelten scharfe Regeln. Auch sogenannte Sonderoberflächen, die individuell und seit Längerem diesen Markt bestimmen, müssen bei diesen Yachten neu zertifiziert werden.“
Jede der mehreren 100 verschiedenen Oberflächen eines einzelnen Projekts wird individuell betrachtet, der Aufbau eins zu eins mit Mustertafeln nachgebildet und in einem Brandversuchshaus vorgestellt. „Unter den involvierten Innenausbauern werden die Zertifikate und Oberflächenaufbauten geteilt, damit nicht jeder alles selbst zertifizieren muss“, so Bäker, der davon berichtet, dass nicht nur die Regularien in den letzten Jahren immer komplizierter geworden seien, auch die Anforderungen der Kunden nähmen stetig zu. „Durch den neuen nachhaltigen Gedanken, der die Welt heute zurecht prägt, wird es komplexer, nicht brennbare Materialien zu verarbeiten. Ist der Kunde aber bereit, kleinere Kompromisse in Farbe und Form einzugehen, sind vielfältige Möglichkeiten vorhanden.“
Damit die Zahl brennender Großyachten in Zukunft nicht ansteigt, muss die Industrie große Anstrengungen unternehmen – besonders im Hinblick auf die fortschreitende Elektrifizierung im Yachting, die vom E-Toy bis zum E-Antrieb reicht.