TechnikFernüberwachung – Volle Kontrolle

Alexander Worms

 · 17.04.2023

Technik: Fernüberwachung – Volle KontrolleFoto: Groupe Beneteau

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Den Status des Bootes von zu Hause überwachen? Kein Problem, wenn via GSM oder WLAN Daten von Bord gesendet werden. Mittlerweile gibt es einige Anbieter für Fernüberwachung. Auch Werften sind dabei. Der Überblick

Schöne neue Welt. Bootsdaten wie beispielsweise Füllstände der Tanks, Wassertemperatur oder Batteriespannung lassen sich heutzutage theo­retisch auf jedem Boot auch fernüber­wachen. Was für den normalen Bootseigner wie ferne Zukunftsmusik klingt, ist in Wahrheit gar nicht so weit hergeholt. Bei Pkw ist es sogar schon lange üblich: Werkstätten, die anrufen und einen Termin für die Inspektion vereinbaren wollen, tun das bei modernen Autos nicht, weil ihr Kalender sie daran er­innert – vielmehr hat das Fahrzeug selbst den Bedarf an die Werkstatt gemeldet, im Hintergrund, ohne dass der Fahrer es merkte. Die Serviceleute des Händlers rufen dann beim Kunden an und machen einen Termin ab. So sei, versichern die Hersteller, immer gewährleistet, dass die Inspektionen auch tatsächlich stattfinden.

Möglich wird diese Entwicklung durch den schon vor vielen Jahren entwickelten CAN-Bus. Dabei handelt es sich um eine Art Datenautobahn im Auto. Permanent geben Sensoren Auskunft über Parameter wie Dreh­geschwindigkeit der Räder, Temperaturen, Füllmittelstände und so weiter. Auch wenn am Touchscreen die Heckscheibenheizung eingeschaltet wird, ist es der Bus, der den Befehl dazu an einen Aktuator übermittelt, der dann den Stromkreis schaltet und die Heizung warm werden lässt.

Was das mit moderner Bootsüberwachung zu tun hat, lässt sich erkennen, wenn man neben dem Auto stehend lange auf den Funkschlüssel drückt: Die Scheiben schließen sich wie von Geisterhand. Der Funk­befehl des Schlüssels wird in eine Aktion im Fahrzeug umgesetzt.


Bus-System

Ein Schema eines Bus-Systems auf modernen Yachten: eine Mischung aus Sensoren und Schaltkreisen. Deutlich erkennbar ist die Trennung von Information und Strom. Die geschieht bis zu den Aktuatoren (Knoten), die die Stromkreise tatsächlich schalten. Hinter diesen Knoten sind keine Datenleitungen mehr erforderlich. Die Sensoren melden ihren Status in die Datenleitung (Bus). Diese Information wird auf Displays sichtbar gemacht, die auch weit vom Schiff entfernt sein können | Schema: Marc-André Bergmann

Nicht neu, aber praktisch

Stichwort Bootsüberwachung: Die funk­tioniert ganz ähnlich. Was wir als NMEA-Netzwerk kennen, ist auch ein Bus. Um auf dem Multifunktionsdisplay die Tiefe unter dem Kiel, die Kühlwassertemperatur oder die Windstärke anzuzeigen, müssen diese Zahlen irgendwoher kommen. Die genannten Daten stammen aus dem Geber für das Echolot, aus der Windfahne oder mittels Adapter aus dem Motorpaneel. Sobald die Information in digitaler Form vorliegt, kann sie für die Verwendung im Bus umgeformt und eingespeist werden, um an anderer Stelle auf dem Display zu erscheinen.

Kontrollieren und steuern

Was sich zudem in den letzten Jahren an Bord von Schiffen immer mehr durchsetzte, ist das digitale Schalten von elektrischen Anwendungen. Die Ankerwinsch wird ebenso vom Plotter aus bedient wie die Positionslampen oder die Heizung. Natürlich lässt sich auch die Stereoanlage über das Multifunktionsdisplay steuern. Denn auch das sind letztlich digitale Daten. Was schließlich folgt, ist nur logisch: An Bord wird die auf dem Multifunktionsdisplay angezeigte Information via Bluetooth oder WLAN für andere Endgeräte bereit­gestellt. Handy oder Tablet dienen dann als weiteres mobiles Multifunktionsdisplay. Die Funktionsumfänge sind je nach Hersteller verschieden: Der eine kann den Autopiloten vom Vordeck aus mit dem Handy steuern, der andere nur die Daten aus dem System auf der Armbanduhr ablesen.

Egal welcher Umfang: Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt, die ohnehin vorhandenen und digital aufbereiteten Daten statt auf das eigene, sehr lokale WLAN auch über einen Router ins Internet, in eine Cloud oder gleich an eine App zu übertragen. Das kann über das Hafen-WLAN gehen, über ein LTE-Netz oder sogar über eine Verbindung via Satellit.

Was zunächst wie eine technische Spielerei klingt, kann durchaus sinnvoll sein: Viele Eigner wollen wissen, wie die Spannung der Akkus an Bord ist, ob vor dem Trip am Wochenende noch Wasser gebunkert werden muss oder – durchaus essenziell – wann die Bilgenpumpe läuft.

Durch die Möglichkeiten des digitalen Schaltens kommen weitere Funktionen hinzu: Bei niedrigem Akku-Stand kann der Generator aus der Ferne aktiviert werden, auf dem Weg zum Boot lässt sich die Heizung oder die Klimaanlage einschalten, und auch der Kühlschrank ist aktivierbar. Allerdings sollte der bei längerer Abwesenheit besser offen stehen, um Schimmel vorzubeugen. Einen offenen Kühler anzuschalten ist jedoch wenig sinnvoll. Dennoch: Die Möglichkeiten der Technologie sind verlockend.


Zugriff von außen

Überall im Navigations-Bus bereitstehende Daten sind nicht neu, auch digitales Schalten über Multifunktionsdisplays ist bekannt. Jetzt funktioniert das Ganze aber sogar von extern

Garmin: OnDeck-Hub heißt das Gerät, das über 3G oder das LTE-Handynetz Daten an die App Active Skipper sendet. Die muss man herunterladen und ein Abo abschließen. Das kostet mindestens 14,99 Euro pro Monat im Rahmen eines Jahresvertrags. Dafür kann der Hub auch ohne aktivierte Navigationselektronik an Bord Positionsdaten übermitteln: Er verfügt über ein eigenes GPS und eine unabhängige Stromversorgung. So kann bis zu 48 Stunden der Standort der Yacht gemeldet werden, auch wenn das Gerät abgeklemmt wurde. Der OnDeck-Hub kann übrigens auch NMEA2000-Daten anderer Hersteller verar­beiten und versenden. Ein Schaltausgang aktiviert bei Bedarf die Navigationsgeräte an Bord und ausgewählte Sensoren. So muss die Elektronik nicht dauernd eingeschaltet sein
Foto: Garmin Deutschland GmbH
Unterschiedliche Systeme zum Durchklicken

Überwachung ab Werk

Das haben sich offenbar auch die Werften gedacht und zusammen mit Partnern eigene Sys­teme entwickelt. Bei Hanse heißt das My Hanse Safety Cloud, Beneteau nennt es Ship Control, und auch bei Fountaine Pajot und anderen Werften wird es in Kürze ein ähnliches System geben. Dahinter stecken meist zwei Firmen: Die eine heißt Yacht Sentinel und die andere verwirrenderweise Sentinel Marine Solutions.

Beide bieten Ähnliches: Datensammlung in großem Stil aus den diversen Sensoren an Bord, das Ganze über WLAN oder LTE an Server gesendet und für den Eigner hübsch in einer App aufbereitet. Damit der die Datensammlung akzeptiert, ist die Möglichkeit des digitalen Schaltens integriert. Das ist vergleichbar mit den Punkten beim Payback: Die bekommt man, damit man mitmacht.

Für die Werften ist das eine tolle Sache, denn zum einen können sie Nutzerdaten sammeln. Was machen die Leute mit den Schiffen? So lernt man mehr über seine Kunden. Auch Fernwartung ist möglich. Über den Router hat die Werft Zugriff auf das Schiff, kann Software-Updates aufspielen und Motorbetriebsstunden abfragen; so kann an den anstehenden Service erinnert werden. Für den Händler ist das perfekt.

Das klingt jetzt negativer, als es tatsächlich ist, denn eigentlich wird der Boots­besitz dadurch sorgenfreier. Wann muss der nächste Ölwechsel erfolgen, wann war die letzte Wartung ? Alles ist in der His­torie hinterlegt, nichts geht verloren. Auch sind sämtliche Bedienungsanleitungen für das eigene Schiff in der App digital vorhanden; damit entfällt im Ernstfall langes Suchen. Und wenn ein Ersatzteil bestellt werden muss, kann das mittels App erledigt werden. Auf diese Weise passt das gelieferte Teil auch ganz bestimmt zum eigenen Schiff. So zumindest ist es bei Hanse geregelt.

Bei anderen Anbietern wird das ähnlich sein, auch wenn Beneteau noch nicht viel über den Inhalt von Ship Control preisgibt. Die Franzosen bieten das System zunächst nur für die exklusiven Modelle an, andere sollen folgen. Bei den Yachten der Hansegroup wie Fjord oder Sealine dagegen ist es für die komplette Produkt­palette serienmäßig. Und auch eine Nachrüstung bei älteren Booten ist möglich und wird von der Werft unterstützt.


Angebote ab Werft

Die Hansegroup geht beim Thema Überwachung voraus: Auf allen Modellen ist sie nun serienmäßig. Darauf reagiert der Wettbewerb

Foto: Hansegroup

Hansegroup

My Safety Cloud nennen die Greifswalder das System. Voller Zugriff auf die Informationen aus dem NMEA2000-Bus, Geofencing und weitere Infor­mationen wie Bilgenpumpenlauf, Motoraktivität und Batteriespannung stehen dem Nutzer zur Verfügung. Wer will, baut das System aus. Weitere Sensorik und auch elektrisches Schalten sind möglich. Praktisch: Alle zur eigenen Yacht passenden Bedienungsanleitungen sind hinterlegt. Auch Fernwartung der Bordsysteme und das Ordern von Ersatzteilen per App sind machbar.

Fountaine Pajot/Dufour

Auch die zweite große Werften­gruppe aus Frankreich wird in Kürze ein Bootsüberwachungssystem anbieten. Es basiert auf bereits bestehender Technologie und wird vom Umfang her aller Wahrscheinlichkeit nach den bekannten Systemen ähnlich sein. Ein Serienstart ist noch nicht terminiert.

Beneteau-Gruppe

Anfangs wird das System nur in großen Motorbooten verfügbar sein; später wird es wohl auf die gesamte Modellpalette ausgeweitet. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Daten hängt vom gebuchten Paket ab. Laut Beneteau stehen die Informa­tionen zunächst nur an Bord bereit.


Volle Kontrolle über das Schiff

Weitere Profiteure des Systems sind Vercharterer: Sie können immer sehen, wo sich ihre Schiffe befinden. Sogenanntes Geofencing löst Alarm aus, wenn sich das Boot aus einem festgelegten Bereich heraus­bewegt oder etwa in ein Sperrgebiet oder in Richtung einer Untiefe fährt. Stichwort Untiefe: Schocksensoren und sehr abrupte Geschwindigkeitsänderungen zeigen dem Vercharterer, ob es eine Grundberührung gegeben hat. Leugnen bei Rückgabe zwecklos!

Eigner können das Geofencing als Ankeralarm nutzen. Bewegt sich das Schiff aus dem definierten Bereich, gibt es eine Warnung aufs Handy. Auch bei Diebstahl kann das System helfen: Ist der digitale Zaun um den Hafen gezogen, wird beim Verlassen der Marina der Eigner informiert. Solange es ein Handynetz gibt, sendet die Yacht ihre Posi­tion. Bei Garmin sorgt eine interne Batterie dafür, dass das noch 48 Stunden lang geschieht, nachdem der Dieb das OnDeck Hub genannte Interface zum LTE-Netz abgeklemmt hat. Gegen Diebe helfen auch Tür- und Lukenkontakte sowie die Überwachung des Innenraums mittels Sensoren. Dieser kann sogar live per Kamera in Augenschein genommen werden.

Die aktuellen Möglichkeiten zur Bootsüberwachung bringen also eine ganze Menge Sicherheit. Das haben auch Versicherungen erkannt. Rabatte beim Einsatz solcher Systeme werden derzeit diskutiert.

Sinnvoll bei älteren Schiffen?

Das eine sind die seitens der Werften installierten Helferlein – was aber bringt die Entwicklung dem Wassersportler, der schon ein System von B&G, Garmin oder Raymarine an Bord hat? Die Antwort fällt jeweils unterschiedlich aus. Die Entwicklung bei Raymarine geht klar in die Richtung der Werften. Jedes System muss einzeln zusammengebaut und konfiguriert werden – von Raymarine. Für den Endkunden ist es nicht geeignet – mal eben ein Bauteil einbauen, anschließen und fertig? Geht nicht. Dafür will Raymarine keine monatlichen Gebühren erheben.

Das wiederum tut Garmin. Dessen System wiederum ist durchaus für einen Endkunden mit einem passenden Navigations- und Digital-Switching-Setup geeignet. Während die Hardware mit etwa 920 Euro noch erschwinglich ist, scheint der monatliche Betrag zur Nutzung der App Active Skipper, die unbedingt erforderlich ist, mit mindestens 14,99 Euro recht teuer.

Es wird interessant sein zu sehen, was B&G anbieten wird. Das System ist derzeit in der Entwicklung. Busseitig ist alles vorhanden: Volle Information und Inte­gration von digitalem Schalten sind längst etabliert. Es fehlt nur mehr die Schnitt­stelle ins Internet sowie eine App für die Bedienung. Wann beides kommt, kann die Navico-Tochter derzeit nicht sagen.


Weitere Anbieter:

Die Kommunikationsschnittstelle des Victron-Bordsystems nach außen heißt Venus GX, hier laufen die Informationen aus dem VE-Bus zusammen. Die kommen zum Beispiel aus dem BMV, also dem Gerät, das den Stromverbrauch misst, oder aus einem Regler für Solarzellen. So lässt sich der Ertrag der Sonneneinstrahlung jederzeit nachvollziehen. Auch Ladegeräte und Umformer können überwacht werden. Sogar ein Generator lässt sich via Venus GX schalten. Das geht auch automatisch, etwa bei niedriger Spannung oder für einen monatlichen Testlauf. Über eine USB-GPS-Maus kann die Position des Schiffs gesendet werden. Das Venus erzeugt ein schwaches WLAN-Signal, was ausreichend ist, um an Bord auf das Gerät zuzugreifen. Extern geschieht das via Ethernet und 3G-/4G-/WLAN-Router
Foto: Victron Energy

Eine simple und erschwingliche Alternative bietet die englische Firma Yacht Sentinel. Deren YS 6 genanntes System ist ein modulares Paket von Kästen, die Türen, Bewegung im Innenraum, Bewegung des Schiffs oder den Wasserstand in der Bilge über­wachen können. Auch eine Kamera ist integrierbar. Das Basismodul reicht schon für ein­fache Funktionalität aus. Ab 599 Euro für die Hardware geht es los; hinzu kommen ca. 60 Euro pro Jahr für die Nutzung der App. Weitere Module bis hin zum Satellitenhub lassen sich hinzukaufen. Victron bietet ebenfalls die volle Über­sicht, allerdings nur über die Daten, die mit dem Energiemanagement zu tun haben. Beispiele: Akku-Spannung, Stromverbrauch an Bord oder Solar-Ertrag.

Eher etwas für IT-affine Menschen ist die Lösung über einen eigenen Bord-PC. Auch der kann Daten aus verschiedenen Sensoren an Bord sammeln, aufbereiten und diese, wie bei Victron, an einen Router senden. Von dort geht es ins Inter­net. Wie diese Daten aufbereitet werden, um jederzeit abrufbar zu sein, obliegt dann dem eigenen Anspruch. Eine Möglichkeit ist die Software Gra­fana, die auch Boris Herrmann nutzte. In ihr lassen sich unter anderem Schwellenwerte für Alarme definieren, die dann als Nachricht auf ein Smartphone gesendet werden. Aus dem NMEA-Bus in den PC gelangen die Daten mit einem NMEA-to-LAN-Adapter, wie zum Beispiel dem LAN-Link von Digital Yacht.

Die Möglichkeiten, Bootsdaten auf Handy, Tablet oder Laptop zu bekommen, sind mittlerweile vielfältig. Was für den eher traditionellen Eigner Spielerei sein mag, ist für den Charterflottenbetreiber ein sehr wichtiges Werkzeug. Und spätestens, wenn man im Herbst am Freitagabend auf ein frisch erwärmtes Boot kommt, tritt die Sorge um das Sammeln von Big Data bei Anbietern und Werften vielleicht in den Hintergrund.


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