„Die Initiative, Bootseigner zur Abkehr von fossilen Treibstoffen zu motivieren, ist dann sinnvoll, wenn diese wissen, dass sie an der niedersächsischen Wattenmeerküste von Leer bis Brunsbüttel in einem machbaren Abstand E-Ladesäulen vorfinden“, heißt es auf der Internetseite des Mellumrat e.V.. Die Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft ist einer der Beteiligten des Projektes, mit dem die technischen Anforderungen für eine klimaneutrale Freizeitschifffahrt untersucht werden sollen. Gefördert wird die Initiative vom Bundesverkehrsministerium.
Laut dem Konzept zur “Elektrifizierung” der Hafenstandorte der niedersächsischen Küstenregion braucht es für eine rund 430 Kilometer lange Ladeinfrastruktur-Kette entlang der Küste zwischen Ems und Elbe insgesamt 21 Ladestationen in einem Abstand von höchstens 30 Kilometern.
Hauptziel des Projektes ist nun die Ermittlung dieser Standorte und die Konzeptionierung eines flächendeckenden Ladenetzes entlang der niedersächsischen und hamburgischen Wattenmeerküste. Die ermittelten Standorte sollen dann kategorisiert und in einer Karte für potenzielle Nutzer zu Verfügung gestellt werden. Projektleiter Lukas Hoppe vom Dienstleister GP Joule über die Herausforderungen bei der Standortsuche: „Die Standorte müssen hochwasser- bzw. sturmflutgeschützt sein, sie unterliegen überwiegend dem Tideneinfluss und sie adressieren zudem unterschiedliche Nutzerkreise, wie Motor- oder Segelbooteigner, ggf. die kommerzielle Schifffahrt im Hafen, sowie das Laden von Privat-PKW.“
Denn da der Bedarf von Seeseite aus anfangs noch gering sein wird, sollen die Ladesäulen in den Häfen möglichst so installiert werden, dass sie gleichzeitig auch für Autos genutzt werden können, um die Auslastung zu erhöhen. Die meisten Marinas verfügen zwar bereits über Stromverbindungen an den Stegen. Allerdings sind die Leitungen nicht dafür ausgelegt, Antriebsbatterien zu laden. Wenn es um das Laden mit Gleichstrom geht, wird in vielen Fällen eine Netzanschlusserweiterung gebraucht. Das ist besonders für größere Boote oder solche, die schneller laden müssen, wie etwa Wassertaxen, wichtig.
Während der Umstieg auf Elektromobilität an Land langsam, aber stetig voranschreitet, bewegt sich auf dem Wasser bisher recht wenig. Das liege vor allem am „Henne-Ei-Problem“, so Fachberater Christian Bahlke vom Mellumrat e.V.. „Das Wasser wurde vergessen bei der ganzen Elektrifizierung”, bestätigt auch der Vorsitzende des Beirats für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, Holger Wesemüller. Um Bootseigner zum Umstieg zu motivieren, müsse jemand anfangen, die erforderliche Infrastruktur aufzubauen.
Wenn die Voraussetzungen dafür erstmal geschaffen sind, gebe es laut Christian Bahlke für Bootseigner eigentlich kein Argument gegen den Umstieg. Denn abgesehen davon, dass ein E-Motor, wenn er mit regenerativer Energie betrieben wird, umweltfreundlich und klimaneutral ist, seien sie auch komfortabler für Bootsbesitzer. „Man braucht keine Kanister mit Benzin durch die Gegend schleppen.” Außerdem hätten E-Motoren eine längere Lebensdauer als Dieselmotoren. In der Anschaffung seien sie zwar teurer, die Betriebskosten lägen aber etwa ein Drittel unter den üblichen Kosten.
Die ersten Häfen und Marinas haben bereits Interesse signalisiert, Ladesäulen für Elektroboote am Wasser zu installieren - darunter die Stadt Leer und der Küstenort Neuharlingersiel in Ostfriesland. Viele Hafenbetreiber würden sich dem anschließen, wenn der Aufbau von Ladeinfrastrukturen gefördert würde, so Wesemüller. Die Initiatoren hoffen darauf, dass das Land Niedersachsen - ähnlich wie Schleswig-Holstein - so eine Förderung auf den Weg bringt. Das Nachbarbundesland macht bei seiner Förderung keinen Unterschied, ob es ein Ladepunkt für ein Auto oder ein Boot ist.
Bisher aber ist eine Förderung vom Land nicht in Sicht. „Wir begrüßen die geplante Elektrifizierung der Freizeitschifffahrt an der niedersächsischen Küste […] Aktuell sehen wir allerdings keinen Ansatz für eine landesseitige Unterstützung”, teilte das niedersächsische Wirtschaftsministerium mit Hinweis auf die Haushaltslage mit.
In Italien, Spanien und Skandinavien ist man in Sachen E-Mobilität auf dem Wasser hingegen schon einige Schritte weiter. Allein zwischen Göteborg und Kristiansand sollen mehr als 400 Ladepunkte für Elektroboote geschaffen werden.
In einer Arbeitsgemeinschaft wollen die Projektverantwortlichen nun ausarbeiten, welche technischen Fragen es vor Ort gibt - und dann möglichst bald eine erste Ladesäule aufstellen. „Im Augenblick reicht unsere Initiative von der Ems bis zur Elbe”, sagte Bahlke. Perspektivisch sei aber ein Anschluss niederländischer Häfen und an den Nord-Ostsee-Kanal Richtung Ostsee das Ziel. Vor dem Hintergrund, dass die Wattenmeer-Anrainer Deutschland, Dänemark und die Niederlande schon 2010 vereinbart haben, die Wattenmeer-Region bis 2030 klimaneutral machen zu wollen, scheinen die Maßnahmen mehr als überfällig. Mathias Heckroth, Geschäftsführer des Mellumrats, sieht in dem Projekt eine Chance, dass das Vorhaben Schule machen wird: „Im trilateralen Weltnaturerbe Wattenmeer nehmen wir gern eine Vorreiterrolle ein und zeigen, dass fossilfreie Mobilität in diesem anspruchsvollen Wassersportrevier etabliert werden kann.“