WerftporträtBeneteau - Auf zu neuen Horizonten

Yvonne Heinen Foudeh

 · 30.10.2018

Werftporträt: Beneteau - Auf zu neuen HorizontenFoto: Werft

Als einfache Familienwerft 1884 gestartet, gehört die Beneteau-Group heute dank Automatisierung zu den Global-Playern im internationalen Bootsgeschäft

Europas Bootsindustrie boomt wie seit Jahren nicht mehr. Neben kleinen und mittleren Unternehmen, die rund 90 % der Branche ausmachen, repräsentiert die französische Beneteau-Group einen der führenden Global Player: Die Familienwerft entwickelte über einzigartige Kompetenz und ein gutes Marktgespür ihre heutige Marktstellung im Bau von Booten.

Mit zehn weltbekannten Marken wie beispielsweise Beneteau, Jeannau, Prestige, Monte Carlo Yachts, Glastron, Four Winns oder Lagoon, deckt die Unternehmensgruppe heute das gesamte Portfolio ab – von Segelyachten bis zu Motorbooten, die mit 56 % des Gesamtabsatzes den Schwerpunkt stellen, von Mono-Rümpfen bis zu Katamaranen.

BOOTE hatte die einmalige Gelegenheit, hinter die Kulissen in die Produktionsstätten zu blicken und sich mit den Experten am Firmensitz in Saint-Gilles-Croix-de-Vie auszutauschen, einer kleinen Küstenstadt in der Vendée, 80 km südlich, von Nantes.

Mehr als 200 Modelle von 4,5 m bis über 30 m Länge lassen Kundenträume wahr werden und erfüllen alle Bootsbedürfnisse. Rund 9500 Boote – darunter 28 neue Modelle – wurden im Geschäftsjahr 2016/17 über insgesamt 1000 Verkaufspunkte (überwiegend dezidierte Händler) weltweit verkauft.

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Das Segment Bootsbau repräsentiert 85 % des Konzernumsatzes (1,2 Mrd. € Umsatz im Geschäftsjahr 2016/17 insgesamt und damit eine Wachstumsrate von zuletzt 11,2 %). Zahlen, hinter denen eine industrielle und logistische Agilität steht, ferner ausgeklügelte und gewachsene Partnerschaften mit Lieferanten für technische und Innenausstattung sowie für alle im Einsatz befindlichen Fertigungssysteme.

Eine Prämisse, die gleichermaßen für die Entwicklung und Produktion von Booten und Yachten sowie für Ferienhäuser gilt – der zweiten starken Säule der Gruppe. Dabei wertschätzt Beneteau als entscheidendes Potential die 6000 Mitarbeiter (7000 insgesamt) an ihren 19 Produktionsstandorten allein im Bootsbau:

„Ihr einzigartiges technisches Know-how und ihr handwerkliches Können sind in unseren Produkten zu sehen", hebt Mirna Cieniewicz hervor. „Es ist ihre Leidenschaft, die unsere kreative Kapazität und Energie freisetzt. So sind wir in der Lage, die Zufriedenheit unserer Kunden zu maximieren und ihnen den bestmöglichen Service anzubieten, wo auch immer sie auf der Welt sein mögen", betont die Direktorin für Kommunikation.

Einblick in Einstellungs-, Mitarbeiter-Integrations- und Schulungs-Programme der Organisation sprechen Bände über die Unternehmenspolitik zur Förderung engagierter Personalressourcen.

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Der Bootsbau der Unternehmensgruppe für insgesamt zehn Marken – von Motorbooten und auch Segelyachten – findet an 15 Standorten in Frankreich, zweien in Italien und einer in Polen statt. Darüber hinaus verfügt die Gruppe in Nordamerika, wo bisher 25 % des Umsatzes mit Potenzial für weiteres Wachstum erzielt wurden, über zwei Produktionsstätten in Michigan und South Carolina.

1910: Das weltweit erste motorisierte Fischerboot sticht in See. Seit den Gründungstagen unter Benjamin Bénéteau im Jahr 1884 über das erste von ihm erbaute motorisierte Sardinen-Fischerboot im Jahr 1910 bis hin zur Schaffung der universellen digitalen Schnittstelle "Ship Control", die im Jahr 2017 lanciert wurde, die Firmengeschichte ist von Innovationen geprägt.

„Alle Marken der Gruppe sind von unserem Engagement geleitet, Innovationen zu entwickeln und zu verbessern, Erwartungen zu antizipieren, innovativste Materialien zu entwickeln und leistungsstarke Produkte zu geringeren Kosten zu entwickeln", erklärt uns Mathieu Herson vom Einkauf.

Handwerkskunst und Technologie

Neben diesem Credo, das zuletzt auch durch den globalen Strategieplan "Transform to Perform" im Jahr 2015 verstärkt wurde, startete Beneteau ein Programm zur drastischen Verbesserung von Arbeitsablauf, Verfügbarkeit und Durchsatz beim Schneiden der Glasfasermaterialien sowie der Produktion aller Bootsrümpfe.

Dabei hat der Bau von Booten und Motoryachten heute einen Standard erreicht, der noch vor wenigen Jahren unmöglich schien. Dies liegt an den faserverstärkten Verbundwerkstoffen, die im Bootsbau längst ihren Siegeszug angetreten haben.

Dabei bewältigen vier Zuschnittanlagen vom Typ Z1 des weltweit führenden Anbieters bei Automatisierungssystemen Gerber Technology zentral am Beneteau-Standort das Schneiden von insgesamt 40 verschiedenen Arten von Verbundwerkstoffen in drei Schichten pro Tag, fünf Tage pro Woche.

„Dank der kontinuierlichen Schneidfähigkeit und der hohen Schnittgeschwindigkeit konnten die Gerber-Zuschnittanlagen unsere Produktivität verdoppeln", freut sich Landry Chauvière.

Herausforderung bei der Prozessoptimierung: Die Zuschnittzeiten für alle Teile eines Bootrumpfes können je nach Bootsgröße zwischen 20 Minuten und 20 Stunden variieren.

„Mit der Implementierung der Jet-Pen-Lösung zur Kennzeichnung der geschnittenen Teile und der Display-ID(entifzierung) versetzte unser Technologiepartner uns in die Lage, unseren Kommissionier- und Sortierprozess zu verbessern", fügt der verantwortliche Manager für technische Koordination und Qualität hinzu.

Eine Neuorganisation der Entwicklungs- und Fertigungsprozesse ist die Folge, wobei alle erforderlichen Anpassungen vorab klar definiert waren.

Innovationsgeist: Herausforderung Energieeinsparung

Förderung von Innovation, Umweltschutz, der Erhalt des Unternehmensgeistes und die nachhaltige Weiterentwicklung von Know-how – all das umfasst dann auch das Engagement der unternehmenseigenen Stiftung, die seit ihrer Gründung im Jahr 2005 bis dato 21 Projekte lanciert und eine Reihe von wegweisenden Wettbewerben initiiert hat.

Speziell im Segment Motorboote fördert die Stiftung heute Initiativen zur Förderung von Energieeinsparungen und zum Schutz der Meeresumwelt. Und so begegnet man auch den heutigen Herausforderungen für zeitgemäße maritime Produkte und -anwendungen, sei es für Freizeit- oder Anwendungen auf professioneller Ebene.

Die Stiftung konnte bereits hervorragende Ergebnisse erzielen. Darunter die Entwicklung des Hybridantriebs für Motorboote, den Einsatz des Pultrusions-Verfahrens für leichtere Bootsrümpfe und die elektrolyse-basierte Behandlung von Abwässern aller Art – um nur einige Beispiele zu nennen.
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Außerdem beschlossen die französischen Behörden in 2017 den Expositionsgrenzwert für das im Bootsbau weit verbreitete aber umstrittene Styrol um mehr als die Hälfte zu senken. Eine Möglichkeit, um diesem neuen Anspruch gerecht zu werden, wäre eine starke Zunahme der Lüftung gewesen, die wiederum zu einem doppelten Energieverbrauch geführt hätte.

Diese Option entsprach aber nicht dem ökologischen Engagement des Unternehmens und hätte einen Rückschritt auf dem Weg hin zur Zertifizierung nach internationaler Umwelt- und Energiemanagementnorm ISO 14001 und 50001 bedeutet.

Stattdessen wurde umgehend ein Aktionsplan für Styrol eingeführt, der mehrere Schlüsselbereiche in Bezug auf verwendete Rohstoffe und Prozesse abdeckt.

Dazu noch einmal die Kollegin aus der Beneteau-Kommunikation, Mirna Cieniewicz: "Während es jedem Unternehmen obliegt, den Level seines Engagements zu definieren, haben wir uns vor langer Zeit dafür entschieden, die Wörter „unmöglich“ und „niemals“ schlicht aus unserem Wortschatz zu eliminieren.“

Schlüssel zum Erfolg der Groupe Beneteau: Hochautomatisierte Produktion

Verbundmaterialien, wie sie für Rümpfe, Decks und andere Kunststoffteile bei allen Beneteau-Marken (unter anderem Jeanneau, Lagoon, MCY – Monte Carlo Yachts, CNB, Prestige sowie die 2014 erworbenen US-Marken Four Winns und Glastron) verwendet werden, erfüllen höchste Ansprüche in Bezug auf Oberflächengüte, Witterungsbeständigkeit, Langzeitwirkung zum Schutz gegen Salz- und Frischwasser sowie Osmose, Ausbleichen und Farbwechsel.

Dies ist unter anderem ein Ergebnis der Fortschritte bei der Entwicklung neuer und zugleich erschwinglicher Automatisierungssysteme. Neben der Kunststofffertigung erstrecken sich die neuen Produktionsprozesse in den Beneteau-Werften auch auf die Motor- und Antriebsinstallation, die Elektrik und das Interieur.