Sören Gehlhaus
· 03.08.2022
Der Teufel sitzt im Hardtop: Sie ist die größte Riva, die noch in Sarnico gefertigt wird. Testrevier war das Mittelmeer vor Cannes, auf dem das Vorführboot mit einer super Performance überzeugte.
So wie die 68’ Diable heckseitig im Vieux Port von Cannes daliegt, lässt sich nichts Diabolisches an ihr ausmachen. Riva gibt seinen Modellen nicht einfach nur eine schnöde Bezeichnung, nein, jede Yacht erhält einen Beinamen, der Auskunft über den Charakter gibt – sofern eine Yacht so etwas überhaupt haben kann. Man mag es kaum glauben, aber ich stehe vor dem Teufel. Und der trägt ein GFK-Kleid in Graumetallic, mit Karbonkragen und Mahagoni-Saum sowie funkelnden Edelstahl-Applikationen – und kommt frisch aus dem Binnenland.
Das 20,67 Meter lange Open Format ist die größte Yacht, die Riva am Stammsitz in Sarnico am Lago d’Iseo fertigt und vor allem noch per Tieflader ans Meer transportieren kann. Aus dem Herzen der Lombardei sind es 280 Kilometer bis ans Mittelmeer (Viareggio) und 300 Kilometer bis an die Adria (Ravenna). Die Produktion größerer Modelle, also ab der 76‘ Perseo Super, lagert die Ferretti-Gruppe nach La Spezia aus. Dort erhöhte man jüngst die Produktionskapazität und baut an dem GFK-Flaggschiff 130‘ Bellissima. Lediglich das Stahl-Alu-Format 50Metri fertigt die Superyacht-Division in Ancona.
Den Rumpf hat der Teufel dem Rebellen abgeluchst. Die 68’ Diable kommt aus der gleichen Form wie die 66‘ Ribelle, wurde aber um zwei Fuß verlängert. Sowohl das Exterior als auch das Interior entwickelte Officina Italiana Design. Das Studio aus Bergamo betreut seit vielen Jahren die gesamte Riva-Palette, vollumfänglich. OID-Chefdesigner Mauro Micheli gibt Einblicke in das Gesamtkonzept: „Ein Schwerpunkt lag auf dem perfekten Gleichgewicht der Linien und Formen. Das Hardtop mit seiner ungewöhnlichen Silhouette, die auch mit der Windschutzscheibe zu einer Einheit verschmilzt, ist ein charakteristisches Stilmittel, das wir in den letzten Jahren bei allen Riva-Modellen verwendet haben. Der daraus entstandene Aufbau ist nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch funktionell und schützt Gäste im Cockpitbereich während der Fahrt vor Sonne, Wind und Gischt.“
Wie recht Micheli hat, zeigt sich während der Fahrt. Die schnittige Karbonkonstruktion mit ihrer zentralen Glasscheibe leitet den Fahrtwind so ab, dass es sich während rasanter 36-Knoten-Fahrt über den Golfe de la Napoule prächtig im Cockpit unterhalten lässt. In dem voll beladen 44 Tonnen verdrängenden Vorführmodell steckt die große Motoroption aus zwei MAN-Aggregaten, die je 1.213 Kilowatt leisten. Bei 30 Knoten laufen sie mit 1.750 Umdrehungen und fordern pro Stunde 412 Liter Diesel ein. Auch das Fortbewegen an Deck gelingt mühelos, da der Rumpf Kabbelwellen ohne Weiteres wegbügelt. Riva stattete mit dynamischen Trimmklappen von Humphree aus und offeriert einen Kreiselstabilisator (Seakeeper NG9) als optionalen Komfortgewinn.
Das mit Xenta entwickelte elektrohydraulische Steer-by-Wire-System setzt Steuerbefehle präzise um, wobei für langsames Manövrieren ein Joystick mit Andockfunktion bereitsteht, der die Wirkung der beiden Propeller und des Bugstrahlruders kombiniert und für viele Eigner den Einsatz eines Marineros überflüssig machen wird. Das Dynamic Positioning System ist fakultativ und tariert die Position automatisch aus, etwa für den kurzen Halt ohne Ankerwurf.
Im Stillstand zirkuliert durch die großen seitlichen Hardtop-Öffnungen, die bei Schlechtwetter geschlossen werden, viel Luft in den gesamten überdachten Bereich. Nach achtern fährt ein Bimini automatisch aus dem Hardtop. Zum Zusatzpaket gehört ein Panoramadach, das sich je nach Windrichtung nach vorn oder hinten ankippen lässt. Für die ultimative Abkühlung senkt sich die Badeplattform backbordseitig auf nahezu voller Breite gemeinsam mit den seitlichen Stufen ab. Die Lazarette fasst mindestens einen Williams SportJet 345 und einen Seabob.
Unter Deck grenzt sich die Diable mit einem neuen Layout von der Ribelle ab. An den breiten Achter- und Frontsuiten hält Riva fest. Mittschiffs bleibt die Galley offen, wechselt aber die Seiten und verläuft nun etwas verkleinert rumpfseitig an Backbord. Gegenüber macht ein L-Sofa das Kochen zu einem Gemeinschaftsereignis, mit bis zu 2,20 Meter Stehhöhe. Durch die Schaffung des Minisalons wurde der Backbordkabine mit den beiden Einzelbetten allerdings das eigene Bad genommen. Gäste nutzen nun die Tagestoilette an Steuerbord, zu der eine Duschkabine gehört.
Auch stilistisch bleibt das Officina-Italiana-Team den Riva-Werten treu: Es glänzt das Holz und das Metall und dennoch ist der Ton ein gesetzter, auch dank der cremefarbenen Deckenpaneele. Türen öffnen sich über die bekannten Edelstahlgriffe mit geprägtem Schriftzug. Unter 24 Lackschichten sieht es, ganz Riva-like, nach Mahagoni aus. Doch das ist weit gefehlt, wie Riva-Designer Mauro Micheli berichtet: „Wir haben zum ersten Mal poliertes Wengé verwendet, dessen subtile Maserung eine natürliche Eleganz verleiht.“ Statt des dunkel gestreiften Holzes wählte Micheli ein mattes grau-weißes Eichenfurnier als Alternative für jene Eigner aus, die es ein wenig heller mögen. Das Konzept trifft den Geschmack, acht Einheiten waren Stand Cannes-Messe bereits verkauft. Zum Vergleich: Die 66‘ Ribelle stellte Riva insgesamt 18-mal her.
Das Porträt der Riva 68’ Diable finden Sie in BOOTE-Ausgabe 09/2022 ab dem 17. August 2022 am Kiosk – und schon jetzt hier.