Ferretti Yachts 860Familienorientierte 27-Meter-Yacht mit Flybridge

Sprintet gekonnt aus dem Schatten der 850: die sportliche Ferretti Yachts 860
Foto: Hersteller
Hinter der sportlichen Silhouette der Ferretti Yachts 860 verbirgt sich ein familiäres Fundament, das viele Geschmäcker trifft. Die 27-Meter-Flybridge sprintet gekonnt aus dem Schatten der erfolgreichen 850.

Die fährt bereits, obwohl sie noch im Hafen liegt. Da sind die Fensterkeile des Unterdecks, die Bugspitze und diese klingenhafte Aussparung im Schanzkleid, die zusammengenommen eine starke Vorwärtsdynamik erzeugen. Die agile Optik der Ferretti 860 täuscht über den recht weit hoch gezogenen Rumpf hinweg, der schnellen Yachten eigentlich gar nicht gut steht. Zusätzliche Dramatik erzeugt der Schwarz-Weiß-Kontrast aus dunklen Glasflächen und weißer Außenhaut. Dazu kommt der Aufbau mit Raubtierblick ausgehend von der angehobenen Brücke. Und klar, von Lichtkanten durchzogene „Muskeln“ dürfen an den Flanken eines Flybridge-Formats nicht fehlen. Und dennoch schafft es Filippo Salvetti, mit der Rumpf-Deck-Einheit wahrhaftige Eleganz zu transportieren. Egal ob alt oder jung – das größte Mittelklassemodell von Ferretti Yachts dürfte vielen gefallen.

Ferretti 860 mit zeitlosen Linien

Mit an Bord in Cannes ist Oliver Sieckmann vom gleichnamigen deutschen Ferretti-Händler. „Die Linien der 860 werden auch noch in zehn Jahren gut aussehen“, sagt er. „Sie ist nicht übermäßig kurvig oder zu kantig, sie ist klassisch, und das ist wichtig, wenn man den Wert seiner Investition in eine Yacht erhalten will.“ Dass der knapp 27 Meter lange GFK-Halbgleiter aus dem italienischen Cattolica tatsächlich lossprintet, liegt an zwei MAN-Zwölfzylindern. Sie leisten jeweils entweder 1324 oder 1471 Kilowatt und lassen Geschwindigkeiten von bis zu 32 Knoten zu. Die Marschfahrt liegt mit der kleineren Motoroption bei 24 Knoten. Bis zu 300 Seemeilen geht es weit, sofern im Bunker 7000 Liter Diesel schwappen. Bei zehn Knoten Fahrt verdreifacht sich der Aktionsradius. Auch der Weg zum Seekomfort unterliegt persönlicher Präferenz. Zur Wahl stehen ein Kreiselstabilisator von Seakeeper oder Sleipners Side-Power-Vektorflossen. Den Haken beim Xenta-Joystick werden viele Kunden setzen. Die orchestrierte Ansteuerung der beiden Propeller und von Bug- und Heckstrahlruder erleichtert das Manövrieren bei langsamen Geschwindigkeiten und hält mithilfe von GPS die Position, ohne den Anker werfen zu müssen.

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„Die 860 läuft gut“, bestätigt Sieckmann auf der Flybridge. „Es ist eine gute Rumpfform, die auf schnelles Cruisen ausgelegt ist. Wir sehen viele Familien, vor allem jüngere, die nach Yachten in dieser Größenordnung suchen, und sie mögen die größere Reichweite. Alle unsere Kunden würden gerne mehr und weiter wegfahren, das ist zumindest das Gefühl, das wir aus Gesprächen mit ihnen gewinnen.“

Familienorientiertes Modell

Während das Äußere klassisch und doch sportlich daherkommt, dürfte es vielen Eignern der Ferretti 860 eher um Geselligkeit und Entspannung als um Geschwindigkeit gehen. „Ich würde sagen, dass die 860 familienorientiert ist“, bekräftigt Sieckmann. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Verbindung zwischen Außen- und Innenraum, wozu Salvettis großzügiger Einsatz von Glas beiträgt. Die Aussicht ist stets frei, man muss nie den Kopf einziehen oder sich verrenken. Das großzügige Raumgefühl stellt sich bereits beim Anbordgehen ein. Die Weite des Gästecockpits unterstreichen zwei längs angeordnete Sitzbänke und das gläserne Schanzkleid achteraus. Hier gibt es eine Bar an Backbord, reichlich Schatten und Schutz, aber auch frische Luft und einfachen Zugang zum Wasser – Qualitäten, die Gäste jeden Alters begeistern.

Die Glasschiebetüren zwischen dem hinteren Cockpit und dem Salon lassen sich auf voller Breite öffnen. „Mein erster Eindruck beim Betreten des Salons war, dass er wirklich riesig ist“, so Yachtkenner Sieckmann. „Es sind die großen Seitenfenster, die viel Licht hereinlassen. Mir gefällt die offene Raumaufteilung zwischen Wohn- und Essbereich und natürlich der italienische Stil.“ Wie bei den letzten Modellen vergab Ferretti Yachts die Interieurplanung an Ideaeitalia aus La Spezia, die zwei Dekorvarianten ausarbeiteten: zeitgemäß oder klassisch. Beide zeichnen sich durch loses Mobiliar aus, wobei die klassische Ausrichtung dunklere Hölzer und sattere Stofftöne verwendet.

Lichtdurchflutete Ferretti 860

Den Salon umgibt derart viel Glas, dass es selbst der backbords ins Panorama lugende 75-Zoll-Flachbildfernseher nicht vermag, den Weitblick zu trüben. Entscheidungsmut erfordert auch die Wahl zwischen offener oder geschlossener Galley. Für letztere Option spricht eine Trennwand, die Keramik der neuen Generation von Florim ziert und die wie eine Platte aus luxuriösem Marmor aussieht. In beiden Varianten geht es an Steuerbord über eine Pantographen-Seitentür in den Kochkubus und weiter in den Steuerstand. Unabhängig davon, für welches Layout man sich entscheidet, hält steuerbords eine seitliche Glasschiebetür den Essbereich offen und luftig.

Eine geschwungene Treppe an der Backbordseite des Salons führt zu den Kabinen auf dem Unterdeck. Selbst die Unterkünfte – und nicht nur die der Eigner – erhalten dank der üppigen Rumpffenster viel Licht. Die Mastersuite beansprucht mittschiffs die volle Breite für ein mittig platziertes Bett, einen Schreibtisch, eine Couch, den begehbaren Kleiderschrank und eine Spiegelwand, hinter der sich ein Fernsehbildschirm verbirgt. Das Bad verfügt über zwei Waschbecken und separate Bereiche für Toilette und Dusche. Weitere Schlafplätze bieten eine Doppel-, eine Zweibett- und eine VIP-Kabine. Alle verfügen über ein eigenes Bad und bieten hervorragende Licht- und Sichtverhältnisse. „Stellen Sie sich vor, wie schön es wäre, morgens die Jalousien zu öffnen und um sich herum türkisfarbenes Wasser zu sehen“, schwärmt Oliver Sieckmann. „Dieses Schiff ist perfekt für das Mittelmeer, Amerika oder Asien. Überall, wirklich.“

Ein weiterer ausgezeichneter Bereich, um einen sonnigen Tag in guter Gesellschaft zu genießen, ist das Vordeck. Auf diesen elf Quadratmeter großen Bereich lockt ein tiefes, nach vorn gerichtetes Sofa mit eingebauten Glas- oder Flaschenhaltern und eine C-förmige Sitzgruppe, die einen Couchtisch aus Teakholz umschließt, auf dem im Sonnenmodus ein großes Polster landet. Das gesamte Lounge-Areal kann über ein Bimini an vier abnehmbaren Carbonspieren beschattet werden. Der Bugbereich wird durch jeweils zwei Klampen, Ankerwinden und Eisen ergänzt, die klassisch über den Steven ins Nass fallen. Erst ab der Ferretti 920 gibt es eine Ankertasche im Bug. Die Festmacher und andere Utensilien lagern in Fächern, die bündig in das Schanzkleid eingelassen sind.

Flybridge-Yacht mit Features

Die Krönung der 860 ist naturgemäß die Flybridge, die vom Achterdeck über eine Teakholztreppe erreicht wird. „Die Fly hat ein besonderes neues Layout mit einer L-förmigen Wetbar, die sehr stilvoll ist“, so der Yachthändler aus Hamburg. „Ein weiteres schönes Feature ist die Liegefläche direkt am Steuerstand. Außerdem kann achtern ein Whirlpool realisiert werden.“ Eigner statten die große Fläche nach Belieben und das Hardtop wahlweise mit festem oder zu öffnendem Glasdach oder mit Sonnenschutzlamellen aus – alles Optionen, mit denen sich die Fly an unterschiedliche Bedürfnisse und Klimazonen anpassen lässt.

Natürlich findet ein großer Teil des Bordlebens im oder direkt am Wasser statt. Die Garage der Ferretti 860 ist groß genug für ein Williams Sportjet 395 und einen Jetski, und beides lässt sich über die hydraulische Badeplattform wassern. „Diese Garage ist etwas, das derzeit keine andere Yacht in dieser Größenordnung bietet. Wenn die Spielzeuge im Wasser sind, entsteht bei geöffneter Lazarette ein Beachclub. Und über die gläserne Balustrade wird Blickkontakt mit den Personen im Cockpit gehalten.“

Eine weitere Lösung, mit der sich Ferrettis 27-Meter-Flybridge abgrenzt, ist die Platzierung der Crew-Quartiere für vier Personen: Zwei Kabinen, jeweils mit Bad, liegen im Gegensatz zu anderen Yachten dieser Größenordnung nicht im Heck. Sieckmannn dazu: „Die Unterbringung im Bug ist sinnvoller, weil die Besatzung so einen schnellen und direkten Zugang sowohl zum Steuerstand als auch zur Galley hat. Und wenn man bedenkt, dass sich Familien während des Ankerns oder in der Marina normalerweise im hinteren Cockpit aufhalten, ist es für die Crew einfacher, sich hauptsächlich im vorderen Teil der Yacht zu bewegen.“ Während die meisten Crew-Quartiere und -Arbeitsbereiche aus Gründen der Effizienz und Privatsphäre von den Gästebereichen strikt getrennt sind, ist die erhöhte Brücke ein Ort, an dem sich Gäste und Crew mischen. Entsprechend zeigt sich die Einrichtung. Sie ist gesellig und umfasst eine Sofaecke mit Couchtisch und zwei Steuersesseln von Poltrona Frau. Und selbst in diesem Arbeitsbereich, den eine Phalanx an Simrad-Displays dominiert, beeindruckt die Frontscheibe aus einem Stück.

Mehr als ein „Thronfolger“

Die 860 ist weit mehr als eine Weiterentwicklung des erfolgreichen 850er-Modells, die Ferretti Yachts ursprünglich 2017 präsentiert hatte. Das zeigt die Entschlossenheit der Werftengruppe und die Bedeutung dieses Segments. Denn über Deck misst die 860 in Gänze zwar 26,95 Meter, der Rumpf aber ist ohne Badeplattform und die theoretisch abnehmbare Bugsektion drei Meter kürzer – und somit gerade so lang, dass sie in die CE-Kennzeichnung fällt und eine große Anzahl an Eignerkapitänen anspricht.

Obwohl die 860 neu auf dem Markt ist, bestätigt Sieckmann, dass ihn viele Anfragen erreichen und dass die Warteliste bereits lang sei. „Ich bin sicher, dass sie genauso erfolgreich sein wird wie die 850“, sagt er. Aber das ist vielleicht noch untertrieben: Die Ferretti Yachts 860 ist mehr als nur ein „Thronfolger“, sie schickt sich an, eine Referenz zu werden.


Technische Daten

  • Länge über alles: 26,96 m
  • Länge (Rumpfform): 23,96 m
  • Breite: 6,22 m
  • Tiefgang: 2,08 m
  • Höhe: 9,58 m
  • Verdrängung (leer): 72 t
  • Material: GFK
  • Motoren: 2 x MAN V12 1800 / 2000
  • Motorleistung: 2 x 1324 kW / 1471 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 28 kn / 32 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 24 kn / 27 kn
  • Stabilisator: Seakeeper / Side-Power Vector
  • Kraftstoff: 7000 l
  • Wasser: 1400 l
  • Konstruktion: Ferretti Group
  • Exterieurdesign: Filippo Salvetti
  • Interieurdesign: Ideaeitalia
  • Klasse: CE A, RINA B + F + A1
  • Werft: Ferretti Yachts, 2022
  • Startpreis: ab 5,4 Mio. Euro
  • Händler: Sieckmann Exclusive Yachting
Skizze FlybridgeSkizze DeckSkizze Layout

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