Peter Laessig
· 07.02.2014
Bénéteaus Gran Turismo 44 ist komfortabel und elegant wie ein echter GT-Sportwagen. Ausgelegt ist die schnelle Open für Reviere der CE-Kategorie B.
Kaum eine europäische Werft dürfte momentan ein derart großes Angebot an Motorbooten haben wie die französische Werft Bénéteau. Das Sortiment reicht vom fünfeinhalb Meter langen Außenborderboot über Boote für Sportfischer bis hin zu Trawlern. Dazwischen gibt es Daycruiser oder Boote mit Flybridge und unter den insgesamt 30 Modellen eine Reihe, die sich "Gran Turismo" nennt. Dazu gehört unser Testboot GT 44, das viel Ähnlichkeit mit der früher gebauten Monte Carlo 42 hat, die wir im Vergleich mit einer Absolute 42
im Novemberheft 2010 als "Gemischtes Doppel" vorstellten.
Die GT 44 ist dem Design nach ein klassischer Daycruiser mit Hardtop, das achtern offen steht, aber mittels Verdeck verschlossen werden kann. Standard ist ein großes elektrisches Schiebedach. Die Motorisierung besteht ausschließlich aus einem Doppelpack Dieselmotoren von Volvo Penta mit Duoprop-Z-Antrieben.
Gut in der Hand mit Joystick-Steuerung
Bestellt man die Ausstattungspakete "Dynamic" oder "Ambition", ist jeweils das Joystick-Steuerungspaket enthalten, mit dem jeder das Boot in langsamer Fahrt gut handhabt. Es nahezu auf der Stelle zu drehen gelingt entweder mithilfe des Joysticks oder wenn man einen Schalthebel auf "voraus" und den anderen auf "zurück" legt. Stehen beide Schalthebel auf der Vorwärtsposition, durchmisst ein Vollkreis etwa 1 ¾ Bootslängen.
Die im Rückwärtsgang gefahrenen Kreise fallen ein wenig enger aus, und beim Umsteuern braucht es etwa zehn Sekunden Geduld, bis das Testboot reagiert. Rückwärtsfahrten werden ohne Joystick "etwas arbeitsintensiv", da die V-förmige Stufe im Rumpf das Boot ablenkt. Heißt: Manövrieren im Hafen mit Joystick prima, ohne diesen nicht so toll – oder man bestellt in der Standardversion ein Bugstrahlruder.
In langsamer Fahrt halten wir die Drehzahlen auf 1000/min, damit die vom Boot erzeugten Wellen bei 7 kn Fahrt nicht zu hoch werden. Ab 2200/min (15 kn) beginnt das Testboot mit ganz beigetrimmten Antrieben zu gleiten. Der Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt ist mit geringer Vertrimmung verbunden, was die eh gute Voraussicht noch begünstigt. Als störend empfindet man den sich spiegelnden, hellen Untergrund vor der Windschutzscheibe.
Wirtschaftlich unterwegs bei 25 Knoten
Nach Auswertung unserer Messwerte ermitteln wir für die wirtschaftliche, schnelle Gleitfahrt ein Tempo von 25 kn bei 2800/min. Als Höchstgeschwindigkeit loggen sich 32,4 kn im GPS ein. Für die theoretischen Reichweiten heißt das, mit einer Tankfüllung kommt man in langsamer Fahrt etwa 609 sm weit, bei ökonomischer Fahrt 182 sm. Mit Vollgas (3450/min) muss man sich nach etwa 144 sm nach einer Bunkerstation umschauen, sollen jeweils 15 % Reserve in den Tanks verbleiben. Damit erfüllt das Testboot nur in langsamer Fahrt unsere Forderung von wenigstens 270 sm Aktionsradius plus Reserve. Besser fallen dagegen die Schalldruckwerte aus; bei Vollgas haben wir nicht mehr als 84 dB/A gemessen.
Der Abschnitt "Extremmanöver" in voller Fahrt ist kurz, da das Testboot mit dem Bénéteau-eigenen Air-Step-Rumpf ausgestattet ist, bei dem während der Fahrt Luft in eine V-förmige Stufe unter dem Rumpf eingeleitet wird. Dieses System lässt das Boot auf einer Art Luftkissen gleiten, was zu noch ökonomischerer Fahrt verhelfen soll und negative Reaktionen des Rumpfes in Kurvenfahrten verhindert.
Antriebe reagieren mit Verzögerung
Die Ausstattung mit Joystick hat zur Folge, dass die Einschlagwinkel der Z-Antriebe von Geschwindigkeit und Drehzahlen beeinflusst werden: In voller Fahrt durchmessen die Vollkreise beim Testboot minimal etwa 100 m, und auf die Passagiere wirken dabei nicht mehr als bestens haltbare 0,38 g Fliehkräfte; wer engere Kurven drehen möchte, muss Fahrt wegnehmen. Beim Slalomkurs bringt man die GT 44 ungefährlich zum Pendeln über die Längsachse.
Damit man nicht in Panik gerät, muss man wissen, dass die Antriebe mit etwa einer Sekunde Verzögerung reagieren, wenn man das Ruder bewegt. Dass Boote mit tiefem V-Rumpf bei Kurvenfahrten zum Kurvenmittelpunkt hinkippen, ist normal und auf dem Testboot bei Backbordkurven mit Sichtbehinderung verbunden, weil das Dach ins Sichtfeld schwenkt. Etwas Abhilfe bringt in dieser Situation ein offenes Schiebedach; über Steuerbord passt es.
Kurz ist auch das Kapitel Rauwasser, das Mittelmeer vor La Ciotat zeigt sich von seiner ruhigen Seite. Da die GT 44 aber mit der Monte Carlo 42 zumindest vom Rumpf her fast identisch ist, wissen wir, dass sie auch ruppiges Wasser problemlos bewältigen kann.
Eignerkabine über die Rumpfbreite
Der Skipper sitzt vor einem übersichtlichen Fahrstand auf einem verstellbaren Schalensitz. Platz für zwei Beifahrer bietet daneben eine feste Doppel-Schalensitzbank; sie ist etwas zu weit vorn angesiedelt, was die Fußfreiheit einschränkt. Dafür ist aber ein stabiler Bügel zum Festhalten angebracht. An Backbord geht es hinunter in den Wohnbereich. Der Niedergang führt direkt in die Pantry, in der, bis auf einen elektrischen Dunstabzug, ziemlich alles vorhanden ist. Kochen erlaubt.
Vor der Pantry baut die Werft das Tages- oder Gästebad mit elektrischem WC samt separater Dusche ein. Die Nasszelle ist nur vom Salon aus zugänglich. Gegenüber haben vier Personen auf einer U-förmigen Dinette Platz, die mittels des absenkbaren Tisches zur Notkoje gewandelt werden kann. Als Einlegematratze fungieren die Polster der Rückenlehne.
Gäste logieren in der abgetrennten Bugkabine auf einer ordentlich dimensionierten Doppelkoje, wo die zweiteiligen Matratzen auf Lattenrosten lagern. Die Räumlichkeit ist passend; an Stauräumen und Schränken besteht kein Mangel. Licht und Luft gelangen über die Deckenfluchtluke sowie Fenster und Bullaugen.
Die hell wirkende Eignerkabine hat die Werft unter dem Cockpit eingebaut, sie erstreckt sich über die gesamte Rumpfbreite und ist in der Mitte mit Doppelbett und an den Außenwänden mit Sideboards und Schränken bestückt. Aufgrund der Lage sind die Stehhöhen vor den Außenwänden mit 1,30 m akzeptabel und im Hauptbereich mit 2,06 m komfortabel; es gibt ein eigenes Bad mit getrennter Dusche. Wohl fühlt man sich auch im Cockpit, wo man auf einer U-förmigen Sitzbank logiert oder auf dem ausladenden Deckel der Tendergarage liegen kann. Wenn es da zu eng wird, begibt man sich auf die Liege auf dem Vordeck.
Rein in den Motorraum, aber wie?
Im Motor-Technik-Raum passt alles bis auf die Zugänglichkeit. Denn über die Cockpitbodenluke gelangt man nur vor die Motoren, da die Motorraumdecke wegen der darüber angeordneten Tendergarage den Raum stark einengt. Besser gelangt man an die beiden Diesel, wenn man in der Garage den Boden hochklappt.
Stand der Technik ist, dass die Batterien über Relais am Schaltpaneel in der Kabine geschaltet werden und sich die Sicherungen hinter einer Klappe in der Eignerkabine bestens zugänglich verstecken. Handlenzpumpen, Feuerlöschanlage und vom Fahrstand aus zu betätigende Kraftstoffventile sind nur ein paar Sicherheitspunkte, die stimmen.
Weniger gefällt uns, dass die Wasser-Alarmsensoren in den Kraftstoffvorfiltern fehlen, und dass die Badeleiter in der großen Badeplattform extra eingehängt werden muss. Die für den Notfall gedachte integrierte Jakobsleiter ist mehr Alibi als Einstiegshilfe. Was die gesamte Verarbeitung oder die technischen und elektrischen Installationen angeht, gibt es außer Kleinigkeiten keine nennenswerten Schwächen zu bemängeln.
Fazit: Die Bénéteau Gran Turismo 44 ist ein Boot, das insbesondere mithilfe des Joysticksystems und aufgrund seiner guten und sicheren Fahreigenschaften von jedem gefahren werden kann. Was die Sicherheit im und auf dem Boot angeht, stimmt so gut wie alles.
Werft: Bénéteau
Typbezeichnung: GT 44
CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 13,50 m
Breite: 3,93 m
Verdrängung: 8,90 t
Preis: 377.706,00 €