119-Meter-FeadshipDie erste Wasserstoff-Superyacht schwimmt – und steht zum Verkauf

Sören Gehlhaus

 · 09.05.2024

Die knapp 119-"Wasserstoff"-Meter gelangten bei Feadship in Amsterdam in ihr Element
Foto: Feadship / Tom van Oossanen
Feadship dockte das 118,80 Meter lange Projekt 821 in Amsterdam aus. Nun wartet der Kryotank auf Wasserstoff, den Brennstoffzellen zu Strom für den Bordbetrieb oder Antrieb verarbeiten. Die größte je in den Niederlanden vom Stapel gelaufene Motoryacht sucht einen Käufer.

Zu Feadship kommen Eigner, die auf der Suche nach individualisierter Exzellenz sind. Der niederländische Werftenverbund ging aus einer Exportvereinigung hervor und zählt zur weltweit ersten Adresse für Individualbauten von 40 bis 120 Meter Länge. Feadships hehres Ziel: Bis 2030 will man „Netto-Null“-Yachten fertigen. Mit dem 118,80 Meter langen „Wasserstoff“-Projekt 821 wurde der erste Schritt gemacht, und zuvor der richtige Eigner gefunden. Die ästhetische wie technische Ausrichtung dieser Solitäre hängt nun mal maßgeblich vom Gusto der Auftraggeber ab. Die jüngste Feadship brachte gute Voraussetzungen mit: Sie ist die größte Motoryacht, die jemals in den Niederlanden vom Stapel gelaufen ist, und übertrumpft die kürzlich verabschiedete „Launchpad“ um 80 Zentimeter. Vor allem aber hat das neue Flaggschiff 30 Prozent mehr Volumen – Speck, den man der Gigayacht nicht unbedingt ansieht.

Die Designer von RWD wirkten einer „gestapelten“ Anmutung – das Eignerdeck trennt 37 Meter von der Wasseroberfläche – mit fließend-modernen Linien, einer Vielzahl an konkaven Flächen und vergleichsweise kurzen Decks entgegen. Allerdings zeigt 821 keinen geraden Steven und lässt eine maximal lange Wasserlinie vermissen. Dabei galt es unter Deck einen Wasserstofftank zu kaschieren, in dem komprimierten Flüssigwasserstoff bei -253°C lagert. Wasserstoff ist leicht, ein Kubikmeter flüssiger Wasserstoff wiegt 70 kg im Vergleich zu etwa 800 kg pro Kubikmeter nicht-fossilem Dieselkraftstoff (HVO oder E-Diesel). Da die sichere Lagerung an Bord einen doppelwandigen Kryotank bedingt, werde für die Speicherung von Wasserstoff acht- bis zehnmal mehr Platz benötigt als für das Energieäquivalent von Dieselkraftstoff, so Feadship.

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Wasserstoff lagert im doppelwandigen Tank

Den Wasserstoff (etwa vier Tonnen) aus dem 92 m³ großen Tank verarbeiten 16 Brennstoffzellen zu Strom und Wasser in Form von Dampf. Letzteres Nebenprodukt erforderte Entlüftungsschächte und der Anschluss an das Gleichstromnetz viele Kabel und Schaltschränke. Am Ende sorgten die neuen Reaktionsräume für eine Verlängerung der ursprünglichen LOA um vier Meter. Allein mit Brennstoffzellentechnologie soll das Feadship-Flaggschiff eine Woche lang geräuschlos vor Anker liegen oder für begrenzte Zeit emissionsfrei mit zehn Knoten fahren können, etwa während sie Häfen verlässt oder in geschützten Meeresgebieten unterwegs ist. Für lange Überfahrten reicht der Flüssigwasserstoff nicht, der Fokus lag auf der Hotellast. Auf sie entfallen laut Yacht Environmental Transparency Index (YETI) 70 bis 78 Prozent des gesamten Energieverbrauchs einer Yacht, mit der Heizung und Klimaanlage als größte Verbraucher. Bei längeren Fahrten oder wenn reiner Wasserstoff nicht zur Verfügung steht, liefern HVO verbrennende MTU-Generatoren den Strom für die 3200 kW starken Pod-Antriebe von ABB. Dass dies funktioniert, beweist die 2023 gelieferte Feadship „Obsidian“. Im Gegensatz zur 84-Meter-Feadship, die Batterien mit insgesamt 4,5 Megawattstunden mit sich führt, kommt Projekt 821 auf „nur“ 543 Kilowattstunden.

Brennstoffzellen sind bereit für Methanol

Feadship betont, dass die für Projekt 821 entwickelten Brennstoffzellen auch Methanol verarbeiten können. Für CO2-Neutralität müsste das aber grün sein, also mit grünem Wasserstoff hergestellt werden. Und der – auch Champagner der Energiewende genannt – wird durch Elektrolyse von Wasser erzeugt, unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Methanol wird vor der elektrochemischen Reaktion in der Brennstoffzelle von Reformern mithilfe von Dampf in Wasserstoff umgewandelt. Der Alkohol lagert in ähnlich Bukern wie Diesel, hat aber bezogen auf den Brennwert, ein etwa 2,4-mal größeres Volumen als Diesel. Den Methanol-Brennstoffzellen-Weg geht Lürssen derzeit mit Projekt „Cosmos“. Die italienische Sanlorenzo-Werft will schon in den nächsten Wochen ein 50-Meter-Format mit Brennstoffzellen von Siemens Energy zu Wasser lassen, das 5000 Liter Methanol bunkert und womit in erster Linie der Hotelbetrieb abgedeckt werden soll.

Feadship macht Pionierarbeit für alle zugänglich

Obwohl es Autos mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb gebe und Brennstoffzellen seit mehr als sechs Jahrzehnten als primäre Stromquelle in der bemannten Raumfahrt eingesetzt würden, habe es im maritimen Sektor keine Vorgaben für Wasserstoffspeicher und Brennstoffzellensysteme auf Klassen-, Flaggenstaat- oder sogar IMO-Ebene gegeben. Feadship, Edmiston und Lloyd's Register entwickelten Ausrüstungen, Protokolle und Sicherheitsvorschriften. „Der Wert der Forschung sowie die Entwicklung von Klassen- und Flaggensicherheitsvorschriften für eine völlig neue Art der Energieerzeugung ist ein Fortschritt, auf den wir stolz sind, ihn allen zugänglich gemacht zu haben“, sagte Jan-Bart Verkuyl, Feadship-Direktor und CEO von Royal Van Lent Shipyard. Im nächsten Jahr würden zwei norwegische Passagier- und Autofähren auf langen Strecken in Betrieb genommen, die das mit der PowerCell Group, ein Spin-Off von Volvo, für Projekt 821 entwickelte System nutzen.

Abwärme heizt den Pool und die Räume

Mit Projekt 821 verfolgt Feadship einen holistischen Ansatz, das Wärmerückgewinnungssystem soll besonders effizient sein und schließt Pool, Jacuzzi, Dampfbad, Fußbodenheizung und Raumluft ein. Weitere Einsparungen erhofft man sich durch ein intelligentes Klimaanlagensystem mit Sensoren und Energiemanagementsystem, das die Leistung der Klimaanlage oder Heizung in nicht belegten Räumen automatisch reduziert. Projekt 821 hat auch die meisten Rumpföffnungen aller bisherigen Feadships. Ganze 14 Balkone schieben sich aus den Seitendecks und nehmen dabei ihre Seitengeländer oder Wände mit. Dazu kommen fünf Klappen, die sich nach oben und sieben die sich zu Plattformen nach unten bewegen.

Sein Deck oberhalb der Brücke mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern und Umkleideräumen, einem Gym, Salon und zwei Büros jeweils mit Feuerstellen wird der Eigner wohl nie erleben. Es wird kolportiert, dass Bill Gates das Projekt 821 in Auftrag gegeben haben soll, es aber nicht entgegennehmen möchte. Kaufinteressenten melden sich bei Edmiston, einen Preis kommuniziert das britische Brokerhaus nicht.


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