Den Kanal von Korinth auf Deck vier zu durchqueren, steht auf der Bucketlist vieler Yachties weit oben. Als „Alunya“ diese Route nahm, trennten die Rumpfseiten der 50 Meter langen Benetti jeweils gut sieben Meter von den Steilwänden, eine navigatorisch überschaubare Herausforderung. Den Ersten Offizier Greg Stylo freute vielmehr, dass die Eignerfamilie schon auf der Jungfernfahrt solch ein Erlebnis haben konnte – und das von dem Rundsofa des vorderen Sonnendecks aus, einem Feature, wie gemacht für die gut 3,4 Seemeilen lange Durchfahrt. „Sie lagen da und staunten“, erinnert sich Stylo während des Yacht-Rundgangs.
Der weite „Tunnelblick“ war möglich, weil Benetti die Alu-Schanz nach unten zog und ein gläsernes Kleid verbaute. Die gestalterische Vorgabe kam vom Designbüro RWD. „Wir haben sehr viel Wert auf das Styling gelegt. Bei der Feinarbeit entfernten wir so viele Details wie möglich. Das Exterieur sollte sehr angenehm für das Auge sein“, betont RWD-Teamleiter Andrew Collett auf dem Sonnendeck. Für Benettis B.Now 50 wandten die Briten das Konzept der „puren Schlichtheit“ an. Rumpf und Aufbauten sollten eine Einheit sein, erreicht durch nur wenige Relingmeter und kaum Kanten und Fasen. Eine Art Unibody gelang Collett bereits mit „Rahil“, einem 65 Meter langen Solitär, der 2011 in Livorno vom Stapel lief und von der Benetti-Giga „Ije“ (Ausgabe 1/22) aufgegriffen wurde.
Collett weist auf Lüftungsgitter hin, die hier oben nahtlos in die Fensteraugen übergehen. „Alles ist von vornherein integriert.“ So tauchen ein Deck tiefer die Nock und die Rettungsinseln davor im Schanzkleid ab. „Die Linien sollten so rein wie möglich sein“, schaltet sich Chef-Außendesigner Marc Gardner zu. „Wir wollten nichts im Nachhinein ergänzen. Alles, was da ist, ist aus einem bestimmten Grund da, und zwar aus gutem Grund.“ Der Auftrag, den Benetti RWD gab, war, den Look der Oasis-Linie beizubehalten. „Als ein britisches Studio sind wir ziemlich dezent. Aber wir wollten Benettis DNA erhalten, daher die Bögen. Eben ein wenig mehr Theater machen“, sagt Andrew Collett, der als Schnittstelle zwischen Designteam und Benetti agiert. Für das Studio aus dem südenglischen Beaulieu arbeiten knapp 60 Personen, wobei Custom-Bauten sie nach wie vor am meisten beschäftigen.
„Alunya“ ist die sechste B.Now 50 und die zweite in der Oasis-Version mit den klappbaren Schanzkleidern achtern. Wobei Benetti, mit tatkräftiger Unterstützung diverser Brokerhäuser, bereits Verträge über den Bau von 18 Einheiten abgeschlossen hat. Benettis COO Sebastiano Fanizza sagte zum „Alunya“-Launch in Livorno: „Das Modell B.Now 50 ist sicherlich eines der beliebtesten Modelle in unserer Geschichte.“ Die 49,90 Meter starten bei 35 Millionen Euro und offerieren ein klassisches Layout: Eigner logieren auf dem vorderen Hauptdeck, darunter verteilen sich vier Gästekabinen, die bis zu zwölfköpfige Crew wohnt im Vorschiff. Wer Erfolge im Charterbetrieb feiern möchte, entscheidet sich statt für das Büro auf dem Brückendeck für eine zusätzliche, wenn auch kleine Kabine.
Für „Alunya“ fand TWW Yachts Käufer. David Westwood, Principal Partner beim monegassischen Makler: „Das Projekt war ein großer Erfolg und hat unglaublich viel Spaß gemacht. Trotz zahlreicher Änderungen an der Innenausstattung wurde die Yacht pünktlich zur Sommersaison gewassert.“ Obwohl der Bau bereits weit fortgeschritten war, als FB606 auf den Markt kam, hatten die Eigner genügend Zeit, um sie nach ihrem Geschmack zu gestalten. Sie verbrachten eine Woche in Mailand, um Möbelstücke auszuwählen.
Zuvor war Benettis werfteigenes Kreativteam am Werk, das für die B.Now-50M-Serie drei verschiedene Inneneinrichtungsvorschläge unterbreitet: Modern, Contemporary und Classic. Letzteres Styling erhielt „Alunya“: mit Riegelahorn als Hauptholz und dunkler Ziricote, einem Klangholz aus Brasilien und Nicaragua, das als Rahmen der Deckendome oder Kanten diverser Möbel Akzente setzt. Den Salon bestückte man mit einer Reihe von niedrigen Tischen von Paolo Castelli und Sesseln von Minotti und Cassina, die vor einer Wandbar aus transluzentem Onyx stehen. Im gesamten Salon gibt es keinen Fernseher „Wenn die Eignerfamilie an Bord ist, will sie Zeit miteinander verbringen. Dann legen sie die Handys weg und lassen Arbeit Arbeit sein“, so der Erste Offizier. „Die Kinder sind Mitte zwanzig und haben ihre eigene Firma. Wenn sie an Bord kommen, ist Familienzeit.“ Es soll Yachten mit Gästekabinen geben, die jeweils ein Schrank mit Zeitschloss für die Smartphones haben.
Eine Entwicklung, die ebenso mehr und mehr Einzug hält: Auf „Alunya“ gibt es im Inneren keine festen Speiseplätze. Auch auf dem Oberdeck befindet sich eher eine Lounge, ein netter, kleiner Gemeinschaftsraum, in dem die meiste Zeit mit den Kindern verbracht und sich Brettspielen gewidmet wird. Den Fernseher kaschiert ein Spiegel, gespeist wird weiter achtern, seitlich gut geschützt durch die Glasbögen und an einem ausziehbaren Tisch für bis zu zehn Gäste. Oder weniger formal ein Deck höher unter dem Hardtop. Die Mastersuite überzeugt mit einer Loggia an Steuerbord, einer unkomplizierten Lösung, um schnell ins Freie zu gelangen. Hier bestand ein Sonderwunsch in einer Dusche, in die Decke integriert. Der Erste Offizier Greg Stylo: „Ein nettes Detail, könnte man denken. Aber es ist wahrscheinlich das meistgenutzte Merkmal an Bord. Es gibt nichts Entspannenderes, als sich bei einem wunderschönen Sonnenuntergang an einem klaren Tag mit Blick auf die Küste für das Abendessen fertig zu machen und eine Außendusche zu nehmen.“
Danach verschwindet man im großzügig mit Calacatta-Borghini-Marmor versehenen Bad, das hinter den Schlafraum wanderte. Dadurch – und obwohl sich nach vorn der Tender-Parkplatz im Vorschiff anschließt – gewähren gebogene Fenster zu beiden Seiten jeweils von einer Chaiselongue aus den Blick nach schräg vorn. Ein Feature, das Suiten auf den Hauptdecks vieler anderer 50-Meter-Formate verwehrt wird. Im Bug lagern Jetskis, Toys und ein Tender von bis zu 5,65 Meter Länge, den ein Teleskopkran bei hydraulisch abgesenkter Rumpfwand an Steuerbord aus- und einholt. Das kleine Beiboot, zu nutzen als Rescue- oder Crew-Tender, wassert ein hochfahrbarer Davit. Der zu drei Seiten offene Bereich zählt nicht zum Innenraumvolumen von knapp 500 Gross Tons.
„Alunya“ ist die zweite B.Now 50 mit Oasis-Deck. Ganze zwölf der 18 verkauften Einheiten wurden mit dem hydraulisch klappbaren Schanzkleid geordert, das die Fläche des Achterdecks auf 110 Quadratmeter maximiert und mit sieben Meter Länge über die Flanken hinausragt. Im Zentrum steht der Spa-Pool mit gläserner Heckscheibe, dessen Wasser in Tanks gereinigt wird. Der Erste Offizier informiert: „Da wir es alle ein bis zwei Wochen benutzen, müssen wir das Wasser natürlich wieder aufbereiten. Wir haben einen Frischwasserbereiter an Bord, mit dem wir in wenigen Stunden Salzwasser und Süßwasser austauschen und das Wasser reinigen.“
Das Wasserbecken rahmen zwei L-Sofas ein, zwischen denen vier Stufen ins Cockpit geleiten. Von dort führen an Backbord wiederum Treppen in das Gym mit Duschbad. Hier realisiert Benetti alternativ zu den beiden Oasis-Flügeln einen etwas größeren Raum mit einseitiger Klappterrasse im Rumpf, den an Steuerbord ein hochgefahrenes Teilstück der großen Achtertreppe mit der Heckplattform verbindet. Den Achterdeck-Pool verbaut Benetti auch in den Nicht-Oasis-Varianten, dann aber etwas gedrungener. „Wegen des gemeinsamen Design-Ethos war es ein Leichtes für uns, das Oasis-Deck in die B.Now-Linie zu integrieren“, berichtet RWD-Mann Collett, der mit seinem Team auch die B.Now-Modelle in 60, 67 und 72 Meter Länge mit Oasis-Option konzeptionierte.
Ganz im Zeichen der Freiflächen steht auch das Sonnendeck. Alle Möbel sind beweglich und machen bei Bedarf Raum für ein kleines Yogastudio. Nicht verwunderlich, dass auf „Alunya“ auch hier oben eine Dusche installiert ist. Collett: „Abgesehen von den Bögen und Pfosten sollte man von überall an Bord beinahe einen 360-Grad-Blick haben und immer das Meer sehen. Letzteres gilt für jeden Innenraum.“ Hier oben zeigt sich, wie sehr RWD für die B.Now-Serie an den Laufwegen der Crew gearbeitet hat – unverzichtbar für eine Semi-Custom-Serie, die womöglich zehn Jahre am Markt ist und im Alltag auf See funktionieren muss. So kommt die Crew direkt hinter der Bar auf das oberste Deck und kann sofort Drinks servieren. In die andere Richtung geht es zur Pantry auf dem Oberdeck und weiter in die Galley sowie auf das Unterdeck in die Unterkünfte der Besatzung.
Der Kapitän schläft hinter dem Ruderhaus, das bewusst kompakt gehalten ist. „Viele andere Boote haben große Brücken, das ist Platzverschwendung. Gib sie den Gästen, wir brauchen nicht mehr als das“, berichtet Greg Stylo aus Erfahrung. „Alunya“ zeigt keine Abweichungen vom Standard der B.Now-Serie, die Benetti auch mit Hybrid-Paket anbietet. Ein Paar CMC-Stabilisatoren gleichen Rollbewegungen elektrisch aus, zwei MAN-Zwölfzylinder à 1029 Kilowatt bringen den von P.L.A.N.A. berechneten Rumpf auf maximal 15 Knoten.
Mit meist zwölf Knoten Marschgeschwindigkeit legten die 50 Meter nach Ablieferung 3500 Meilen in sechs Wochen zurück und drangen bis nach Griechenland und in die Türkei vor. „Die Mission lautete: jeden Tag etwas Neues sehen. Wir mussten nur fünf Tage in einer Bucht vor Paros abwettern“, informiert Stylo. Ob „Alunya“ nach der intensiven privaten Nutzung inklusive Karibik-Saison eine kommerzielle Karriere bevorsteht, ist nicht ausgeschlossen: „Sie ist bereit. Ich muss nur das Go bekommen, den Papierkram erledigen, Vertreter von RINA und den Cayman-Inseln herholen, und schon kann es losgehen.“ Zu wünschen wäre es, dann stehen die vielen Offline-Erlebnisse auch Chartergästen offen.