So ein Glück haben die Branche und die Journalisten eher selten. Wer eine Superyacht besitzt, bleibt gerne inkognito. Selbst wenn durchsickert, wer der Auftraggeber ist, gehen nur wenige so an die Öffentlichkeit wie der Eigner von „Maverick“. Bei „Anjelif“ ist vor allem ungewöhnlich, dass hinter dem Projekt eine Frau steht. Maria Francesca Angelini gab die 50 Meter nicht einfach nur in Auftrag, die Italienerin sagte klipp und klar, wo es in Sachen Design langgeht – und war auch bereit, über ihre Ideen zu sprechen. Sei es nur schriftlich nach der offiziellen Besichtigung.
Die neun Meter breite Alu-Konstruktion entstand bei Hydro Tec, das Antriebssystem wurde zusammen mit Siemens entwickelt und basiert auf der Erfahrung, die Columbus Yachts mit den 40 Meter langen Sport-Hybrid-Projekten gesammelt hat – das erste Modell, das die italienische Klassifikationsgesellschaft RINA mit dem Zusatz „Hybrid Propulsion Y“ versehen hat. Drei verschiedene Modi sind möglich und damit maximal gut 20 Knoten und eine Reichweite von 4.200 Seemeilen bei neun Knoten. Der Dieselmodus arbeitet konventionell, die MTU-Sechzehnzylinder mit je 1.939 Kilowatt Leistung schieben „Anjelif“ voran, während die zwei Kohler-Generatoren mit je 175 Kilowatt die elektrischen Verbraucher an Bord versorgen.
Im sogenannten Elektromodus sind die Hauptmotoren ausgeschaltet. Dafür liefern die Generatoren neben dem Strom für den Hotelbetrieb auch die Energie für die beiden Elektromotoren mit je 100 Kilowatt Leistung. Diese sind direkt mit den Getrieben verbunden und ermöglichen eine komfortable Geschwindigkeit von acht Knoten: ideal für ruhige Nachtfahrten oder Inselhopping. Beim dritten, dem Wellengeneratorbetrieb, übertragen die Hauptmaschinen einen Teil ihres Drehmoments auf die E-Motoren, damit diese Strom liefern. In diesem Modus bleiben die Generatoren ausgeschaltet, was große Vorteile in Bezug auf Wartung und Energieeffizienz mit sich bringt. Sowohl im Diesel- als auch im Wellengeneratorbetrieb gleichen Akkupakete mögliche Stromausfälle aus.
Maria Francesca Angelini hat nun vor allem dem kreativen Konzept ihren Stempel aufgedrückt, allerdings nicht ganz in Eigenregie. Die markanten, maskulin anmutenden Linien der beigegold-metallic – oder je nach Sonneneinstrahlung champagnerfarben – lackierten Außenhaut zeichnete sie mit Hilfe von Marco Casali vom Studio Too Design. Was im Inneren zu sehen ist, hat die Unternehmerin nach ihrem Gusto bestimmt – und wenn man den Gerüchten glauben darf, hat sie ihre Vision für das stattliche Innenraumvolumen von 499 Gross Tons auch ziemlich vehement und mit Nachdruck realisiert.
„Mein Hauptziel war es, eine entspannte Urlaubsatmosphäre zu schaffen, die von reiner Energie erfüllt ist – ein Raum, in dem man sowohl den Geist als auch den Körper beruhigen kann“, so beschreibt sie ihren Fokus und schiebt die Attribute „komfortabel, elegant und multifunktional“ hinterher. Ein Beispiel dafür findet sich im Salon, wo sich mehrere von Armani Casa zart gestreifte Couchelemente gegenüberstehen, die sich bei Bedarf zu zwei langen halbrunden Sofas vereinen. Die beiden vorderen rücken sogar elektrisch auf ihren Bodenschienen zusammen, sodass die Gäste den an der Wand zum Masterbereich installierten TV-Bildschirm gut sehen können, ohne den Kopf zu verdrehen.
Nicht nur die Salonsofas sind halbrund, selbst die flankierenden Abstellflächen laufen weich und eckenlos aus. Der Couchtisch formt ein Oval, die Schirme der Tischleuchten sowie die metallisch schimmernde Gestelle bilden Kreise. Das gilt auch für die Anordnung der LED-Spots in der Decke. „In meiner Design-Philosophie muss alles harmonieren, daher sind abgerundete Ecken wichtig, um diese ausgewogene Energie zu erreichen“, verrät Angelini, „ich stellte mir eine Umgebung vor, in der jedes Element ein Gefühl der Ruhe vermittelt“, sagt sie weiter. Dafür habe sie feine, wertvolle Oberflächen verwendet und vor allem Mineralsteine in diversen Formen und Farben. Diese Objekte von Taurini finden sich überall an Bord. Zum Beispiel hängt im Korridor zwischen Salon und Eignerbereich ein Bild aus gelben Quarzscheiben, im Massageraum überrascht ein raumhoher Wandschmuck, der einen Meeresstrand aus der Vogelperspektive imitiert.
In der Gästedusche dient Quarz als Wandbelag und formt an den Waschtischen unverwechselbare Becken, teilweise aus in Gold eingefassten Stücken. Hinzu kommen andere Materialien aus dem Meer, etwa Muscheln für die Inlays im Kopfteil der VIP-Betten oder Austernschalen für den Speiseplatz im oberen Salon. Woher sie all diese Inspiration bezieht? „Nicht von einem bestimmten Hotel oder Restaurant“, versichert sie, „meine Vision hat sich entwickelt, als ich diverse Aspekte meiner Erfahrungen zusammengefügt habe, ähnlich wie ein perfektes Puzzle.“ Bei den Farben entschied sie sich vorrangig für Champagner mit Akzenten in Bronze und Gold, weil sie diese Töne sowohl elegant als auch „fröhlich“ findet. Dabei geht Angelini über eine monochrome Gestaltung hinaus, jede der vier Gästesuiten auf dem Unterdeck bekam eine etwas andere Farbpalette verpasst, die Waschbecken schimmern mal blau, grün oder in einem sanften Pink.
Hier unten offenbart sich Angelinis Sinn fürs Praktische überall. Die Einzelbetten zweier Kabinen sind mobil und rücken auf Wunsch zu Doppelbetten zusammen. Zwischen den beiden VIPs wiederum schiebt sich die Zwischenwand zur Seite und bringt eine große Suite mit Sofabett zum Vorschein, was die Schlafplätze auf insgesamt elf erhöht. Auch die Stauräume fallen auf: offene Fächer mit eleganten, quer verlaufenden Metallleisten als „Herausfallschutz“, ähnlich wie bei einer Segelyacht und ideal für kleinere Taschen, Bücher oder andere Accessoires. „Auf einer Yacht ist es entscheidend, jeden verfügbaren Platz optimal zu nutzen“, meint die Eignerin dazu. Vor allem hier im Schiffsbauch werden die Gäste die Klimaanlage mit „Cold Plasma“-Technologie zu schätzen wissen. Dabei wird die Frischluft von außen mithilfe von Ionen zunächst von Schadstoffen wie Viren und Bakterien gereinigt, bevor sie zum Lüften und Temperieren in die Räume strömt.
Fragt man die Eignerin nach ihren Lieblingsorten an Bord, nennt sie zuerst die Terrasse in „ihrem“ Apartment. Die privaten Räume im vorderen Teil des Hauptdecks umfassen neben Büro und Technogym-Sportstudio auch ein Wellness-Badezimmer mit Jacuzzi, Hamam-Dusche und Sauna. Gleich darauf kommt Angelini auf das Sonnendeck zu sprechen: „Es ist wirklich fantastisch. Die bequemen Sofas bieten die perfekte Kulisse, um mit Gästen zu Mittag zu essen oder auf den Liegen am Pool zu entspannen.“ Wenn es dann zu ruhig geworden sein sollte und der Sinn nach sportlicher Betätigung steht, gesellt sich ein dritter Hotspot dazu: der Infinitypool mit Gegenstromanlage auf dem Achterdeck. „Ich war und bin immer noch eine gute Schwimmerin. Wasser ist mein Element.“ Ein besonderer Aufenthaltsort für die Gäste dürfte auch das Vordeck sein, das nur auf den ersten Blick allein als Helipad dient. Mit einer Leinwand zwischen zwei mobilen Stützen, einem Beamer und wenigen Crew-Handgriffen verwandelt sich dieser Ort in ein veritables Open-Air-Kino – und im Anschluss vielleicht in eine Tanzfläche.
Ganz offensichtlich hat Maria Francesca Angelini jedes Detail in den Fokus gerückt, hat Layouts und Räume optimiert, Oberflächen und Farben zu einem Gesamtkunstwerk zusammengestellt und keine Angst vor Glamour oder verspielten Accessoires gezeigt. Würde sie sagen, dass „Anjelif“ eine feminine Yacht ist? „Ja! Innen ein weibliches Boot, aber außen ein männliches“, bestätigt sie, „das ist es auch, was es so besonders macht.“