Christian Sauer
· 11.05.2025
Wenn eine Werft von einem 50 Meter langen Semi-Custom-Modell binnen sieben Jahren sechs Einheiten abliefert, ist das ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Aus der S501-Serie verabschiedete Tankoa zuletzt „Rilassata“. Die 9,20 Meter breite und 499 Gross Tons große Francesco-Paszkowski-Plattform wirbt mit Aluminiumrumpf und sportlichem Look. Das Eignerpaar von „Bintador“, der zweiten S501 von 2019, wollte jedoch mehr. Bevor sie diese zu Beginn des Jahres 2022 in neue Hände gaben, unterzeichneten sie erneut bei der Genueser Werft für ihre Nachfolgerin – einen Einzelbau, wie es ihn von Tankoa zuletzt vor sieben Jahren mit „Solo“ (72 m) gab.
Mit „Diamond Binta“ vergrößerten sie sich in der Länge um lediglich acht Meter, verdoppelten aber das Innenraumvolumen auf 1.013 Gross Tons und entschieden sich für Stahl als Rumpfmaterial. Im Fokus standen längere Törns mit der Patchworkfamilie oder Freunden. „Der Eigner reist gern und will vielleicht sogar nach Australien“, berichtet Guido Orsi, Marketingmanager von Tankoa und Sohn des Werftgründers. „Er ist selbst Ingenieur und weiß zu einhundert Prozent, was er will. Er akzeptiert nichts anderes als Perfektion. Zugleich ist er ein sehr freundlicher und sympathischer Mensch, der uns und unserer Qualität vertraut.“
Sowohl für die äußere als auch für die innere Gestaltung holte man wieder Francesco Paszkowski und Margherita Casprini ins Boot. Das italienische Duo konnte dank zusätzlichem Platz den Fokus noch stärker auf persönliche Anforderungen und den Stil der Auftraggeber richten. Die wiederholte Zusammenarbeit des Eignerpaares mit dem eingespielten Team und der Boutique-Werft sparte viel Zeit, gemeinsame Erfahrungen flossen unmittelbar ins neue Projekt ein. Bezogen auf das Exterieur führen das kantige Profil mit dem Haifisch-Bug sowie die grau respektive schwarz lackierten Akzente den dynamischen Charakter der Vorgängerin mit Einbußen bei der Sportlichkeit fort.
Durch längere Decksüberhänge, größere Fensterflächen und die vertikalen Glasscheiben der Brücke unterscheidet sich „Diamond Binta“ dennoch signifikant von ihr. Einzug hielten zudem die typischen Merkmale von Formaten dieser Kubatur. Wie der großzügige Beachclub mit Rumpföffnungen zu drei Seiten und ein teilverglaster Massageraum, ebenso wie der klimatisierbare Fitnessbereich und gläserne Infinitypool auf dem obersten der vier Gästedecks. Hinzu kommen „Selbstverständlichkeiten“ der Großen wie zwei Salons, eine komfortable Kapitänskabine hinter der Brücke und weitläufige Außendecks.
Noch bemerkenswerter für eine Lüa von 58 Metern ist die Tendergarage auf dem vorderen Hauptdeck für eine 48 Knoten schnelle 9,50-Meter-Limousine neben einem 6,70 Meter langen Beachlander, jeweils von Dariel. Zudem überrascht das zertifizierte Helipad, auf dem bis zu sechs Tonnen schwere Fluggeräte landen dürfen. Das schließt auch den Airbus ACH160 des Eigners ein, den derzeit modernsten zivilen Helikopter mit zehn Sitzen und einem Rotordurchmesser von 13,40 Metern. Diese im Vergleich zur vorherigen Tankoa stark gesteigerte Aerotender-Kapazität war unumstößlich für den französischen Eigner von „Diamond Binta“, der leidenschaftlich gern persönlich fliegt.
Seine Begeisterung für Technik spiegelt sich ebenfalls auf dem Unterdeck wider, wo er eine spezielle Idee in jedem Fall umgesetzt sehen wollte: den „gläsernen Maschinenraum“. Vergleichbare Korridore mit Sicherheitsglas für exklusive Einblicke in die Herzkammer des Schiffes waren zuvor bekanntlich nur wenigen, oft deutlich größeren Yachten à la „Kismet“ oder „Resilience“ vorbehalten. Guido Orsi bestätigt während des Rundganges an Bord von „Diamond Binta“ die Herausforderung, auf zehn Meter Rumpfbreite diese direkte Verbindung zwischen dem Beachclub und den fünf Gästekabinen auf dem Unterdeck zu realisieren.
Um die Zugänglichkeit der Aggregate nicht zu erschweren, musste der Platz im Maschinenraum bis ins kleinste Detail optimiert werden. Dort sorgen primär zwei 1.350 Kilowatt starke Caterpillar-Zwölfzylinder für Vortrieb. Ergänzt werden die Diesel, welche die Emissionsvorschriften Tier 4 und IMO III erfüllen, durch zwei 150 Kilowatt starke Reintjes-Wellengeneratoren, zusätzlich zu zwei konventionellen Generatoren. Zwar verfügte „Bintador“ bereits über einen Hybridantrieb und 5.000 Seemeilen Reichweite, aber gerade auf Langstrecken soll die noch variablere PTO-Lösung die Effizienz weiter steigern und den Verbrauch senken. Mit 105.000 Litern in den Tanks und bei konstant zehn Knoten Fahrt kommt der 870-Tonner am Stück 5.400 Seemeilen weit.
Bei allen Unterschieden erinnert der Hauptsalon von „Diamond Binta“ zunächst sehr an das Entree der in „SP1“ umbenannten Vorgängerin. Vor allem der goldene Schild mit dem Wappen der Yacht – das Werk eines befreundeten Künstlers – fällt ins Auge und hing an gleicher Stelle über dem Esstisch, ebenso aus dunklem Glas.
Letztgenanntes Material, zusammen mit cremefarbenem Leder und Metallapplikationen, etwa in Form von dünn satinierten Profilen an den Wänden, findet sich überall an Bord wieder. Gleiches gilt für Eichenholz, das mit Vielseitigkeit überrascht: in Dunkelgrau hochglänzend für Decken, in Dunkelbraun mit der charakteristischen Textur japanischer Tatami-Matten für den Bodenbelag oder in gekalkt-heller Form für die Wandpaneele. Statt Ecken und Kanten dominieren runde, oft asymmetrische Formen. An abwechslungsreichen Marmorvariationen mangelt es ebenso wenig. Beispiele sind der cremefarbene Botticino-Boden im Essbereich, weißer Calacatta im Treppenhaus und grauer Fior di Bosco in den Bädern. Summa summarum entwickelten Eigner und Designer einen Materialmix, der mit teils starken Kontrasten und haptischer Raffinesse eine zugleich harmonische wie elegante Atmosphäre verleiht. Nahezu alle Möbel an Bord sind maßgefertigt und werden durch Sofas, Sessel, Essstühle und Tische von Minotti ergänzt.
Im Atrium des Hauptdecks erinnert eine goldene Frauenstatue abermals an die afrikanischen Wurzeln der Eignerin und ihren Vornamen „Binta“. Doch nicht nur den dadurch gekrönten Treppenbereich setzte Francesco Paszkowski unter anderem per LED-Spots ins rechte Licht; er richtete insgesamt sein Augenmerk auf das Beleuchtungskonzept und die Gestaltung der Decken. „Integrierte LED-Streifen verlaufen entlang unregelmäßiger, gebogener Balken um den Deckenumfang herum“, erläutert der Designer. „Das betont wichtige Bereiche und hebt auch die asymmetrischen Sofas sowie den gemütlichen Loungebereich in der Eignersuite hervor.“
Dieser wird an Steuerbord von einem herunterklappbaren Balkon, einem Schreibtisch und dem Ankleidebereich mit üppig dimensionierten Kleiderschränken komplettiert. Ebenfalls wichtig für das Eignerpaar war erneut die Gestaltung der Galley für den Küchenchef und sich selbst. An üblicher Stelle mittschiffs auf dem Hauptdeck verortet, lädt sie mit Geräten von Gaggenau und hochwertigen Oberflächen nicht nur zum Kochen ein. Der zentrale Tisch mit sechs Hochstühlen von Poltrona Frau wird regelmäßig für informelle Mahlzeiten genutzt.
Vergleichsweise viel Zeit verbringt der technikaffine Eigner auf der Brücke, die mit dunkelbraunem Leder und Reminiszenzen an Sportwagen gestaltet wurde. Das sich an Steuerbord anschließende Crewbüro mit zwei Arbeitsplätzen präsentiert sich ebenso großzügig wie die Captain’s Suite daneben und die sechs Crewkabinen auf dem Unterdeck. Passend dazu wurden Arbeits- und Servicebereiche äußerst praktikabel konzipiert. Auch die Kühl- und Lagerkapazitäten sprechen für ausgedehnte Reisen mit Familie und Freunden.
Mit „Diamond Binta“ gelingt Tankoa die lang ersehnte Rückkehr auf das Terrain der Solitäre von über 1.000 Gross Tons mit Bravour. Ein One-off dürfte der 58 Meter lange Stahlverdränger bleiben. Bei Interesse müsste jedenfalls kein Schwesterschiff geordert werden. Da sich ihre Eigner abermals vergrößern möchten, wurde sie schon wenige Monate nach ihrer Weltpremiere auf der Monaco Yacht Show im vergangenen Jahr und noch vor dem Start zu ihrer ersten Atlantiküberquerung im Januar zum Verkauf gelistet – Verhandlungsbasis bei Redaktionsschluss: 64,5 Millionen US-Dollar.