„Freedom“Transformer-Yacht für Modeschöpfer Roberto Cavalli

Sören Gehlhaus

 · 17.11.2023

Wasserstrahlkraft: Drei 1397-Kilowatt- MANs versorgen zwei Jets plus Booster. Cavalli verlangte 40 Knoten von „Freedom“, Seatrials brachten 46 Knoten. Mit Einrichtung erreichen die 28 Meter 42 Knoten
Foto: Giovanni Malgarini
Das zweite Projekt von Tommaso Spadolini und Roberto Cavalli überträgt den Eklektizismus des Modeschöpfers auf 28 Meter und überrascht mit cleveren Nutzungsdetails sowie Batman-Look.

Nur wenige Eigner verkleinern sich im Laufe ihres Yachtinglebens. Bei Roberto Cavalli erscheint Downsizing geradezu absurd. Da der florentinische Modezar mit Hang zur Extravaganz aber wieder häufiger selbst hinter dem Steuer stehen wollte und nur einen Sportbootführerschein besitzt, musste seine neue Yacht unter 24 Meter lang sein. Tatsächlich misst der Rumpf von „Freedom“ 28 Meter, durch die abnehmbare Bug- und Heckpartie fällt sie jedoch unter die CE-Grenze.

Cavalli hatte eine klare Vorstellung vom Exterior. „Roberto wollte etwas Sportliches und Aggressives, das seine Einstellung zum Leben auf See und seine starke Persönlichkeit widerspiegelt. Er wollte ein Boot, das Batman fahren würde!“, erinnert sich Tommaso Spadolini an die erste Iteration im Jahr 2016. Die beiden Freunde entwickelten bereits die Vorgängeryacht „RC“. Die 41 Meter lange Baglietto mit Rumpf in Lilametallic nutzte Cavalli als Geschäftsyacht, auf die er Kunden und Partner einlud, um seine Marke zu promoten. „Diesmal wollte er eine Yacht rein für die private Nutzung mit seiner Partnerin, zwei Crewmitgliedern und bis zu vier Gästen. Nicht zu vergessen seine beiden Hunde Lupo und Lapo!“, erzählt Spadolini. Der ebenfalls in Florenz ansässige Yachtdesigner arbeitete das Exterior gemeinsam mit Cavalli aus und stand ihm bei der Interior­gestaltung beratend zur Seite. „Ich bin ein kreativer Mensch, also wollte ich die Inneneinrichtung selbst vornehmen, was bedeutete, alle Materialien, Dekore und Accessoires auszuwählen. Tommaso unterstützte mich auf dem Weg dorthin, um sicherzustellen, dass die gewählten Möbel richtig in den verfügbaren Raum passen“, beschreibt Cavalli die kreativ-kooperative Arbeitsweise. Auch wenn die Marke, die seinen Namen trägt, modisch mittlerweile einen etwas moderateren Kurs einschlägt, dürfen sie dennoch nicht fehlen, die Leopardenprints. Der 78-Jährige verkaufte sein Unternehmen, das seit 2013 rote Zahlen schreibt, zuletzt 2015 an eine italienische Beteiligungsgesellschaft.

Interior der „Freedom“ ganz im Stil von Cavalli

Privat mag es Cavalli, der seinen Stil selbst als eklektisch beschreibt, nach wie vor flamboyant. Im Eignerreich hängen goldene Schlangengriffe vor Fronten mit Krokodilstruktur, die Adlerskulpturen auf den Sideboards der Lounge leuchten ebenfalls golden, und immer wieder taucht das obligatorische Raubkatzen­dekor auf, sogar in stark entsättigter Variante auf den Wandpaneelen. Wobei sich unterschiedlichste afrikanische Tierhautdrucke auf Polsterungen, Kissenbezügen und Tagesdecken finden.

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Über die geschwungenen „RC“-Lettern des Markenlogos läuft zuerst, wer über das Heck an Bord gelangt. Der Modeschöpfer lieferte aber auch gemäßigtere Impulse wie die auf die Schotten aufgebrachten Abzüge seiner eigenen Fotografien. Es sind allesamt Reiseaufnahmen eines leidenschaftlichen Fotografen.

Auf die New Yorker Skyline blickt der Eigner aus seinem Bett, über dem ein rundes Oberlicht aus Milchglas natürliches Licht spendet. Dahinter hängt – gänzlich unverhüllt – ein Beamer, der auf eine ausziehbare Leinwand projiziert. In sein 22 Quadratmeter großes Quartier führen vom achterlichen Hauptdeck vier Stufen nach oben. Grund dafür ist eine zentrale Pflichtenheftforderung: Die Eignerkabine sollte auf dem Hauptdeck liegen und sowohl exklusiven Zugang zum Steuerstand als auch zur Flybridge bieten. Ist die Tür zur Achterdeck-Lounge verschlossen, wird aus dem Sundeck eine private Eignerterrasse. „Das ist eine Premiere auf einer Yacht dieser Größe – mit Rundum-Meerblick und natürlicher Luftzirkulation“, betont Spadolini die Vorteile des Splitlevel-Layouts.

Meernähe durch niedriges Schanzkleid

Gleichzeitig war es Cavalli wichtig, dass die Lounge auf dem Achterdeck für maximale Meernähe knapp über der Wasseroberfläche liegt und von einem niedrigen Schanzkleid sowie von drei großen Türen umgeben wird. „Daraus erwuchs die konstruktive Herausforderung, die Deckenhöhe des Motorenraums zu redu­zieren“, beleuchtet Spadolini die Vorgaben, die er Cerri Cantieri Navali (CCN) für den Bau der Aluminiumkonstruktion gab. Der Werft aus dem toskanischen Carrara blieben von Auftragserteilung bis Ablieferung nur vierzehn Monate Zeit. „Obwohl wir uns an mehrere Werften wandten, war CCN die einzige, die bereit war, den engen Zeitplan zu akzeptieren. Aufgrund der Nähe zu Florenz konnte Roberto die Werft häufig besuchen und den Bau begleiten“, so Spadolini.

Im acht Meter langen Motorenraum leisten drei MAN-Diesel insgesamt 4191 Kilowatt. Die Zwölfzylinder sind an zwei Kamewa-Jets gekoppelt, die einen Boos­ter einrahmen. Der Wasserstrahlantrieb geht auf eine weitere Forderung an „Freedom“ zurück: dass sie 40 Knoten laufen muss. „Während der Seatrials schafften wir mit neun Tonnen Treibstoff und ohne Möbel 46 Knoten, jetzt sind es 42 Knoten“, gibt der Kapitän Auskunft, der schon fast sein ganzes Leben auf Yachten mit Jetantrieb fährt.

Vor dem tiefergelegten Motorenraum steigt die Deckenhöhe an, und über eine Tür geht es in die Galley, die sich mitsamt der Dinette über die gesamte Breite von sieben Metern erstreckt. Die 4,30 Arbeitsplattenmeter nutzen Eigner und Crew gemeinsam. Cavallis Maßgabe war eine Küche wie an Land. Wie zu Hause fühlen sich auch die Gäste, die vom Hauptdeck her den Weg über die zentrale Treppe durch die Galley oder vom Steuer­stand her über den Crewniedergang nehmen müssen. Dann kommen sie in den achtzig Zentimeter breiten Flur, von dem sie backbords in eine Doppelkabine mit Etagenbett und steuerbords in eine zwölf Quadratmeter große Suite abbiegen. VIPs schlafen unter einem weiteren Cavalli-Urlaubsfoto, das den Central Park mit Blick in Richtung Atlantik zeigt.

Die Rückzugsräume der zweiköpfigen Crew befinden sich im Vorschiff und bestehen aus einer Kabine für den Kapitän und einer Doppelkabine, die allerdings nur von einer Stewardess bewohnt wird. Wer von hier vorn die Treppe nach oben nimmt, gelangt zum Steuerstand mit Kapitänsstühlen für Eigner und Kapitän, von dem seitlich jeweils Ausgänge auf die Seitendecks abgehen.

Die Superhelden-Yacht von Cavalli

Die Stauraumlücke, die das abgesenk­te Achterdeck lässt, schließt eine Karbon­haube auf dem Vordeck, deren sechzehn Teak-Quadratmeter zur Liegefläche werden. Liegt hierunter der Batman-Zauber verborgen? Nicht ganz, der 3,45 Meter lange Tender ist ein Serienmodell, ebenso wie der Kran. Unter der Haube befindet sich zudem Stauraum für loses Mobiliar.

Aber genau dies ist eben Teil der Sonderausstattung, die zweifelsfrei zu einem Superhelden-Gefährt gehört, wie die optisch prägnanten Merkmale, die den Retter der Menschheit bereits aus der Ferne als solchen auszeichnen. Ein solches ist auf „Freedom“ der achterliche Bogen des Aufbaus, der Spadolini-Bogen. „Der runde Verlauf schützt das hintere Cockpit vor Wind“, weiß der Meister auch von einer praktischen Funktion zu berichten und ergänzt: „Um die sportliche Natur der Yacht zu unterstreichen, ließen wir Rumpf metallicschwarz und Aufbau in Dunkelgraumetallic lackieren.“

Nach ersten Testfahrten zeigte sich Roberto Cavalli hochzufrieden mit seiner 28-Meter-Spaßyacht: „Ich bin überglücklich über das Endergebnis und möchte so viel Zeit wie möglich an Bord verbringen. In diesem Jahr plane ich, fast durchgehend bis September an Bord zu leben!“ Wenn das nicht nach dem ultimativen Dolce-Vita-Plan eines Privatiers klingt.


Technische Daten

  • Länge über alles: 28,00 m
  • Breite: 7,10 m
  • Tiefgang: 1,35 m
  • Verdrängung (halb): 80 t
  • Material: Aluminium
  • Motor: 3 x MAN D2862LE476
  • Motorleistung: 3 x 1397 kW
  • Antrieb: 2 x Kamewa A3 56, 1 x Kamewa A56 Booster
  • Geschwindigkeit (max.): 42 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 34 kn
  • Kraftstoff: 14 000 l
  • Wasser: 2000 l
  • Kraftstoff: 14 000 lng
  • Tender: Williams Sportjet 345
  • Galley: Miele
  • Tender: Williams Sportjet 345
  • Interiordesign: Roberto Cavalli
  • Konstruktion: Studio Spadolini
  • Designkategorie: CE „A“
  • Klassifikation: RINA
  • Werft: CCN, 2018
Wohnkeil: Das Hauptdeck ist Eignerareal mit Option auf exklusiven Flybridge-Zugang. Auf dem Unterdeck schlafen maximal vier Gäste | Abbildung: BEXWohnkeil: Das Hauptdeck ist Eignerareal mit Option auf exklusiven Flybridge-Zugang. Auf dem Unterdeck schlafen maximal vier Gäste | Abbildung: BEX

Dieser Artikel erschien in der BOOTE Exclusiv-Ausgabe 04/2019 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.


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