Sören Gehlhaus
· 21.02.2025
„REV Ocean“ wird Realität und Norwegen noch diesen Monat achteraus lassen. Anfang 2027 soll der 195-Meter-Explorer bei Damen Shiprepair in Vlissingen ablegen. Als größte Yacht der Welt? Dafür sprechen die nun veröffentlichten Charterpläne und die ersten Visualisierungen des von H2 Design entwickelten Interieurs. Es gibt ein zentrales Atrium mit Glasaufzug und Hängetreppe, das sich über fünf Decks erstreckt. Von 80 norwegischen Künstlern sollen 180 kuratierte Kunstwerke mit Meeresbezug an Bord kommen.
Das 615 Quadratmeter große Eignerdeck erhält eine Mastersuite, zwei VIP-Kabinen, Lounge-Bereich und Speise-Areal inklusive Show-Küche. Maximal 28 Chartergäste dürfen es werden, obwohl die insgesamt 18 Kabinen mehr Platz bieten würden. Auch soll „REV Ocean“ im Yacht-Finish strahlen. Der Rumpf, er zeigt sich auf den neuesten Renderings deutlich heller, wird komplett gespachtelt und auf Hochglanz lackiert. Doch nur 25 Prozent des Jahres sollen dem „Expeditionsmodus“ untergeordnet werden, wie Burgess und REV Ocean die Privatnutzung nennen.
Nach Plänen von Espen Øino International wurde Anfang 2018 auf Kiel gelegt, mit gestalterischen Elementen von Explorer-Yachten und Forschungsschiffen. Das Innenraumvolumen von 19.250 Gross Tons beherbergt maximal 106 Personen, in Polarregionen dürfen es bis zu 90 sein. Dem Yachtbetrieb ordnet sich nahezu die gesamte vordere Schiffshälfte von Deck drei bis nach oben unter. Darunter lebt die 65-köpfige Crew, und die achterliche Hälfte gehört den Wissenschaftlern mit neun Laboren und Auditorium für 30 Personen. Wer wann an Bord kommt, ist klar geregelt: „REV Ocean“ soll 75 Prozent des Jahres im Auftrag der Forschung unterwegs sein. BOOTE EXCLUSIV reiste nach Norwegen, kurz bevor der 195-Meter-Riese auf eigenem Kiel Kurs Niederlande nahm. Dort kommen Tesumo-Stäbe aufs Deck und der Innenausbau der Gäste-Areale wird vollzogen; Crewquartiere, Labore und Hangars waren größtenteils fertiggestellt – auch eine Art von Statement hinsichtlich der primären Ausrichtung.
Vor Ort machte REV-Ocean-CEO Nina Jensen klar: „Wir sehen uns eher als Fahrzeug (Vessel) denn als Yacht.“ Bereits das Akronym REV sagt das aus: „Research and Expedition Vessel“. Jensen, die 15 Jahre lang WWF Norwegen vorstand, leitet die eigens gegründete Stiftung gleichen Namens. Die schickt allerdings keine eigenen Teams, sondern koordiniert die Aufenthalte der Wissenschaftler und möchte eine dynamische Plattform im wortwörtlichen Sinne bieten. Die Bewerbungen bearbeiten zwei REV-Mitarbeiterinnen: die Meeresbiologin Dr. Eva Ramirez-Llodra aus Spanien und die deutsche Polarökologin Dr. Josephine Rapp. Pro Tour kommen bis zu 34 Forscher an Bord, denen keinerlei Kosten entstehen sollen. Im Gegenzug wünscht REV Ocean konkrete Ergebnisse, aus denen man Handlungen oder Innovationen ableiten kann und die auf der frei zugänglichen Online-Plattform Hub Ocean veröffentlicht werden.
Um das Ziel „One Healthy Ocean“ zu erreichen, erkor man drei Hauptherausforderungen aus: Plastikverschmutzung, Klimawandel und Versauerung der Meere sowie die Überfischung und Umweltauswirkungen der Fischerei. Die Stiftung rief Kjell Inge Røkke 2017 ins Leben. Der norwegische Unternehmer schloss sich im selben Jahr der Giving-Pledge-Initiative von Bill Gates und Warren Buffett an und versprach, mehr als 50 Prozent seines Vermögens für philanthropische Zwecke zu spenden. Vom „REV Ocean“-Auftraggeber maßgeblich mitentwickelt wurde das Trawl-System am Heck. Am Ende des Netztrichters werden die Lebendproben per Kamera-Erkennung (Deep Vision AI von Scantrol) vorsortiert und in einem Schlauch per Vakuum ins Labor gesaugt.
Wortgetreu im Mittelpunkt der Planung von „REV Ocean“ – und darin zeigt sich einmal mehr die originäre Bestimmung – aber war der Moonpool. Über den 7,7 x 5 Meter großen „Tunnel“ mittschiffs geht etwa der Tauchroboter (ROV) „Aurora“ auf 6.000 Meter Tauchstation. Unabhängig von Seegang oder Eisumklammerung zu Wasser gelangt sogar das Tauchboot „Aurelia“, eine Spezialanfertigung von Triton mit Acrylglas-Sphäre aus Deutschland. Aus zwei Teilen fertigte die Heinz Fritz GmbH im baden-württembergischen Herbrechtingen einen Kugeldruckkörper mit 2,40 Meter Durchmesser und einer Wanddicke von 32 Zentimetern (!). Der hielt bereits einem Prüfdruck von 276,71 bar stand, was 2.760 Metern Tauchtiefe entspricht.
In der Praxis darf das Tauchboot, das bereits vom REV-Ocean-Team genutzt wird, bis zu 2.300 Meter tief gehen. So weit in die Tiefsee werden Chartergäste wohl kaum vordringen, aber sie könnten es. Denn Burgess möchte mit den Reiseprofis von Joro Experiences auch private Expeditionen in die Arktis oder Antarktis organisieren, bei denen man sich Forschenden anschließt. Passenderweise parkt Tauchboot „Aurelia“ in einem Hangar zusammen mit einem Wakeboardboot. Der Raum war erst als Folge der Verlängerung um zwölf Meter entstanden, die VARD im Frühjahr 2024 im norwegischen Brattvag vornehmen musste.
Der Grund für das Einsetzen der 12-Meter-Sektion im hinteren Drittel: Die Konstruktion war zu kopflastig. Die schmale, auf Effizienz optimierte Rumpfform stand einer vollverglasten Panoramalounge auf dem höchsten Deck gegenüber. Gut 25 Meter über der Wasseroberfläche fielen die 33 Scheiben des Wintergartens mit 22 Tonnen ins Gewicht. Ebendieses Deck kappte man im Zuge der Verlängerung, hielt jedoch an der geschlossenen Aussichtsplattform fest – ein Deck tiefer, mit Aufbaustruktur aus Aluminium statt wie sonst aus Stahl und mit größeren Glasflächen und einer Grundfläche von 290 Quadratmetern. Insgesamt setzte GL Yachtverglasung über 115 Tonnen Multiverbund-Sicherheitsglas auf „REV Ocean“ ein.
Der verordnete Längenzuwachs brachte an Deck Platz für einen Padel-Tenniscourt oder Container – je nach Nutzung – und darunter für ein Labor mit 3-D-Druckern, Übertragungsraum (zusätzlich zum Mission Control Room), Stauraum und zusätzliche Dieseltanks, was die Reichweite um etwa 20 Prozent erhöhte. Für 90 Personen will man die Autonomie für 114 Tage aufrechterhalten können. Dieselgeneratoren liefern maximal 11 Megawatt Leistung, Batterien von Corvus speichern bis zu 3 Megawattstunden Energie und ermöglichen flüsterleise Fahrten. Das Antriebssystem aus zwei je 3.200 Kilowatt starken E-Motoren, die über 46 Meter (!) lange Wellenanlagen auf die Propeller wirken, erhielt die Silent-R-Notation und erfüllt damit die strengsten Anforderungen an die Geräuschabstrahlung unter Wasser. Das R steht für Research Vessel wie die im Bau befindliche „Meteor IV“, die diesen Klassifikationszusatz für gewöhnlich einholen.
Der bereits georderte ACH145 von Airbus Helicopters landet auf dem Helipad im Heck neben dem 15-Tonnen-Kran oder vorn auf dem zertifizierten Landeplatz mit Hangar im Vorschiff. So geht es mit zwei Helis an Bord in die Antarktis, ohne ein Support-Schiff als Basis für das in den Breiten verpflichtende Ersatz-Fluggerät zu benötigen. „REV Ocean“ hat das Potenzial, dem „zwei in einem”-Anspruch gerecht zu werden. Über Burgess können auch Urlaube ganz ohne Wissenschaftsbezug gebucht werden. Was eine Woche kosten wird, hat das Londoner Maklerhaus noch nicht verraten. Klar ist, das charterbare Forschungsschiff wird unter der Flagge Norwegens fahren – mit 1.150 Kilometer Kabel an Bord und einer Vielzahl an Wissenschaftlern.