Es ist ein lauer Sommerabend am Anleger des Yacht Club de Monaco, als sich der Eigner auf eine Bühne direkt vor dem Heck seiner neuen Yacht stellt und beginnt, die Historie seines frischen Assets zu erzählen. Hinter ihm liegt „Seven Sins“, 52 Meter lang und einstiges Flaggschiff der Sanlorenzo-Werft, vor ihm stehen seine Freunde und eine Handvoll Pressevertreter. „Nach 39 Jahren“, berichtet der 74-jährige Belgier Hugo Verlinden, „bin ich wieder bei der Werft angekommen, auf der meine Yachtleidenschaft begonnen hat.“ Nach zwei kurzen Intermezzi bei anderen Herstellern, die er auf der Bühne verschweigt, aber später zum Besten geben wird, kauft Verlinden zusammen mit einem Freund 1978 eine 18,50 Meter lange Sanlorenzo. Zehn Jahre fährt er mit ihr durch das westliche Mittelmeer, bis er ein Upgrade benötigt und realisiert, dass Sanlorenzo damals nicht größer als 20 Meter baut. Verlinden kauft daraufhin quasi in seiner Nachbarschaft, bei Heesen in Oss, und erwirbt die 27 Meter lange „Bacino“, die er bald um fünf Meter verlängert und im Jahr 2005 durch die 41 Meter lange Heesen „Seven Sins“ ersetzt. Waren die Yachten für ihn bislang ein Privatvergnügen, macht er aus der ersten „Seven Sins“ dann quasi ein Business. Zusammen mit seinem Co-Eigner liegt der Fokus auf der Vercharterung. Wichtigste Regel: Kein Eigner nutzt die Yacht während der Hochsaison. „Natürlich“, so Verlinden, „verdienen Sie mit einer Yacht kein Geld. Wenn man richtig verchartert, kann man die Betriebskosten aber trotzdem sehr stark drücken.“ Eine zweite wichtige Regel lautet: Ist die Yacht für einen Eigner reserviert, gibt er sie im Falle einer Vercharterung an externe Gäste frei. Falls nicht, zahlt er die volle Charterrate.
Exakt dieses System, nur mit zwei weiteren belgischen Teilhabern, setzt Verlinden – er selbst hält knapp 70 Prozent der Anteile – auf der neuen „Seven Sins“ um. Die Yacht, so hieß es vom Central Agent Yachting Partners International, sei zur Premieren-Saison bis auf eine kurze Periode im Herbst bereits ausgebucht. Selbst die Eigner der folgenden 52-Meter-Einheiten (Baunummer 2 und 3) von Sanlorenzo seien für die 270.000 Euro pro Woche nicht zum Zuge gekommen. Verlinden, so erzählt man sich später auf dem Event, sei ein begnadeter Marketingprofi, obwohl sein eigentliches Geschäft die Versicherungsbranche ist.
Dem vermeintlichen Hype gehen wir nun gemeinsam mit Sandro Chiavetta von Sanlorenzo auf den Grund. Auf seiner Visitenkarte steht „Chief Designer Superyacht“; unter der kreativen Regie von Mauro Micheli (Officina Italiana Design) hat Chiavetta das Konzept und die Gestaltung der „Seven Sins“ mitentwickelt. Trotz ihrer Länge von 52 Metern besitzt diese bislang größte Sanlorenzo einige typische Exteriormerkmale, über die auch etliche kleinere Einheiten der Werft verfügen. Dass gegenüber am Kai eine SL 118 liegt, macht den Vergleich sehr einfach. Auffällig ist etwa die gemeinsame lange Fensterfront vom Salon bis in den Bugbereich, das schwarze Hardtop mit seinen schwarzen Domen und der geduckte, eher sportliche Aufbau der Yachten.
Schon nach den ersten Schritten auf der Passerelle wird eines der Markenzeichen von „Seven Sins“ offensichtlich: Im Heck des Hauptdecks installierte die Werft einen äußerst veritablen Pool, der rund 11.000 Liter fasst, einen gläsernen Boden besitzt und damit zum Skylight für den darunterliegenden Beachclub wird. Warum ist darauf noch niemand gekommen?, entfährt es dem Reporter. Chiavetta schmunzelt, und seine selbstbewusste Antwort erfordert eigentlich keine weitere Nachfrage. „Nun“, sagt er, „we are italian.“
Doch dann berichtet er trotzdem von der Inspiration, die von der wesentlich größeren Yacht eines Mitbewerbers ausging. „Ich sah davon die Zeichnungen, die einen enormen Pool auswiesen“, sagt er. „Die Realität hatte damit dann nicht mehr allzu viel gemein. Der Pool war wesentlich kleiner geraten, zudem gab es nur eine klappbare Terrasse. Ich dachte mir, das können wir eventuell besser.“ Wir steigen nun einige Stufen hinab und gelangen in den wahrscheinlich spektakulärsten Raum auf „Seven Sins“. Das durch den Pool gefilterte Sonnenlicht taucht den Beachclub in ein weiches Licht, auf drei Seiten ist der Rumpf geöffnet und bietet damit drei verschiedene Terrassen, wenn die Yacht vor Anker liegt. Wir sitzen in Sesseln von Roda mittig unter dem Pool und können die Multifunktionalität des Bereichs nur erahnen.
„Der Beachclub“, sagt Chiavetta, „ist gleichzeitig die Garage für den Tender.“ Dafür wird der Teakboden, auf dem wir uns gerade aufhalten, abgesenkt, das entstandene Bassin mit Wasser geflutet und das Beiboot auf eigenem Kiel hineingefahren. Die Prozedur sei, so ein Crewmitglied, zwar nicht in wenigen Minuten erledigt – Möbel müssten umgeräumt und Wasser abgepumpt werden –, aber natürlich höchst eindrucksvoll. Die etwas andere Lazarette von „Seven Sins“ fasst einen acht Meter langen Tender, ein weiteres kleines RIB lagert im Bugbereich. Den Gästebereich hier unten komplettieren ein Gym, ein Hamam, eine Sauna und die dazugehörige Dusche. Im sich anschließenden Maschinenraum verrichten unter Fahrt zwei je 1500 kW starke MTU-Diesel ihren Dienst, vor Anker oder in manchen Marinas unterstützen zwei Generatoren (jeweils 125 kW) den Hotelbetrieb. Als Höchstgeschwindigkeit gibt die Werft für den 500-Tonnen-Verdränger 17 Knoten an, bei einer Reisegeschwindigkeit von elf Knoten reichen die Tanks für 4.000 Seemeilen Nonstop-Cruising.
Zurück auf dem Hauptdeck, fällt im Salon zunächst der fehlende Speiseplatz auf. Stattdessen gibt es zwei Sitzgruppen mit Mobiliar von Minotti und Flexform. „Wer isst schon hier unten, wenn das Wetter doch meistens schön ist?“, fragt Sandro Chiavetti und verweist auf die Esstische auf dem Ober- und dem Sundeck. Große und stählern umrahmte Fenster lassen reichlich Tageslicht in den Raum, der mit einem eher robusten Teppich (Charter!) ausgelegt ist und auf den weiteren Oberflächen Leder und verschiedenartig bearbeitetes Anigre-Holz aufweist. Den Stil nennt Chiavetti „very italian“ und beschreibt damit eine zurückgenommene Farben- und Formensprache, die unaufgeregt, aber edel wirkt. Genau so präsentiert sich auch die Eignersuite voraus auf dem Maindeck. Über ein kleines Office führt der Weg ins Schlafgemach, das ob der Charterabsicht Verlindens nicht eben überdimensioniert ist. Beeindruckend sind die großen Marmorflächen im Bad, die am Stück bis zu zwei Quadratmeter messen. „Calacatta Borghini“, sagt Chiavetta und meint damit die Bezeichnung dieser Marmorart aus den Bergen von Cararra – einen sehr weißen Stein mit grauer Maserung, der jedem Bad einen exklusiven Touch verleiht. Er wurde auch in den Gästekabinen verwandt, von denen sich vier auf dem Unter- und eine auf dem Oberdeck, gleich hinter der Brücke, befinden. Mit der Schaffung von sechs recht gleichwertigen Unterkünften, so Verlindens Theorie, fallen Buchungsentscheidungen mitunter leichter, als wenn die Kabinen zu verschieden sind. Um die bis zu zwölf Gäste kümmert sich eine elfköpfige Crew, aus der vor allem der Chef herausragt – der Niederländer ist mit zwei Michelin-Sternen dekoriert und soll in der Galley auf dem Hauptdeck (angeblich) kleine Wunder vollbringen.
Wir schauen uns nun noch den bevorzugten Aufenthaltsort der meisten Gäste an. Es ist der Heckbereich des Oberdecks. Hier platzierte Officina Italiana Design zwei Speiseplätze, einen in der Skylounge und einen im Außenbereich. Das gläserne Schanzkleid gewährt einen freien Blick auf das Heckwasser, weitere Scheiben schützen das Al-fresco-Dinner vor zu viel Wind. Alternativ lässt sich auf diesem Deck auch eine Sitzgruppe im Bug nutzen. Insbesondere in den Mittelmeer-Marinas ist hier die Privatsphäre größer. „Außerdem können wir diesen Bereich komplett abschirmen“, sagt Chiavetta; Gäste, die in der Öffentlichkeit stehen, sind so vor den Teleobjektiven der Paparazzi etwas geschützt und werden dies sicher zu schätzen wissen.
Gebaut wurde „Seven Sins“ an Sanlorenzos Standort in La Spezia. Auf der ehemaligen 50.000 Quadratmeter großen Cantieri San Marco entstehen seit Anfang 2016 alle Stahlbauten Sanlorenzos, sechs bis acht Einheiten können zeitgleich gefertigt werden. In der ligurischen Hafenstadt befindet sich derzeit unter anderen ein neues 72 Meter langes Flaggschiff im Bau. Für deutsche Interessenten an Sanlorenzo-Yachten ist Lengers Yachts aus dem niederländischen Muiden der designierte Ansprechpartner.
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 05/2017 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.