Sören Gehlhaus
· 07.05.2023
Feadships sind bekannt für ihre erstklassige Qualität und den hohen Grad der Individualisierung. Der „Somnium“-Eigner genoss den Entstehungsrozess seiner 55-Alu-Meter so sehr, dass er die Werft in Aalsmeer regelmäßig besuchte.
Es gibt Eigner, die genießen die Projektphase. Sie ersinnen Formen, Layouts oder entwickeln Farb- und Materialvorgaben für das Interior. Ist das Baustadium erreicht, übergeben sie an einen Sachverständigen, der Werft und Subunternehmern in regelmäßigen Abständen auf die Finger schaut. Ihr macht das schon. Es existieren aber auch solche Auftraggeber, die sich nicht nur zur Kiellegung in der Werfthalle einfinden, sondern regelrecht aufblühen, wenn es um den schiffbaulichen Part geht. So geschehen bei diesen 55 Metern von Feadship. „Er fragte bei uns an, schaute sich danach um und kam wieder zurück“, beschreibt Bas Nederpelt die Suche nach der richtigen Werft. Der Commercial Director von Feadship führt weiter aus: „Er genoss es, umsetzen zu können, was immer er und seine Frau im Sinn hatten.“ Tatsächlich waren ihre Anforderungen so kreativ wie konkret. Obwohl ein Verdränger gewünscht war, sollte dieser vollständig aus Aluminium sein. Die Beweggründe waren ähnliche wie bei „Enterprise“: geringer Tiefgang und die Tatsache, dass mehr nutzbarer Raum oberhalb der Wasserlinie zur Verfügung steht als mit Stahl. Insgesamt beträgt das Volumen 750 Gross Tons, über die Verdrängung schweigt sich Feadship aus.
Laut der niederländischen Werft war der „Somnium“-Eigner, der zuvor Semi-Custom-Bauten aus Italien besaß, Feuer und Flamme für die Entstehung seines ersten Solitärs, den er mit dem erfahrenen Eignervertreter Ron Kleverlaan realisierte. Zum persönlichen Engagement gehörten Besuche des Feadship-Standorts Aalsmeer alle zwei Wochen und das freitägliche Biertrinken mit dem Bauteam. So umschrieb es Feadship in der Pressemitteilung zum Launch und so bestätigt es Bas Nederpelt BOOTE EXCLUSIV während der Yachttour in Monaco, bei der auch der Eigner zugegen ist. Er begrüßt uns und fügt lachend hinzu: „Schreibt nur Gutes über meine Yacht, okay?“
Dass auf dem 55,20 Meter langen und 9,80 Meter breiten Bau bis zu drei Generationen leben, zeigt sich bereits am eben eingelassenen 9000-Liter-Pool des Achterdecks. Der verfügt über eine Gegenstromanlage für Wasser-Workouts und über einen Beckenboden, der hochfährt – wenn die Enkelkinder an Bord sind und baden wollen. Es sind nur wenige Meter, doch liegen zwischen Cockpit und Salon Welten. Sobald sich die konvex geformte Schiebetür geschlossen hat, herrscht absolute Stille. Als würde man den Noise-Cancelling-Knopf seiner ANC-Kopfhörer drücken. Und jeder senkt unwillkürlich die Lautstärke, ähnlich wie beim Betreten eines Großen Konzertsaales. „Das Interior hat etwas Beruhigendes“, drückt es Francesca Muzio ganz treffend aus. Die Gründerin und Leiterin von FM Architettura ergänzt: „Als Inspiration dienten die Galapagosinseln. Der Couchtisch mit geschwungener Oberfläche erinnert an Vogelkörper und der Teppich ähnelt einer Lagune.“
Erdfarben überwiegen, türkise Dekorationselemente oder das Wasserfallmuster auf der Trennwand zur Pantry lockern auf. Der Speisetisch ist in Leder eingefasst und enthält eine Bronzeplatte mit kleinen Löchern, die der Haut von Iguanas nachempfunden ist. „Kreativität ist immer auch ein Abenteuer“, lacht Muzia und führt in die Eignerkabine, die an Steuerbord mit einem Büro begrüßt, das sich für konzentriertes Arbeiten abtrennen lässt. Ferrari-Modelle stehen in den Regalen, Reste des Frühstücks auf dem Schreibtisch. „Diese Yacht lebt und ist nicht wie ein Museum“, freut sich die Architektin darüber, dass „Somnium“ rege genutzt wird. „Vor allem ist der Eigner sehr stolz. Das ist die größte Anerkennung für uns.“ Steuerbords geht es vom Sofa auf einen Klappbalkon, bugwärts folgen jeweils Ankleiden vor den zwei Duschbädern. Die Mastersuite wird etwas beschnitten von zwei gut sieben Meter langen Tendern, die im geschlossenen Vorschiff davor lagern.
Das Interior wirkt so, als wäre es nicht die erste Zusammenarbeit von den Eignern mit dem Studio, das südlich von Ancona sitzt. Doch war es die Werft, die sie zusammenbrachte. „Wir machten ein paar Skizzen, die gleich gefielen. Danach kam alles Stück für Stück zusammen, es war ein natürlicher Prozess“, sagt Francesca Muzio, während sie die Gruppe auf das vordere Oberdeck führt. Das bietet Sitz- und Liegegelegenheiten auf elf Metern Länge und neun Metern Breite. Im Zentrum stehen die „Paraggine“, Klappliegestühle, wie sie typisch sind für den Strand bei Portofino. Die Italienerin, die in der begehrten Region aufgewachsen ist, gibt unumwunden zu, dass sie sich der Praktikabilität des langen Vordecks nicht sicher gewesen sei. Die Rückmeldung, die sie in Monaco erhielt: „Wir lieben es!“ Hier werde sogar diniert, wenn das Bimini aufgespannt ist.
Umgeben ist das zweite Sonnendeck von einer Reling im Schanzkleid. Ihr diagonaler Anstieg am Bug verleiht den Linien eine Dynamik, die nicht unbedingt zu den 14,5 Knoten Topspeed passt, aber in der Summe stimmig und nur folgerichtig ist. Der „Somnium“-Eigner sammelt jene schnellen, meist roten Autos italienischer Bauart, deren Formen De-Voogt-Designer Ruud Bakker ebenfalls ungemein schätzt. „Sie hatten viel Spaß bei der Ausarbeitung der Linien“, weiß Nederpelt zu berichten. Die Designdienste des werfteigenen Konstruktionsbüros stehen allen Feadship-Kunden offen, die keinen externen Gestalter im Gepäck haben. Was seit Anfang 2020 auf die Hälfte der Ablieferungen zutrifft. Die Vorteile: kurze Wege, schnelle Entscheidungen und keine Festlegung auf einen bestimmten Stil, wie es bei unabhängigen Studios häufig der Fall ist.
Ähnlich wie Diffusoren von Sportwagen laufen die spitzen Enden der Aufbauten aus, gut zu erkennen vom traditionellen Sonnendeck aus. Hier lassen sich die Bar achtern und das Whirlpool-Areal mit Glastüren voneinander und vom Wind trennen. Von ganz oben geht es nach ganz unten in den Motorenraum, der sich zwischen vier Doppelkabinen und den Crew-Unterkünften für bis zu 14 Personen positioniert. Der erste Ingenieur erwartet in pedantisch reiner Umgebung, wobei die je 900 Kilowatt starken MTUs bereits auf 1350 und die 200-Kilowatt-Generatoren von Zenero auf 3100 Betriebsstunden kommen. Dass es die Antriebsmotoren bei zwölf Knoten Fahrt nach je 250 Liter pro Stunde dürstet, schreibt der Erste der Effizienz des Alurumpfs und der Ausgereiftheit von MTUs 2000er-Serie zu. Sind 71 000 Liter Diesel gebunkert, bewältigt „Somnium“ mit zehn Knoten 4500 Seemeilen. Es ist ein effizientes, bewährtes Konzept und doch eines der letzten seiner Art. Feadship-Chefverkäufer Nederpelt berichtet, dass die acht Projekte, an denen gearbeitet wird, alle dieselelektrisch angetrieben werden.
Ein Eigner, dem es der Motorenraum angetan hat, begeistert sich auch für die Brücke. Seine besondere Maßgabe dort war ein XXL-Display. Nederpelt: „Das ist wie ein riesiges iPad und wird von der Eignerfamilie genutzt, um Informationen einzuholen oder den Kurs festzulegen.“ Mit einem Tiefgang von nur 2,46 Metern geht es mit dem Heck ganz nah an Küsten heran, bestimmt bald auch an die der Galapagosinseln. Am Spiegel ersetzen eine große zentrale Öffnung zwei schmale Schotttüren, von denen die rechte in einen technischen und die linke in den Fitnessraum führt. Der gewährt über ein Fenster Einblicke in den Pool und erhält Frischluft über eine gut zwei Meter breite Rumpfklappe. Mit „Somnium“ ist dem Yachtnamen entsprechend ein Traum in Erfüllung gegangen, der in den ersten beiden Saisons bereits 18 Monate lang gelebt wurde.