Die italienische Nobelmarke Pershing feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Hier die Geschichte des raketenhaften Aufstiegs vom Reparaturbetrieb zum Innovationsführer.
Wir schreiben das Jahr 1981. Während europaweit Hunderttausende Menschen gegen die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II demonstrieren, sitzen im beschaulichen Mondolfo an der italienischen Adriaküste drei junge Männer beim abendlichen Vino zusammen und planen ihre Zukunft. Tilli Antonelli, Fausto Filippetti und Giuliano Onori sind begeisterte Wassersportler und träumen vom eigenen Werftbetrieb. Antonelli, Regattasegler und Fastnet-79-Veteran, sowie der gelernte Bootsbauer Filippetti und Onori gründen kurzerhand die „Cantiere Navale dell’Adriatico“. Der Name klingt hölzern, passt aber in die Nomenklatur damaliger italienischer Firmengründungen, in denen das Wort „Cantiere“, Werft, nicht fehlen darf.
Zunächst konzentrieren sich die drei Freunde auf die Reparatur von Holz- und Kunststoffbooten. Doch schnell ist klar: Sie wollen mehr. Die Begegnung mit dem Designer Fulvio De Simoni markiert 1985 dann einen Wendepunkt. Gemeinsam entwickeln sie ein neues Bootsmodell, das Maßstäbe setzen soll. Vier Jahre nach Werftgründung präsentieren sie auf der Messe in Genua eine Yacht, bei der schon die Typenbezeichnung in Anlehnung an die oben genannten Raketen ein Statement sein soll: Pershing 45. Ein Name, der Kraft, Präzision, Qualität und Geschwindigkeit suggerieren soll.
Erstmals vereint ein Sportboot die Geschwindigkeit eines reinrassigen Powerboats mit dem Komfort einer Motoryacht. Die Pershing 45 bietet ihren Eignern ein bis dahin ungekanntes Maß an Interieur-Volumen und Privatsphäre, kombiniert mit den rasanten Fahrleistungen eines reinen Powerboats. Mit drei Bädern und drei Kabinen setzt die Pershing, deren Modellname von nun an auch der Werftname sein wird, Maßstäbe in Sachen Wohnlichkeit in dieser Klasse. Es ist die Geburtsstunde einer Marke, die in den folgenden Jahrzehnten den Yachtmarkt mit bahnbrechenden Innovationen prägen wird. Von der Entwicklung der ersten hydraulischen Gangway mit Besenzoni bis hin zum Einsatz von 3D-Druck im Bootsbau.
In den frühen 1990er-Jahren treibt Pershing die Internationalisierung voran. Die Marke expandiert zunächst in den Mittelmeerraum, die USA und den Fernen Osten. Parallel dazu entwickelt sie immer neue technologische Innovationen. 1991 präsentieren die Italiener um Tilli Antonelli mit der Pershing 70 das erste Modell mit Gasturbine, das eine Höchstgeschwindigkeit von 55 Knoten erreicht – eine nicht nur für die damalige Zeit unglaubliche Geschwindigkeit. 1996 folgt die Pershing 54, eines der ersten Modelle mit Oberflächenantrieb. Der antriebstypische „Roostertail“, also die meterhohe Wasserfontäne hinter dem Boot, wird zum Markenzeichen.
1998 wird Pershing Teil der Ferretti-Gruppe mit so bekannten Marken wie Ferretti, Riva, Wally oder Itama. Diese Übernahme verleiht der Marke zusätzliche finanzielle Möglichkeiten und Spielräume. Das sorgt für eine kreative Freiheit, mit der sich ambitionierte Projekte realisieren lassen, die bis dahin undenkbar schienen. Ein Meilenstein ist beispielsweise die Präsentation der Pershing 88 im Jahr 2000. Erstmals erhält der Rumpf die charakteristische silberne Lackierung, die zum Markenzeichen aller nachfolgenden Pershing-Yachten wird. 2004 folgt mit der 35 Meter langen Pershing 115 der Einstieg ins Superyacht-Segment. Das Modell kombiniert eine Gasturbine mit Wasserstrahlantrieb und erreicht damit eine Höchstgeschwindigkeit von 52 Knoten bei herausragender Manövrierbarkeit.
In den folgenden Jahren treibt das innovationsgetriebene Entwicklungsteam um Tilli Antonelli die Evolution des Yacht-Designs weiter voran. Die Pershing 72 von 2007 markiert den Beginn der Zusammenarbeit mit Poltrona Frau. Der Möbelhersteller gestaltet fortan die Brücke, Sitze und zahlreiche weitere Details der Innenausstattung. Ein weiteres revolutionäres Designmerkmal ist die versteckte Schiebetür, die den Außen- und Innenbereich zwischen Salon und Cockpit zu einem einzigen großen Raum verbindet. 2014 führt Pershing mit der neuen Pershing 70 die charakteristischen seitlichen Flügel ein, die seither ein weiteres Markenzeichen aller Modelle sind.
2019 präsentieren die Italiener mit der 43,30 Meter langen 140 ein Powerformat in XXL, das von einem MTU-Quartett mit 7756 Kilowatt Leistung auf bis zu 38 Knoten beschleunigt wird. Es ist nicht nur die größte je gebaute Pershing, sondern auch die erste mit Alu-Rumpf. Ausstattungsmerkmale wie die erhöht gelegene Brücke mit direkter Verbindung zum Sonnendeck und der dem Eigner vorbehaltene Bereich auf dem Hauptdeck setzen neue Standards. Die sogenannte Beach Area, also die überdimensionale Badeplattform, öffnet sich auf drei Seiten und schafft eine einzigartige Verbindung zum Meer.
In den letzten Jahren legte das Entwicklerteam den Fokus verstärkt auf Leichtbau und Performance-Optimierung. Die 2020 vorgestellte Pershing 7X ist Teil der Generation-X-Reihe, die auf den vier Säulen Design, Technologie, Performance und Leichtbau basiert. Durch den Einsatz von Leichtmetallen und eine umfassende Gewichtsreduzierung im Interieur erreicht die Pershing 7X eine Verdrängung von nur 35 Tonnen. Das Resultat ist ein geringerer Kraftstoffverbrauch bei gleicher Geschwindigkeit im Vergleich zu früheren Modellen.
Die jüngste Modellreihe ist die GTX-Serie. Mit ihr setzt Pershing erneut Maßstäbe. Die 35 Meter lange GTX116 ist das erste Modell. Sie kombiniert die für Pershing typische Performance und Sportlichkeit mit höchstem Komfort. Das Hauptdeck erstreckt sich über zwei Ebenen: die untere für den direkten Kontakt zum Meer, die obere für geselliges Beisammensein.
Seit der Präsentation ihres ersten Modells 1985 hat Pershing zahlreiche Grenzen überschritten und neue Wege eingeschlagen. Dabei blieb die Werft stets den Grundprinzipien treu, die bereits in der Pershing 45 erkennbar waren: Jedes Modell überzeugt mit viel Leistung, dem Einsatz moderner Technologie und zeitgemäßem Design. Die erste große Veränderung in diese Richtung war der Übergang von Wellen- und Z-Antrieben zu Oberflächenantrieben von Arneson. Das Ergebnis waren Höchstgeschwindigkeiten mit hervorragender Manövrierbarkeit.
Pershing ist heute nach eigenen Angaben weltweit führend bei der Installation von Oberflächenantrieben auf Freizeitbooten. Auch der Einsatz von Waterjets in Verbindung mit einer Gasturbine, die mehr als 3.750 Kilowatt leistet und 2004 erstmals auf einer Pershing 115 installiert wurde, muss erwähnt werden, wenn es um Innovationen geht. Im Jahr 2011 folgte dann die Einführung des ersten Drei-Motoren-Antriebssystems auf der 108. Heute geht Pershing – wie auf der GTX70 und 80 – einen massentauglicheren Weg mit IPS-Antrieben. Der Markenkern hingegen bleibt gleich: Power und radikaler Speed treffen auf möglichst viel Komfort. Ganz im Sinne der drei Gründerväter aus den 80er-Jahren, damals 1981 beim Vino in Mondolfo.