Sören Gehlhaus
· 23.02.2023
Erst gab Tom Schröder bei Cantiere delle Marche einen 44 Meter langen Stahl-Explorer für eine Weltreise mit der Familie in Auftrag. Und weil ihm die Philosophie der italienischen Werft gefiel, stieg er als Hauptinvestor ein.
Anfang November erreichte BOOTE EXCLUSIV eine überraschende Meldung: Die in Ancona ansässige Werft Cantiere Delle Marche (CdM) gab bekannt, dass die hundertprozentige Übernahme des Unternehmenskapitals durch ein Management-Buy-Out abgeschlossen wurde. Daran maßgeblich beteiligt war ein deutscher Unternehmer. Laut eigenen Angaben ist CdM mit einem Marktanteil von knapp 60 Prozent Weltmarktführer im Explorer-Segment. Diese sind zwischen 26 und 46 Meter lang und haben seit Gründung vor zwölf Jahren immer einen Stahlrumpf.
75 Prozent an der italienischen Werft hält nun Tom Schröders Family Office FIL Bros. mit Sitz in Österreich. Die restlichen 25 Prozent verteilen sich auf die CdM-Mitgründer Ennio Cecchini und Vasco Buonpensiere. Cecchini, der ehemalige CEO, ist neuer Präsident und Vasco Buonpensiere tauscht seinen Posten als Sales & Marketing Director gegen den des CEO ein. Schröder ist gebürtiger Sauerländer und beschreibt sich als Unternehmer. Was ihn zum Einstieg bewogen hat und was die Zukunft für die Explorer-Schmiede bereithält, verrät der Yachting-begeisterte Wahl-Mallorquiner im Interview.
Wie sieht Ihr persönlicher Yachtbezug aus?
Mein Vater hatte zusammen mit einem Partner, der ein absoluter Segelenthusiast ist, einen mittelständischen Mineralölhandel im sauerländischen Brilon, wo ich auch aufgewachsen bin. Mitte der Achtzigerjahre übernahmen die beiden die in der Nähe beheimatete Firma Dehler Yachtbau aus Freienohl und verkauften diese etwa fünf Jahre später sehr erfolgreich an eine Beteiligungsgesellschaft der DG-Bank. Daraus resultierte, dass wir eine Dehler 24 zunächst auf dem Diemelsee und später auf dem IJsselmeer liegen hatten. Anfang der Neunzigerjahre wanderte der Partner meines Vaters nach Mallorca aus und wurde Generalimporteur von Bavaria Yachts für Spanien, verbunden mit einer großen Charterflotte. Aus dieser Charterflotte durften meine Freunde und ich uns gegen einen kleinen Obolus bedienen, wovon wir häufig Gebrauch machten und ausgiebig die Balearen erkundeten. Mittlerweile leben meine Familie und ich auch in Palma.
Anfang der 2000er-Jahre stand die Familiengründung mit mittlerweile vier Jungs und der Aufbau einiger Firmen im Fokus und die Segel-Leidenschaft rückte etwas in den Hintergrund. Ferner folgten einige erfolgreiche Firmenverkäufe. 2013 legten wir uns einen Segelkatamaran zu, eine Sunreef 70. Nach einer Saison im Mittelmeer nutzten wir das Boot drei bis vier Monate im Jahr in der Karibik ausgiebig, inklusive Atlantiküberquerung. Da meine Familie und ich im Jahr 2019 den Plan einer Auswanderung nach Mallorca verbunden mit einem Motorboot zum schnellen Erreichen der Buchten schmiedeten, verkauften wir den Katamaran.
Welchen unternehmerischen Hintergrund besitzen Sie?
Ich habe noch während meines BWL-Studiums Anfang der 2000er-Jahre meine erste Firma gegründet. Damals belebte ich mit zwei Partnern die bis hin zu meiner Generation sehr bekannte Füllfederhalter-Marke Geha wieder und vertrieb unter der Marke Druckerzubehör in der DACH-Region. Danach folgten weitere Firmengründungen, Firmenkäufe und der ein oder andere erfolgreiche Exit. Auch eine Insolvenz einer Solarfirma vor über zehn Jahren gehörte dazu. Ich würde mich durch und durch als Unternehmer beschreiben, der mal unten, aber meistens oben war. Die erfolgreichste Unternehmung war die Wunschgutschein-Gruppe, die ich in zwei Schritten an Private-Equity-Investoren veräußert habe. Heute halte ich dort noch eine Minderheiten-Beteiligung.
Wird es Ihre erste Yacht aus der Gattung der Explorer sein?
Ja, bisher war ich eher Segelyachten zugetan. Aber nachdem meine Familie und ich die Coronazeit sehr eng miteinander verbracht haben, was sehr gut funktioniert hat, entstand die Idee einer gemeinsamen Weltumrundung. Diese wollen wir innerhalb von sieben Jahren vollziehen, wobei wir die ersten beiden Jahre permanent an Bord seien werden. Auf unserer Reiseroute steht neben den arktischen Regionen auch die Nord-West-Passage zur nördlichen Umrundung Kanadas. Zufällig kam ich einige Monate vor dem Entschluss zu der Weltreise erstmalig in Kontakt mit CdM. Vielleicht hat auch die Philosophie eines richtigen Explorers die Idee der Weltreise befeuert. So genau weiß ich das gar nicht.
Wie genau ist der Kontakt zu Cantiere delle Marche zustande gekommen?
Ich habe mit meinem damaligen Partner unserer Gutscheinfirma im Jahr 2019 das Cannes Yachting Festival besucht. Eine Freundin meines Partners meinte, dass wir unbedingt eine Yacht von CdM anschauen sollten, da diese ihres Erachtens die aufstrebendste Werft am Markt sei. Als ich an Bord kam und Carlo, heute für das Brokergeschäft zuständig, im Maschinenraum die Philosophie von CdM erläuterte, war ich von der ersten Sekunde hellauf begeistert. Für mich passte alles zusammen – das, was Carlo erzählte und meine Augen sahen. Nach der Besichtigung traf ich erstmalig Vasco, den heutigen CEO, der mich noch mehr von der CdM-Philosophie überzeugte. Ferner gefiel mir auf Anhieb das damals nur aus Renderings und Zeichnungen bestehende Flexplorer-Projekt sehr.
BOOTE EXCLUSIV hat CdM im Frühjahr besucht und Stahlschiffbau in seiner reinsten Form erlebt, in seiner Robustheit auch als eine Art Gegenstück zur hoch technisierten, durchdigitalisierten Welt. Gab es einen Auslöser, einen Moment, der Ihnen verdeutlichte, hierein möchte ich investieren?
Im Vorfeld des Bauauftrages unseres Flexplorers erfolgten einige Werftbesuche in Ancona. Und die von mir engagierten Experten und Gutachter, sie blicken auf viel Erfahrung mit Industrieschiffen zurück, waren maximal überzeugt von der Qualität und dem Know-how der Werft, was letztendlich entscheidend für die Beauftragung war. Während der nunmehr fast zweijährigen Bauzeit hat sich dieses Bild mehr als verfestigt. Ferner ist in den letzten drei Jahren ein sehr enges und freundschaftliches Verhältnis zwischen Ennio (jetzt Präsident), Vasco (CEO) und mir entstanden. Am Ende verfolge ich als Investor immer folgenden Drei-Stufen-Check:
Welche Bedingungen gab es für den Einstieg?
Wir investieren in Wachstumsunternehmen, die schon auf dem richtigen Weg und profitabel sind. Ennio und Vasco verfolgen seit zwölf Jahren einen zielgerichteten Plan: hochwertige Explorer bauen, die qualitativ vergleichbar mit den namhaften Werften in Nord- und Mitteleuropa sind. Dies haben die zwei mit ihrem Team meines Erachtens geschafft. Deshalb gab es nur eine Bedingung: Die handelnden Personen müssen langfristig an Bord bleiben. Daher wurde das Management maßgeblich mit einem Paket von 25 Prozent an echten Shares am Unternehmen beteiligt, wobei hiervon 20 Prozent auf Ennio und Vasco entfallen. Ansonsten muss das Team den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgen. Wir als FIL Bros. begleiten von der Seite, ermöglichen weiteres Wachstum und ich persönlich bringe meine Erfahrungen als Yachteigner ein. Wobei ganz klar zu sagen ist: Wir sollen ganz behutsam wachsen. Unser Endziel ist, drei bis vier Yachten pro Jahr auszuliefern. Um dies zu erreichen, werden wir wahrscheinlich eine weitere Halle mit zwei Plätzen am Standort in Ancona errichten. In Summe hätten wir dann neun Bauplätze, wo Yachten bis 150 Fuß entstehen können.
Wie wird die Zusammenarbeit mit Ennio Cecchini und Vasco Buonpensiere aussehen?
Ennio und Vasco sind mit ihrem Team weiterhin für alles Operative zuständig. Daran wird sich nichts ändern. Der einzige Unterschied ist, dass die zwei nun anstatt eines eher passiven Gesellschafters mit wenig Affinität zum Yachting einen begeisterten Yacht-Guy an ihrer Seite haben, der viele Freiheiten gewährt und auch etwas verrückt ist. Ich denke, dass Vasco und Ennio sich nun erst richtig entfalten können.
Die Rezession wirft ihre Schatten voraus, Großserien-Werften drosseln bereits ihre Produktion. Welche unmittelbaren und langfristigen Pläne haben Sie für CdM?
CdM ist genau das Gegenteil zu einer Großserien-Werft: klein und fein. Wir zielen auf ein ganz spezielles Klientel ab und befinden uns in einer Nische. Ich bin überzeugt, dass gerade in der aktuellen multiplen Krise das Luxussegment sehr robust ist und sogar wachsen wird. Dies zeigen die jüngsten Zahlen von Luxusmarken und wir bei CdM merken ebenfalls keinen Abriss. Im Gegenteil, wir sind kurz vor Abschluss von drei Großaufträgen jenseits der 120 Fuß. Und die kürzlich vergangenen Yachtmessen in Cannes, Monaco und Fort Lauderdale haben die Shortlist der Interessenten stark wachsen lassen. Ich glaube, dass die Krise eine neue Währung geschaffen hat, wohlhabende Leute wollen das Leben genießen. Darüber hinaus sehen die Besitzer eines CdM-Explorers diesen als eine Gelegenheit zur Unabhängigkeit, Selbstversorgung und Selbstbestimmung an – als einen Kokon in schwierigen Zeiten. Ferner handelt es sich bei den aktuellen Kunden um eine andere Generation, die ihr Geld auch gerne ausgeben und nicht alles an die nächste Generation weitergeben wollen.
Mit dem Flexplorer-Konzept bietet CdM eine Plattform für aktive Eigner, die mit großen Tender- und Toyflotten reisen. Wie möchten Sie Ihren Flexplorer nutzen im Hinblick auf geplante Routen und Aktivitäten?
Wie erwähnt, wollen meine Familie und ich einmal die Welt umrunden und werden dabei auch arktische und tropische Regionen bereisen. Dafür muss die Yacht gut durchdacht sein. Neben der natürlichen Explorer-DNA wie Qualität, Robustheit, Wartungsfreundlichkeit und Reichweite fängt dies bei der offensichtlichen Notwendigkeit einer kleinen Eisklasse mit einem umlaufenden Eisgürtel an und hört bei der Klimatisierung auf, die auch bei hoher Luftfeuchtigkeit einwandfrei funktionieren muss, ohne dass verdeckter Schimmel entsteht. Außerdem haben wir einen 9,50 Meter langen Tender entwickelt, der zwar noch mit dem A-Crane gekrant werden kann, aber wie ein kleiner Support-Tender fungiert. Er beherbergt Seabobs, Jetboards, Wasserski und sonstige Toys. Wenn man mit dem Mutterschiff nur kurze Strecken zurücklegen muss und das Hauptdeck des Flexplorers als Sonnendeck nutzen will, wird der große Tender gezogen und auf ihm der Williams 435 SportJet Huckepack genommen. Im Tendermodus können bis zu zwölf Gäste im Trockenen geshuttlet werden.
Im Vergleich zu dem ersten Flexplorer „Aurelia“ wird „Maverick“ um ganze fünf Meter länger. Welche Veränderungen haben Sie und Konstrukteur Sergio Cuttolo am Layout vorgenommen?
Auf dem Unterdeck sind vier Kabinen und die Crew-Area untergebracht. Das Hauptdeck besteht aus dem riesigen Salon, einer offenen Galley mit Kühlraum und einer sehr großen Kabine. Das ist eigentlich die Mastersuite, aber um die „streiten” sich jetzt unsere Söhne. Das jetzige Owner-Deck darüber beherbergte ursprünglich einen weiteren Salon oder eine Lounge sowie die Brücke. Während des Baus kam uns aber die Idee, dass die Brücke naturgemäß den besten Blick nach vorn hat und ein weiterer Salon keinen richtigen Mehrwert bietet, zumal der Beachclub eine Lounge mit Kino beheimatet. So entwickelten wir aus dem Oberdeck ein Eignerdeck und positionierten das Wheelhouse sowie ein üppiges Sonnendeck ein Deck höher. Als Krönung entwickelten wir für ganz oben ein Krähennest, um vom besten Platz an Bord alles im Blick zu haben.