Pietro, Ernesto, Serafino, Carlo: Jahrzehntelang ging die Riva-Werft vom Vater auf den Sohn über, und jede Generation brachte neue Visionen ein, um das, was als lokale Bootswerft mit einem soliden Ruf für Bauqualität begann, in eine Ikone des italienischen Stils zu verwandeln. Heute ist Riva eine internationale Legende, deren Produkte gesammelt werden und an Wert gewinnen. Die namhaften italienischen Bootsbauer, die derzeit an drei Standorten in Italien tätig sind, feierten 2022 ihr 180-jähriges Bestehen.
Alles begann im Jahr 1842 in Sarnico, einer kleinen Stadt am italienischen Lago d’Iseo. Die Geschichte besagt, dass eine plötzliche Sturmböe die Boote der örtlichen Fischer so stark beschädigte, dass viele dachten, sie hätten ihre Lebensgrundlage verloren. Pietro Riva, ein junger Bootsbauer, der gerade erst vom Comer See in die Gegend gekommen war, machte sich an die Reparatur der örtlichen Flotte und erntete dafür den Respekt und die Bewunderung aller, deren Schiffe er rettete.
Ernesto Riva, der Sohn von Pietro, baute weiterhin Boote am Lago d’Iseo, konzentrierte sich aber verstärkt auf größere Schiffe für den Transport von Waren und Passagieren. Nach dem Ersten Weltkrieg begann Serafino Riva – die dritte Generation der Riva-Familie, die das Unternehmen übernahm – die Welt der Motorbootrennen zu erkunden und baute leistungsstarke Kolbenmotoren in die erstklassig produzierten Boote, die der Werft seiner Familie schon damals Erfolge einbrachten. Die Rennboote von Serafino Riva gewannen in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg viele Wettbewerbe in der aufkommenden Rennszene. Doch Rivas waren nie nur für ihre Geschwindigkeit berühmt; sie waren immer schon technisch auf dem neuesten Stand, aber auch immer wunderschön.
In den 1950er- und -60er-Jahren wurde Riva unter der Leitung von Pietros Urenkel Carlo zu einer Marke mit einer gefestigten Position als Hersteller von einigen der elegantesten und glamourösesten Boote der Welt. In der Blütezeit von La Dolce Vita war es zu Lande Ferrari, zu Wasser Riva, wie sich Alberto Galassi, CEO der Ferretti-Gruppe, erinnert:
Ich glaube, um eine andere Marke zu finden, deren Stärke mit der von Riva vergleichbar ist, muss man sich in der Welt der Automobile umsehen, und zwar bei Ferrari, einem weiteren Beispiel für eine einzigartige und legendäre Marke, die Forschung und Innovation in ihrer DNA trägt und gleichzeitig einen unvergleichlichen Stil hat.“ - Alberto Galassi
Carlo Riva wurde am 24. Februar 1922 in Sarnico geboren. Als er das Familienunternehmen übernahm, war er bereit, die Riva-Produktion von verschiedenen Arten von Arbeitsbooten auf exklusive Objekte der Begierde umzustellen. Im Jahr 1954 eröffnete er eine neue Werft, die einen modernen Produktionsansatz verfolgte. Hier wollte Carlo Boote schaffen, die in Form und Substanz einzigartig waren. Das Herzstück dieser Betriebsstätte war Rivas Büro, der „Steuerstand“, den er selbst entworfen hatte. Er befindet sich im Zentrum der Werft und wird von zwei Säulen und einem 40 Meter hohen Bogen flankiert, der mit Kränen ausgestattet ist, die Boote von bis zu 20 Tonnen hieven. Der Steuerstand und die gesamte Werft sind – überaus ungewöhnlich für einen Industriekomplex – als Beispiele moderner Architektur denkmalgeschützt.
Als Unternehmer mit Visionen erkannte Carlo Riva die Bedeutung von Markenimage und Marketing. Da er die Bedürfnisse der Eigner voraussah, gründete er 1957 den Riva Boat Service, um technische Unterstützung und Kundendienst anzubieten. Das erste Servicezentrum war die historische R.A.M. in Sarnico, zwei Jahre später folgte der Monaco Boat Service in Monte Carlo und weitere Zentren in der ganzen Welt. Er investierte auch in die Materialforschung und wechselte in den 1960er-Jahren von Schiffssperrholz zu Glasfaser.
Während die Werft viele berühmte Modelle wie die Ariston, Tritone, Sebino und Florida herstellte, war es die Riva Aquarama, die 1962 auf der internationalen Bootsmesse in Mailand vorgestellt wurde, sofort für Schlagzeilen sorgte und schließlich zu einer Ikone wurde. Sie gehört zu den elegantesten Booten aller Zeiten. Ihre unverwechselbaren Linien werden durch lackierte Tischlerarbeiten, poliertes Chrom und Lederdetails unterstrichen, die von Stil, Eleganz und Luxus zeugen. Der Name dieses Mahagoni-Gleiters erinnert an Jetset-Playboys wie Porfirio Rubirosa, die sich auf dem Canal Grande tummelten, oder an glamouröse Frauen wie Brigitte Bardot, die in den warmen Gewässern vor St. Tropez unterwegs waren – immer an Bord ihrer eigenen Rivas. Im ersten Jahr der Produktion wurden 21 Aquaramas verkauft. Ein Jahr später wurde die Aquarama Super entwickelt, gefolgt von der Aquarama Special im Jahr 1971. Insgesamt stellte Riva 784 dieser Boote her, wobei die Aquarama und die Aquarama Super bis 1971 und die Aquarama Special bis 1996 in Produktion blieben.
Alberto Galassi selbst ist ein Fan der Riva Aquarama Super und stolzer Besitzer dieses Modells. „Ich denke, es ist das schönste Boot, das je gebaut wurde – die eleganten Linien sorgten dafür, dass ich mich in die Marke verliebte“, sagt er. So wie die Riva-Werft vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde, hat der Ferretti-CEO die Liebe zu Riva von seinem Vater geerbt. „1974 kauften mein Vater und einige seiner Freunde die kleinste Riva, die damals in Produktion war, eine Riva Rudy aus GFK“, erinnert sich Galassi. „Später verliebte ich mich in die Aquarama Super und kaufte sie. Ich besitze immer noch beide Modelle und würde sie für nichts auf der Welt hergeben. Riva ist eine Art Glaube, eine Lebenseinstellung, ein Zeichen von Eleganz. Wenn ich meine Aquarama betrachte, sehe ich mehr als ein Boot, ich sehe ein Kunstwerk, einen Geniestreich von Carlo Riva und eine Ikone des italienischen Stils.“
Während die Aquarama die Linien und den Glamour von Riva definierte, baute die Werft auch andere Modelle, bei denen Verbundwerkstoffe, Motorleistung und aerodynamische Formen den Ton angaben. Dazu gehörten Daycruiser wie die Riva 2000 und die St. Tropez, die bis 1992 produziert wurden, sowie das Flaggschiffmodell Superamerica, ein voluminöses Flybridge-Format, das in verschiedenen Längen und über 20 Jahre lang in Produktion blieb.
Carlo Riva zog sich 1972 aus dem Familienunternehmen zurück, aber Giorgio Barilani, der 1956 bei Riva angefangen hatte, blieb bis 1996 als Konstruktionsleiter im Amt. Im Jahr 2000 wurde Riva von der Ferretti-Gruppe übernommen, deren Portfolio mittlerweile aus sieben starken Marken besteht: Wally, CRN, Custom Line, Ferretti Yachts, Pershing, Itama und Riva. Die neuen Eigentümer beschlossen, die Riva-Modelle gestalterisch zu überarbeiten und weiterzuentwickeln. Den Auftrag dafür bekam das Studio Officina Italiana Design unter der Leitung von Mauro Micheli und Sergio Beretta, die eng mit dem Produktstrategie-Ausschuss und den Marketing- und Konstruktionsabteilungen der Ferretti-Gruppe kooperieren. Neue Coupé- und Flybridge-Modelle wie die Rivarama und die Rivale wurden fortan jedes Jahr vorgestellt. Diese intensive Designinnovation wurde durch die Gründung einer neuen Riva-Werft in La Spezia und den weiteren Ausbau der CRN-Werft in Ancona unterstützt. „Riva ist die einzige Werft, die Yachten mit Längen von acht bis 60 Metern im Angebot hat – jedes Modell ist eine perfekte Mischung aus zeitloser Eleganz und zeitgenössischem Stil“, sagt Galassi. „Um das zu erreichen, haben wir sorgfältig geplant und investiert, wobei wir nicht nur auf Innovation und Design geachtet haben, sondern auch auf alle Aspekte der Technik, Technologie und Sicherheit, die Riva seit jeher zu einem Maßstab in der Branche machen.“
Heute werden in der historischen Riva-Werft in Sarnico Boote mit Längen von 27 bis 68 Fuß gebaut wie die Iseo, die Aquariva Super und die Rivarama Super. Die Rümpfe und Decks werden Seite an Seite gefertigt, wobei den Details und Materialien große Aufmerksamkeit gewidmet wird. Exklusiv für Riva hergestellte Farben und Hölzer wie Mahagoni und „Rigatino“, die zur Geschichte der Marke gehören, werden auch heute noch verwendet. Die Yachtbauer lackieren die Holzoberflächen nach wie vor in 24 Schichten, um sie so glänzend und widerstandsfähig wie möglich zu machen, und färben die Schraubenköpfe passend zur Farbe des Rumpfes ein. Auch wenn man mit der Muttergesellschaft die Modelle veränderte und aktualisierte, bleiben die besten Aspekte der Riva-Qualität auch nach Jahrzehnten noch dieselben.
Ähnlich wie die Bedürfnisse und Wünsche der Yachteigner im Laufe der Jahre changierten, so stellte sich auch Riva neu auf. Um den Bau größerer Yachten zu ermöglichen, wurde im Jahr 2004 in La Spezia eine Riva-Werft eingeweiht, die 2007 auf eine Fläche von über 28.000 Quadratmeter anwuchs. Diese Anlage, wo Rivas in den Längen von 68 bis 110 Fuß Länge entstehen, ermöglichte es der Marke, seine Modellpalette zu erweitern und dabei die in der Werft in Sarnico etablierten strengen Richtlinien in Bezug auf Detailgenauigkeit, Innovation und hervorragendes Design einzuhalten. Zu den aktuellen Riva-Modellen, die in La Spezia laminiert werden, gehören unter anderen die Perseo und Argo.
Im Jahr 2012 feierte die Marke ihr 170-jähriges Bestehen, zusammen mit dem 90. Geburtstag von Carlo Riva und der Ankunft der 63’ Virtus, einer der größten jemals von der Werft gebauten Open-Formate.
Zwei Jahre später wurde die 122 Fuß lange „Mythos“ zum Flaggschiff von Riva. Sie war das erste Modell, das CRN komplett aus einer leichten Aluminiumlegierung in Ancona schweißte. Während die Bedeutung der Werft in Sarnico mehr als nur sentimentaler Natur ist, sitzen in Ancona die Riva-Ingenieure und Designer. Und es ist der Ort, an dem die größten Modelle produziert werden. Die Werft in Ancona hat eine Fläche von knapp 80.000 Quadratmetern, von denen etwa 25 000 Quadratmeter überdacht sind. Die Werft, die sich im Besitz der Ferretti-Gruppe befindet, widmet sich dem Bau von CRN-, Pershing- und Custom-Line-Modellen sowie den Yachten aus Rivas Superyachts Division, wie die im Jahr 2019 erstmals präsentierte 50 Metri.
„Heute entstehen alle Riva-Yachten in enger Kooperation des Studios Officina Italiana Design, dem von Piero Ferrari geleiteten Produktstrategie-Ausschuss und der Konstruktionsabteilung der Ferretti-Gruppe“, erklärt Galassi. Er erinnert sich an die Vorstellung der ersten Riva 50 Metri „Race“, die in Ancona gebaut wurde, als einen der schönsten Momente seiner Karriere. „Wir haben 2019 eine Veranstaltung im Arsenale in Venedig abgehalten, und es war ein echter Nervenkitzel, weil wir einen der Träume von Carlo Riva verwirklichen konnten. Er baute in den 1960er- und -70er-Jahren größere Stahlrumpfyachten wie die Caravelle und die Atlantic, und als ich ihm sagte, dass wir eine 50-Meter-Yacht entwerfen, meinte er nur: ,Mach sie schön.‘ Er hat es nicht mehr erlebt, aber die 50 Metri ist ein wahres Erbe der Riva-Standards für Schönheit, Stil und Innovation“, erzählt Galassi.
Ein 180 Jahre altes Markenjuwel fortzuführen, das zudem eine internationale Stilikone ist, birgt große Risiken und Potenziale. Aber so wie die Riva-Werft über Generationen hinweg vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde, ist Galassi überzeugt, dass die Ferretti-Gruppe dieser Aufgabe in den kommenden Jahren gewachsen ist. „Ich kann nur sagen, dass eine große Liebe eine große Verantwortung mit sich bringt. Riva gab es schon, bevor ich auf den Plan trat, und die Marke wird auch nach meiner Zeit ein Mythos bleiben. Sie ist nicht nur ein wichtiger Teil des nautischen, sondern auch des künstlerischen Erbes Italiens, und ich fühle mich moralisch verpflichtet, die Marke in all ihrer Pracht am Leben zu erhalten. Wir werden weiterhin jedes Jahr neue Modelle entwickeln, um unsere Produktion den hohen Erwartungen der Kunden an die Marke Riva anzupassen. Vor allem aber werden wir die Marke Riva im Herzen all ihrer Fans bewahren“, so Galassi.
Nach 180 Jahren wird eine Marke mehr als nur geliebt, sie wird verehrt; und die Ferretti-Gruppe ist in der Lage, Rivas Strahlkraft auch für die kommenden Generationen zu erhalten und gar auszubauen.
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 04/2022 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.